Kataloniens Unabhängigkeit: aufgeschoben, aber nicht aufgehoben

Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont spielt auf Zeit

Alle haben mit Spannung auf seine Ansprache gewartet. Wenn Carles Puigdemont die Loslösung von Spanien verkündet hätte, wäre dies eine Art Staatsstreich. Doch er spielt auf Zeit. Er will Madrid zum Dialog zwingen.

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Spielt die Zeit Madrid oder Barcelona in die Hände? Das ist die Frage, auf die es ankommt. Der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont glaubt, dass die Zeit auf seiner Seite ist. Deshalb hat er die von den Medien und der Bevölkerung erwartetete Ankündigung der Unabhängigkeit Kataloniens vertagt. Sie solle kommen, aber erst in einigen Wochen. Bis dahin hoffe er auf einen Dialog mit Madrid. Es gibt aber auch lokale Stimmen, die darauf hindeuten, dass es Uneinigkeit unter seinen Anhängern über den Kurs und den Zeitpunkt der Unabhängigkeitserklärung gibt.

Die Separatisten, also die Befürworter der Abspaltung Kataloniens von Spanien, sind enttäuscht von seiner Ansprache. Sie haben sich den großen "Befreiungsschlag" erhofft. Die Unionisten, also die Befürworter der Einheit Spaniens, sind erleichtert. Nun gibt es die Chance, dass das Ruder noch herumgerissen wird.

Auf beiden Seiten hatten sich in den letzten Wochen die Anhänger zu Massenkundgebungen getroffen. Es waren jeweils Hunderttausende auf den Straßen Barcelonas erschienen. Während die Separatisten seit Monaten und Jahren auf eine Abspaltung hinarbeiten und immer wieder Massendemonstrationen organisierten und überzählig zum Referendum erschienen waren, sind die Unionisten erst spät aufgewacht. Jetzt jedoch sind sie zahlreich auf den Beinen. Sie haben erkannt, dass es ein Fehler war, dem Referendum fern zu bleiben, weil die Abstimmung nun als mehrheitliche Befürwortung der Separation gedeutet wird, obwohl weit weniger als die Hälfte der Stimmberechtigten erschienen waren.

 

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: KritischeStimme

2004 Wurden Baltische Staaten i/d EU aufgenommen wo jetzt in Estland+ Letland 330.000 Einwohner keine normalen Buergerrechte haben,koennen nicht an Wahlen+ Buergerfunktionen teilnehmen. 2014 Wurde mit der Ukraine einen Beitrittsantrag unterzeichnet ohne zu verlangen das der Status der veraengstigten russischen Minderheit im Osten geloest wird ,i/d Moldau wurden Wahlen organisiert fuer einen EU-Beitrittsantrag+kurz bevor wurde eine groessere (russische) politische Partei v/d Wahl ausgeschlossen. Natuerlich hat man 3-5 Jahre zuvor im US-NatoHauptquartier alle Moeglichkeiten fuer Osteuropa extrapoliert.2012 Erhielt die EU den NobelFriedensPreis mit Begruendung aus Europa ein Kontinent des Friedens gemacht zu haben ,waehrend man gerade den Keim fuer Unruhen gesaeht hat. Kosovo bekam 2008 Unabhaengigkeit ohne Referendum was 2017 Katalonien verweigert wird nach Referendum mit 90% Ja Stimmen. Weil Serbien kein EU war? Weiteres moegliche Unabhaengigkeitsreferendum 2017 Venetien, Italien

Gravatar: KritischeStimme

Es gibt in Europa viele regionale- und etnische Konflikte,teils aus der Geschichte, teils durch inkonsequent Handeln der EU.Uebersicht der Konfliktlaender/Gebiete:Schottland+NordIrland, Flandern+Wallonien, Korsika, Baskenland+Katalonien, Venetien+SuedTirol, Estland ,Letland ,Ukraine, Moldova, Kosovo. Die letzten 5 Konflikte sind nur auf dem Mist der EU gewachsen. Weshalb gibt es keine Demokratiebedingungen beim EUzutritt/Vertragsabschluss?Weshalb musste Kosovo ohne Referendum unabhaengig werden, was Katalonien verweigert wird?Weil Serbien kein EU war? Kosovo ist nicht lebensfaehig und wird bis auf unabsehbare Zeit viele MIllionen v Euros kosten f EUsteuerzahler. Durch ungeschickte Fuehrung in Bruessel erlebt die EU jetzt eine Welle regionaler+ etnischer Konflikte. Dann gibt es die Nachbarlaender der Ukraine: Polen, Ungarn, Rumaenien, Weissrussland, Moldau, Slowakei die alle ihre Landsleute i/d Ukraine beschuetzen moechten+am liebsten einverleiben. Am Ende wird nicht viel mehr v/d Ukraine uebrigbleiben

Gravatar: Herbert

Aus welcher Klasse einer Schule hat man den dann auf die Menschen in Katalonien los gelassen? Der wirkt ja noch, wie ein Musterschüler!

