Ein Gastbeitrag

Mein Leben als Dissident

Mein neuer, eher lebensbejahender Ansatz wurde ja doch ganz gut aufgenommen. Viele haben sich interessiert gezeigt und gefragt, wie es mir so damit geht. Hier also ein kurzes Zwischenfazit.

Quelle: verbformen.de / CC BY SA 4.0
Veröffentlicht:
von

Als Dissident hatte ich ja meinen Job verloren. Und ganz ohne Kohle - hab ich gemerkt - geht ja auch nicht. Da war erstmal guter Rat teuer. Aber nicht lange. Mein neuer Mitbewohner hat geholfen und mir für den Anfang einen Stapel Personalausweise besorgt. „Kein Problem Alda“, hat er gesagt und „Ich machen für Disch!“ Und schwupps lagen sie aufm Nachttisch. Inklusive passendem Blanko-Impfbuch und Berechtigungsscheinen für alles Mögliche. Taxifahrten. Arztbesuche. Schwimmbad. Trommelkurs. Tittentöpfern. Messerschleifen…keine Ahnung…das volle Programm eben. Sogar schon mit Büroklammer zusammengeheftet, damit ich nichts verwechsle. Die Frage „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ war damit erstmal beantwortet. Ich bin jetzt Fünfundzwanzig. Verschiedene, meine ich. Divers sozusagen.

Ein Identitätspaket nehme ich jetzt morgens immer von oben runter und dann erstmal ab zum Impfen. Vor allem, weil es da jetzt immer ein Eis und einen Fremdsprachenkurs umsonst gibt und sich alle freuen, wenn mal wieder einer kommt. Aber nicht nur deswegen. Danach mach ich nämlich meistens noch Blutspende. Die zahlen jetzt das Doppelte. Weil ich inzwischen so geile Antikörperwerte hab, dass der Chef vom Blutspendezentrum meine Ampullen persönlich hinten aus dem Hoffenster verkauft. Meistens an vermögende alleinstehende Mitfünfzigerinnen mit Gummihandschuhen und Beziehung zu Schönheitschirurgen. Seine Kumpels vom CDU-Kreisverband staunen jedenfalls, dass er immer die besten Ideen hat.

Gegen Elf hole ich Stütze ab. Da machen sich dann die Fremdsprachenkurse bezahlt. Einmal hab ich die Maske vergessen. „Sie waren doch diesen Monat schon da...?“ hat die Azubine hinterm Hydrotopf gleich bemerkt. Logisch, war ja der Sechsundzwanzigste und ne knappe Woche warten wollte ich auch nicht mehr. Hab aber schnell geschaltet. T-Shirt hoch und meine Narbe von der Blinddarm-OP 1993 gezeigt. „Victor Orban!“ hab ich mit tiefer Stimme gesagt, und „Geschossen mich!“ Da hat sie feuchte Augen bekommen und genickt: „Tali-Or-ban? Ganz übel. Hatten wir in der Schule!“

Noch bissel gequatscht und ich dann doch mit dem üblichen Monatssatz raus. Plus Zuschlag für Traumatisierte. Und noch einem Gutschein. Für Fußreflexzonenmassage. Gibt da jetzt wohl ein von der EU gefördertes Forschungsnetzwerk an der Uni in Köln. Das hat herausgefunden, dass Fußreflexzonenmassage die Integration fördert. Kann gut sein. Hinten auf dem Gutschein hab ich noch ihre Handynummer gefunden. Mal sehen. War jetzt nicht so die Hellste…aber schlecht sah sie nicht aus.

Mittags gehe ich irgendwo in die Stadt. Meistens Hakenkreuze taggen. Die Amadeu-Stiftung zahlt für jedes Bild, das ich einschicke, Zweifuffzig. Keine Ahnung, was die damit machen. Beim Verfassungsschutz gibt’s auch was, aber weniger. Die Preise fallen jedenfalls. Sonnabends gibt’s mehr, da kann man bei den Querdenkern irgendwas entrollen. Reichskriegsflaggen oder ein Profilbild von Tellkamp mit Wagenknecht im Wikingerlook. Ganz so wie letztes Jahr isses nicht mehr. Die Einbußen kann man aber wettmachen, wenn man kreativ ist.

Beim Lidl bin ich zum Beispiel mit Absatzschläppchen und Perlenkette reingeschlurft und hab mich beschwert, dass es nicht sein kann, dass immer, wenn ich als Nichtbinärer von der Nachtschicht zum Einkaufen komme, schon alle Sonderangebote von weißen Cis-Rentnern mit Carbonrollator gehamstert sind. Und ob ich das mal an die TAZ schicken soll. Der Marktleitende ist gleich blass geworden und hat mich beiseite genommen. Jetzt stellt er mir immer schon früh was vom Günstigen zusammen und packt die Tüte hinten ins Büro. Er kam damit sogar ins Fernsehen. Titel-Thesen-Temperamente hat ihn mit dem ‚Einhorn des Monats‘ geehrt. Die Urkunde hängt vorn im Windfang. Gleich neben dem Desinfektionsspender.

So langsam kommen jetzt auch die Freunde zurück, wenn ich mal zu mir einlade. „Wir hatten dich schon aufgegeben!“ haben sie mit strengem Blick gesagt. „Aber echte Freundschaft ist eben echte Freundschaft!“ Haben sie gesagt. Da hab ich dann feuchte Augen bekommen, denn solche Freunde fehlen einem natürlich. Gut, es war hart die letzten Jahre, aber wie Annalena immer sagt - "Man muss jetzt nach vorn blicken!"

Soviel erstmal. Als Ermutigung. Es ist jedenfalls alles viel einfacher, wenn man sich nicht immer so quer stellt, sich über alles beschwert und schlechte Laune bekommt, sondern ein bißchen kreativ ist. Also überlegt‘ s euch! Bis die Tage…

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: P.Feldmann

"immer nach vorn blicken!"- auf den Desinfektionsspender.

Besser geschrieben als Merkel und Annalena zusammen sprechen können! Gut, aber dafür richtet der Autor ja auch nicht soviel Unheil an!
Danke!

Gravatar: Irrelevante und irre DissidentInnen(und Außen)

Ob Sie nun ein Dissident waren oder sind, das ist eigentlich ziemlich irrelevant in Anbetracht einer Irren, die in Deutschland seit sechzehn Jahren die Richtlinien der Politik bestimmt, die nicht sich belügen will, sondern den Rest der Welt ...

http://menschundrecht.de/spontifex%202007%20-%202020.pdf#page=90 ,

... die ausdrücklich keine Dissidentin war ...

https://www.youtube.com/watch?v=9ofED6BInFs&t=289s

... und die offenkundig auch heute noch keine Dissidentin ist bei all ihrem heißen Bemühen um Schaffung einer "EUSSR" bzw. eines "Vierten Reichs" ...

https://menschundrecht.de/blog%20rot%20forum%20rot%20memory%20rot%20truth%20rot.pdf#page=3 .

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang