Alexander Castell, Geschäftsführer von Alpha Deutschland e.V.

»Mit der Realität des Heiligen Geistes rechnen«

Der Geschäftsführer von Alpha Deutschland erklärt den Erfolg der Alphakurse: Sie setzen nichts voraus und sind vollkommen zwanglos. So kann man Raum geben für das Wirken des Heiligen Geistes.

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FreieWelt.net: Wie ist Alpha entstanden?

Alexander Castell: In einer anglikanischen Kirchengemeinde mitten in London, in der sich sonntags zum Gottesdienst nur noch eine kleine Schar älterer Damen eingefunden haben, ist der Alphakurs geboren worden. Es war absehbar, dass das kirchliche Leben in dieser Gemeinde vollkommen zum Erliegen kommen würde. Daraufhin hat man ein Konzept für einen zehnwöchigen Kurs entwickelt, der sich in fünfzehn Einheiten mit den Fragen des christlichen Glaubens beschäftigt, die innerhalb der verschiedenen christlichen Konfessionen unstrittig sind.

Im Alphakurs kommt man also auf die Grundfragen des Glaubens zu sprechen und lässt ganz bewusst die Themen aus, über die sich Theologen gerne streiten. Nicht weil sie unbedeutend wären, sondern weil über sie leider kein Konsens besteht und es in der Tat wichtigere Fragen gibt. Der Kurs beginnt mit der Frage, wer Jesus ist: War er der gute Mensch? Der große Lehrer? Oder war er tatsächlich das, weshalb er ums Leben gebracht wurde, nämlich Gottes Sohn? Im weiteren Verlauf geht es dann um Fragen wie: Warum musste Jesus sterben? Warum und wie kann ich beten? Wie kann ich die Bibel lesen? Wieso soll ich mit anderen über meinen Glauben reden? Welchen Stellenwert hat die Kirche?

FreieWelt.net: Warum ist der Alphakurs so erfolgreich?

Alexander Castell: Ganz einfach: Er kennt keine Tabus. Jeder Abend beginnt mit einem gemeinsamen Essen, dann hört man einen Vortrag von zwanzig bis vierzig Minuten Länge und spricht hinterher in Gruppen von acht bis zehn Teilnehmern über diese Inhalte. Das Zusammentreffen, das Miteinanderessen und Miteinanderreden setzt bei keinem der Teilnehmer irgendetwas voraus. Die Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Umgebungen und haben verschiedene Weltanschauungen oder Standpunkte. Auch die, die glauben, dass es keinen Gott gibt, haben ihren Platz an diesen Abenden, können zu Wort kommen und werden ernst genommen und nicht mit vorgefertigten Antworten abgespeist. Jeder wird als Person wahrgenommen und als Teil der Gruppe wertgeschätzt.

FreieWelt.net: Warum kommen Leute, die mit Gott nichts am Hut haben, in einen Glaubenskurs?

Alexander Castell: Weil jeder Mensch auf der Erde zumindest zwei Fragen hat, die in der Schule nur selten beantwortet werden: Wo komme ich her? Und: Wo gehe ich hin? Zu unterschiedlichen Zeiten im Leben – spätestens dann, wenn es damit zu Ende geht – verstärkt sich diese Frage. Wir stellen bei Alpha aber auch fest, dass diese Frage – insbesondere: Wo komme ich her? – auch viele junge Familien mit Kindern bewegt. Im Alphakurs erhalten sie darauf eine zeitgemäße, weil zeitlose Antwort.

FreieWelt.net: Das erklärt aber noch nicht, warum diese Leute nicht zu einer säkularen oder atheistischen Organisation gehen. Sie kommen ausgerechnet zu einer Kirchengemeinde …

Alexander Castell: Sie kommen eben nicht zu einer Kirchengemeinde, sondern auf Einladung eines Menschen, dem sie persönlich vertrauen. Ihm wollen sie zumindest einen Abend schenken und sich auf etwas einlassen, das er oder sie ihnen empfiehlt.

Man hat untersucht, warum Menschen in die Kirche kommen und am Gottesdienst teilnehmen. Es ist nicht mehr der gesellschaftliche Druck, der sie dorthin führt. Sondern sie kommen, weil sie dort Freunde finden und gerne mit den Menschen in ihrer Gemeinde zusammen sind. Und aus diesem Wohlfühlen im Gottesdienst und der Gemeinde heraus kommt auch die Bereitschaft, sich mit Themen auseinanderzusetzen, die man nicht sofort beantworten kann.

