Die Botschaft der Lieder

Nachklang zum Eurovision Song Contest

Der Eurovision Song Contest ist so etwas wie ein Stimmungsbarometer, an dem sich die Befindlichkeit des jungen Europas ablesen lässt. In diesem Jahr ist die Show besonders oft und besonders kontrovers kommentiert worden. Was sagen uns die Lieder? Was sagen sie über die Rolle Israels? Über die Geschlechterrollen? Über die Frage der europäischen Identität?

Screenshot youtube
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Der diesjährige Siegertitel ‚Toy‘ der Sängerin Netta kam aus Israel. Das Votum des Publikums und der Jury kann durchaus als Sympathiekundgebung für den Staat Israel gesehen werden. Israel gehört nur am Rande zu Europa und rückt nun in den Mittelpunkt: Israel wird der Austragungsort für den nächsten Wettbewerb werden. Allein schon die Worte »Nächstes Jahr in Jerusalem« - eine feststehende Redewendung -, derer sich Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sofort bediente, sieht der stern als Provokation und findet, dass Tel Aviv der bessere Austragungsort wäre – »eigentlich spricht vieles gegen Jerusalem«, meint der stern.

Von Israel-Gegnern wurde das sogleich mit hässlichen Cartoons kommentiert. Israel-Freunde wiederum feiern die Einbindung Israels in den Westen. Der Bürgermeister Nir Barkat erklärte begeistert, dass »die Stadt Jerusalem die Veranstaltung von Eurovision 2019 in der israelischen Hauptstadt in jeder erdenklichen Weise unterstützen wird. Gemeinsam werden wir der ganzen Welt das herrliche Gesicht Jerusalems zeigen«.

Auch der zweitplatzierte Beitrag aus Cypern orientiert sich nach Westen. Beide Lieder können als Sieger-Titel gelten. Beide verkörpern die äußersten Vorposten einer westlichen, nicht muslimischen europäischen Lebensart im Orient.

In Hinblick auf die Frage, wie Geschlechterrollen in den Liedern dargestellt werden, könnten beide Beiträge kaum unterschiedlicher sein: In dem Song aus Israel spiegelt sich die aktuelle #Me-too-Aufregung wider, da klingt sogar etwas von der Fatshaming-Kampagne an (Was ist das? Kurz gesagt: Von Fatshaming spricht man, wenn Männer keine fetten Frauen mögen).

Die Textzeile »I am not your toy« kritisiert – ganz im Sinne der Feministen – die Objektifizierung  der Frau. Beklagt wird ein »stupid boy«, der die Sängerin offenbar als Spielzeug betrachten will. Womöglich ist die mollige Netta bei der Männerwelt nicht ganz so begehrt, wie sie meint.

Die griechische Sängerin Eleni Foureira wiederum, die für Cypern »durchs Feuer ging«, wie die Presse schreibt, trat in einem Kostüm auf, von dem man nicht einmal sagen kann, dass es »eng anliegend« gewesen wäre, es war eigentlich gar nicht vorhanden. Sie sah aus, als hätte sie überhaupt nichts an und wäre nur bemalt gewesen. Sie war sexy im traditionellen Sinne des Wortes.

Und das Männerbild? Wie sieht es damit aus? Es ist heute das Bild vom sanften, vom traurigen Mann. »Jammerton A«, wird gespottet. Die empfindsamen Männer, die neuerdings schüchtern ins Rampenlicht treten, verkörpern genau das Gegenteil der Muskelprotze, die vor kurzem mit dem ‚Echo‘-Preis ausgezeichnet wurden.

Der deutsche Beitrag ist mit einem vierten Platz sensationell gut weggekommen. Normalerweise finden wir die deutschen Beiträge zuverlässig auf den hintersten Plätzen. Die Sangeskunst ist offenbar nicht des Deutschen Sache. Bemerkenswert war das Lied von Michael Schulte in verschiedener Hinsicht: Es ist seinem verstorbenen Vater gewidmet und kommt ganz ohne Männer-Bashing und ganz ohne Kritik am Patriarchat aus. Worum ging es? Eins, zwei, drei: eine Liebe, zwei Menschen (Vater und Mutter), drei Kinder. So geht der Refrain von ‚You Let Me Walk Alone‘. Im August wird Schulte selber Vater. Es besang also ein klassisch, traditionelles Familienbild und verkörpert es auch. Und das im Jahre 2018. Hört, hört!

Man könnte meinen, dass in dem diesjährigen Liederwettbewerb eine gewisse Rückbesinnung auf traditionelle Werte ablesbar war. Dafür spricht auch, dass diesmal mehr Lieder in der Landessprache gesungen wurden als in den Vorjahren. Der deutsche Beitrag gehörte allerdings nicht dazu. Michael Schulte sang (leider) englisch.

Seit 1999 ist es nach den Regeln erlaubt, in einer anderen Sprache als in der Landessprache zu singen. ‚Wadde hadde dudde da‘ (falls sich jemand erinnert) markiert in Fantasie-Sprache diese Wende im Reglement. Damit wurde eine problematische Entwicklung eingeleitet, die schon bald dazu führte, dass sie meisten Beiträge englische Texte hatten und es nicht mehr erkennbar war, welches Land sie eigentlich repräsentieren sollten. Es klang alles nach dem Einheitsbrei der bunten Vielfalt.