Gravatar: Clara West

Man kann so ziemlich alles veranstalten, auch ein solches Referendum und auch eine angestrebte Eigenständigkeit, sofern die Rahmenbedingungen stimmen.

Wenn dieses "Referendum" tatsächlich als Rechtsgrundlage für eine Abspaltung durchgeht, dann veranstalten die Unionisten als nächstes ein Referendum, um die Abspaltung von der Abspaltung zu bekommen. Die steht dann genauso wenig auf einer Rechtsgrundlage, wie das jetzige Referendum und da offensichtlich Mehrheiten oder sogar qualifizierte Mehrheiten oder sogar Legalität keine Rolle mehr spielen, definiert sich jeder seine Demokratie selbst.

Legal, illegal, scheißegal

Die Folge ist, dass Gutdünken, Willkür und Diktatur sich durchsetzen.

Wir erleben gerade in Großbritannien ein ganz ähnliches Phänomen. Die 48% der Wähler, die für den Verbleib gestimmt haben, haben keine politische Heimat mehr, keinen, der sie und ihre Interessen vertritt. Für das Parlament sind sie nicht existent. Labour Parlamentarier wurden bedroht, sie würden aus dem Schattenkabinett entlassen werden, wenn sie sich gegen Brexit äußern. Die Mitwirkung des Parlaments musste erst gerichtlich durchgesetzt werden, nachdem Theresa May erst alles im Alleingang und ohne Parlamentsdebatte durchboxen wollte.

Mittlerweile sind es nach neuesten Umfragen sogar mehr als die Hälfte der Wähler, die heute für einen Verbleib stimmen würden. Das ganze Referendum war auf einer einzigen Hetz- und Fehlinformationskampagne aufgebaut, die mittlerweile jedem bekannt ist. Lügen haben kurze Beine. Das Land steuert auf ein wirtschaftliches Disaster hin und es gibt keinen Mechanismus, der diesen Zug aufhält. Es wurde von rücksichtslosen und verantwortungslosen Zockern verspielt.

@Gipfler

Ich glaube durchaus, dass es regionale Zugehörigkeit gibt. Man isst das gleiche Essen, spricht den gleichen Dialekt, hat ähnliche Gewohnheiten, kulturelle Gemeinsamkeiten etc. Ganz ähnlich den Tribes und Stämmen in anderen Ländern.

Nationale Identität halte ich auch für einen Mythos. Sicherlich spricht man eine gemeinsame Sprache und hat politische Gemeinsamkeiten. Das hat aber nichts mit Identität zu tun. Wenn Sie als Nordlicht nach Bayern ziehen, kann es Ihnen je nach Gegend passieren, dass Sie sich nicht integrieren können. Sie sind kein Urbayer und werden daher immer ein "Saupreiss" bleiben. Ähnliches kann Ihnen in Hessen und in Sachsen passieren.

Trotzdem sind wir soziale Wesen und in unserer Region mehr oder weniger eingebunden. Nomaden hat es schon immer gegeben. Das ist nicht neu. Wenn also Regionen ihre Eigenständigkeit haben möchten, dann ist das erst mal nicht so falsch, wenn das Verfahren nicht auf so löcherigen und tönernen Füßen steht.

Gravatar: Gipfler

Hinter den Separationsbestrebungen steht der Wunsch nach Selbstbestimmung, weil sie ihre Region von der zentralen Machtmaschine unterdrückt erleben. Aber Selbstbestimmung für Katalonien, Schottland usw. zu fordern ist der große Irrtum.
Selbstbestimmung der Völker ist die unselige Saat Woodrow Wilsons. Es gibt nur die Selbstbestimmung des einzelnen Menschen. Eine Nation oder ein Stamm hat kein Selbst, das sich bestimmen könnte. Wenn eine gewählte Gruppe für alle geltende Gesetze in Wirtschaft und Kultur beschließt, wird das Recht des einzelnen Menschen, sein Leben selbst zu bestimmen, ja gerade ausgeschaltet, auch in einer kleineren Einheit Katalonien. Wenn der einzelne Mensch frei ist, ist es auch die Gemeinschaft.

Es geht um die Grundfrage der Demokratie. Wie weit darf die Regelungskompetenz des Parlamentes gehen? Sie darf nur das Rechtsleben betreffen. Wirtschaft und Kultur müssen in eine horizontal koordinierende Selbstverwaltung der dort fachkundig tätigen Menschen entlassen werden, in denen es keine inhaltlichen Regelungen des Staates geben darf.
Siehe:
http://fassadenkratzer.wordpress.com/2014/10/03/macht-macht-untertan-die-unvereinbarkeit-von-staatlicher-macht-und-demokratie/

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