Aber wir stülpen niemandem etwas über. Sondern wir machen ein Angebot, das wir freiwillig halten. Wir bringen Kursveranstaltern bei, dass sie Menschen zu diesen Kursen persönlich einladen, sie aber nicht bedrängen und auf keinen Fall ihnen hinterhertelefonieren, wenn sie am zweiten Abend nicht mehr erscheinen. In der absoluten Freiwilligkeit drückt sich das Vertrauen auf das Wirken von Gottes Geist im Leben eines jeden einzelnen Menschen aus.

Den Heiligen Geist ernstnehmen

FreieWelt.net: Ich nehme an, dass Sie auch andere Glaubenskurse kennen und über sie nichts Schlechtes sagen wollen. Aber irgendwie muss man die doch voneinander unterscheiden. Worin besteht der Unterschied zwischen Alpha und anderen Glaubenskursen?

Alexander Castell: Das Kernelement des Alphakurses ist ein Wochenende, bei dem es um  den Heiligen Geist geht. Der Heilige Geist, der Teil der dreieinigen Gottheit ist, findet im Alphakurs eine angemessene Würdigung. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es gut ist, dieses Thema, das auch mit einer geistlichen Erfahrung verbunden sein kann, an einem Wochenende anzubieten. Hier werden drei Vorträgen gehalten: Wer ist der Heilige Geist? Was tut der Heilige Geist? Und dann, als Angebot an die Teilnehmer: Wie kann ich mit dem Heiligen Geist – so wie das in der Apostelgeschichte beschrieben wird – erfüllt werden?

Dieser Kursteil stößt im Vorfeld bei vereinzelten veranstaltenden Gemeinden manchmal auf Skepsis, weil sie der Meinung sind, es bestünde die Gefahr einer Überbetonung. Das können wir aber widerlegen. Und wenn wir im Rückblick die Teilnehmer nach ihrer entscheidenden Erfahrung im Kurs befragen, dann sind es zu einem hohen Prozentsatz Erlebnisse an diesem Wochenende. Die Besonderheit des Alphakurses ist: Wir rechnen mit der Realität des Heiligen Geistes.

FreieWelt.net: Das Thema Heiliger Geist ist natürlich markant. Hat das etwas mit charismatischem Christentum zu tun?

Alexander Castell: Charismatisch im Sinne von: den Heiligen Geist nicht ausschließen und ihn nicht nur am Rande erwähnen. Es bedeutet darüber hinaus auch, seine Wirkung in der Beziehung des Menschen zu Gott ernst zu nehmen. In diesem Sinne ist der Alphakurs charismatisch.

FreieWelt.net: Sind Sie der Meinung, dass der Heilige Geist normalerweise nicht ausreichend gewürdigt wird?

Alexander Castell: Wir kritisieren keine Kirche und keine Denomination. Es ist aber nicht nur unsere Erfahrung, dass es in vielen Gemeinden keinen entspannten Umgang mit dem Heiligen Geist gibt.

Der Heilige Geist steht bei Alpha nicht im Vordergrund und wird vor allem nicht zu Beginn behandelt. Denn ein Prinzip unserer Kurse ist, dass wir niemanden mit einem Inhalt überfallen wollen, auf den er nicht vorbereitet ist. Deshalb beginnt ein Kursabend mit einem Essen und nicht mit einem Gebet, weil wir davon ausgehen, dass Menschen kommen, die zuhause auch nicht vor dem Essen beten. In der Regel wird aber dann doch am dritten, vierten Abend gebetet – weil dieser Wunsch von den Teilnehmern selbst kommt.

FreieWelt.net: Mein Eindruck ist, dass es sehr viele personelle Ressourcen erfordert, um einen Alphakurs abhalten zu können. Was müssen Gemeinden leisten, wenn sie einen Alphakurs anbieten wollen?

Alexander Castell: Der Kern von Alpha ist Freundschaft, Gastfreundschaft. Daher empfehlen wir, eine unserer Schulungen (»Trainingstage«) zu  besuchen, die wir anbieten (www.alphakurs.de). Wir raten dazu, dass die Kleingruppen, in denen das Gespräch am Ende des Abends abläuft, von zwei geschulten Mitarbeitern begleitet wird, die das Gespräch in Gang bringen und dafür sorgen, dass es nicht von mitteilsamen Gästen dominiert wird.