Portugal war stets eine erfreuliche Ausnahme gewesen. Die Texte waren in der Landessprache. Die Musik war vergleichsweise originell. Portugal stand für ein Europa der eigenständigen Nationen mit erkennbarer Besonderheit. Die Platzierung war meist »unter ferner liefen«. Beim letzten Mal nicht. 2017 hatte Portugal mit dem sympathischen Sänger Cláudia Pascoal* gewonnen, der ganz ohne Mätzchen und ohne Verrenkungen den meisten Zuspruch erhalten hatte und den Preis nach Lissabon holte.

Der ESC ist natürlich eine Kommerz-Show, an der es viel zu kritisieren gibt. Da ist viel Blendwerk im Spiel. Der Siegertitel aus Israel ist albern. Dennoch muss man zugestehen, dass immer noch viel an handwerklicher Qualität aufgeboten wird und dass sich der künstlerische Impuls, der nach Wahrhaftigkeit und Aktualität strebt, offenbar nicht gänzlich korrumpieren lässt.

Eine gute Note, die trotz alledem eine optimistische Stimmung verbreitet, war da schon noch herauszuhören.

*Korrektur: Cláudia Pascoal stellte den diesjährigen Beitrag vor. Der sympathische Vorjahressieger hieß Salvator Sobral

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: judith

das Siegerlied war scheusslich und hat meiner meinung nach nichts mehr mit guter musik zu tun.
aber es spiegelt anscheinend unsere Gesellschaft wieder,
in der sich die lauten und auffälligen Menschen durchsetzen egal ob dass was sie tun gut ist oder nicht und dafür auch noch zum großen Teil viel zu teuer bezahlt werden.
ich bin jetzt schon so alt,(64) und habe alles mitgemacht
von den beatles, hippies, soul, funk,disco jazz, schlager usw
aber so ein mist wie dieses Lied ist sehr sehr selten.
und das Salvator Sobral das schrecklich findet, glaube
ich gerne.
Dann höre ich mir doch lieber michael jackson,
Whitney Houston oder Amy Winehouse an, leider alle
schon tot, aber da oben haben sie jetzt gute Musik .

lg Judith

Gravatar: Alfred

Israel gehört nicht zu Europa(?).
Bomben fallen auf das eingeschlossene Gaza-Gebiet und kein Journalist wagt das Maul aufzumachen. Putin würde dafür verteufelt werden! Aber Israel das "gelobte Land" (Ich habe leider diesen Faschismus bis heute nicht verstanden) will die Welt erobern --->" ...geht hinaus in die Welt und macht sie euch untertan..."
Wann kann Europa mit einer Annexion rechen?

Gravatar: Michel ut Jasmund

Seit vielen Jahren tue ich es mir nicht mehr an, diese Veranstaltung anzuschauen. Nun wollte es der Zufall (Schlafstörung), dass ich den Flimmerkasten anstellte und es gerade die "Auswertung/Abstimmung" lief. Gedenk der Worte meiner Frau, dass wohl auch ein Deutscher Aussichten auf den Sieg haben könnte, schaute ich auf den Namen "Schulz" mit oder ohne "e" am Ende des Namens. Er war auf Platz 4 gekommen und er sang - natürlich - Englisch. Dann kam der Hammer: Israel, vertreten durch Miss Piggy, wurde Sieger mit einen Song der den Zeit(un)geist traf. Ich habe zugelernt. Israel liegt in Europa, auch eine unästhetische Frau kann siegen und die Masse der Juroren scheint ausgesprochen bl..., äh ... nicht gerade klug zu sein.

Gravatar: TW

Der Gewinner von 2017 wurde im Text leider falsch angegeben.

Gravatar: Tracie

"Nächstes Jahr in Jerusalem", das sagen die Juden
schon immer. Seit sie vertrieben waren. Ist also keine
Provokation sondern ein geflügeltes Wort. Für die blöden
Judenfeinde ist alles was mit Juden zu tun hat schlecht,
schlimm, und so weiter. Sie sollen zur Hölle fahren.

Das Deutschland diesmal auf einem vorderen Platz war
ist doch prima, ich glaube kaum, dass es in deutscher
Sprache noch besser gewesen wäre, vermutlich sehr
viel schlechter.
Das Israel den ersten Platz gemacht hat finde ich sehr
angenehm. Bei all dem Israelbashing. Den Text habe ich
bisher noch nicht mitbekommen. Ist mir auch egal.
Es kommt mir auf den Gesang und die Stimme an. Und die Musik.
Die dicke Metta war mir angenehm. Jedenfalls lieber
als die ******** aus Zypern. Ihhgitt.
Ich bin ein frommes Mädchen. Frauen die wie Huren
aussehen liegen mir nicht. Kein frommer Mensch mag
sowas. In diesem Punkt haben wir alle, Juden und Christen
und diese Muselmahnen eine gleiche Meinung.
Sonst trennt uns ja beinahe alles von den Moslems.
Und das ist gut so.

Gravatar: Salvador

Der letztjährige Gewinner heißt Salvador Sobral!

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