Dann braucht man natürlich Mitarbeiter, die sich um die Vorbereitung des Essens kümmern – man kann allerdings auch den Pizzaservice kommen lassen. Auf diese Weise kommt etwa ein Verhältnis von eins zu fünf zustande. Eine geplante Kursgröße von 50 Teilnehmern sollte circa 10 Mitarbeiter haben.

Auf der anderen Seite führt der Alphakurs zu einer starken Entlastung der Gemeindeleitung selbst. Wir kennen Gemeinden, in denen dieser Kurs angeboten wird, ohne dass der Pfarrer selber jeden Abend daran teilnimmt. Es ist schön, wenn er dabei ist, aber er muss nicht. Schließlich führt der Alphakurs dazu, dass Laien dazu befähigt werden, über ihren Glauben zu sprechen und das Gespräch über das Evangelium nicht nur an den Pfarrer zu delegieren.

Ein Glaubenskurs, der in der ganzen Welt erfolgreich ist

FreieWelt.net: Würden Alphakurse auch zum Beispiel in Korea, wo das Christentum boomt, oder in manchen Gegenden Afrikas denselben Erfolg haben wie in sterbenden Gemeinden Westeuropas?

Alexander Castell: Bezüglich des Themas Evangelisation oder Re-Evangelisation können wir gerade von den von Ihnen genannten Regionen lernen. Alpha ist zum Beispiel in Afrika oder China – dem größten christlichen Land der Welt – über die Maßen erfolgreich. Nicht alle sind über den Alphakurs zum Glauben gekommen, aber Alpha wird dort als ein ganz wertvolles Instrument eingesetzt. Inzwischen können wir den Kurs übrigens in über sechzig Sprachen anbieten.

Wir erleben auch hier in Deutschland eine ganz starke Nachfrage nach fremdsprachigem Kursmaterial für die Flüchtlings- und Asylantenarbeit zahlreicher Kirchengemeinden. Viele Menschen, die in Deutschland Zuflucht suchen, kommen hier auch erstmals mit dem Christentum in Berührung. Hier ist der Alphakurs ein bewährtes und effizientes Instrument, mit Menschen des 21. Jahrhunderts über den christlichen Glauben zu reden.

FreieWelt.net: Das heißt, es gibt über die Notwendigkeit von Alphakursen überhaupt keine Unterschiede zwischen Gesellschaften, in denen das Christentum auf dem absteigenden, und solchen, in denen es auf dem aufsteigenden Ast ist?

Alexander Castell: Mitteleuropa hat in den letzten zweitausend Jahren eine so starke Prägung durch das Christentum erlebt, dass viele Menschen, die zwar selber die Verbindung zur Kirche verloren haben, sagen: Das Christentum ist ein wesentlicher Teil unserer Kultur; doch was ich brauche, weiß ich, und mehr interessiert mich nicht. In anderen Teilen der Welt, in Indien zum Beispiel, wo 50.000 Kirchengemeinden Alphakurse veranstalten, trifft das Christentum auf einen »unverdorbenen« Boden, da fällt die gesamte Skepsis aus. Dort ist die Bereitschaft, die beste Botschaft der Welt aufzunehmen, viel größer.

FreieWelt.net: Was möchten Sie unsern Lesern mit auf den Weg geben?

Alexander Castell: Wer sich dabei erwischt, dass er oder sie sich zwar zur Kirche zugehörig fühlt, es aber schwerfällt, am Montag im Büro so unbefangen über den Gottesdienstbesuch am Sonntag zu sprechen wie über ein anderes Erlebnis vom Wochenende, den möchte ich ermutigen, sich auf eine Alphaerfahrung einzulassen. Er wird feststellen, dass man über seinen Glauben sprechen kann, ohne die Terminologie zu wechseln, eine besondere Haltung einzunehmen oder eine bestimmte Ausbildung zu haben. Denn der Glaube an Jesus ist ein elementarer Teil und eine Bereicherung für das Leben eines jeden Menschen.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Interview.

Alexander Castell ist Geschäftsführer von Alpha Deutschland e.V., einem Zweig von Alpha International. Alpha International kümmert sich um die Verbreitung des erfolgreichsten Glaubenskurses der Welt. Er wird mittlerweile in über 60 Sprachen in 170 Ländern angeboten.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Joachim Datko

Man sollte aber immer daran denken, dass es keine (heiligen) Geister gibt. Geistervorstellungen sind aus der vorwissenschaftlichen Zeit.

Sich in einer Gemeinschaft wohl zu fühlen, ist unabhängig von religiösen Vorstellungen.

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