Gastbeitrag von Robert Royal

In der Krise Mut behalten

Mut bedeutet nicht, keine Angst vor einer wirklichen Bedrohung zu haben, oder sie schlichtweg zu ignorieren. Das wäre Dummheit. Mut heißt, die Gefahr zu sehen, angebrachte Angst zu spüren und trotzdem das Richtige zu tun.

Foto: Pixabay
Veröffentlicht:
von

Das Fledermausvirus flattert uns noch um die Ohren und viele Menschen reden von Veränderungen, die man sich in seinen wildesten Träumen nicht hätte vorstellen können. Aber in all dem Reden von Leiden und Sicherheit, von Leben und Existenzen, von Toden der Krankheit und den Toden der Isolation, ist das Fehlen eines Wortes besonders merkwürdig – außer wenn es um Mitarbeiter in der Medizin geht: Mut.

Die Abwesenheit ist seltsam, weil die Tugend des Mutes genau das ist, was in einem solchen Moment gebraucht wird, wenn alle Menschen an der Front kämpfen. Diese einfache Weisheit haben wir alle verlernt, weil wir die Tradition der Tugenden aus den Augen verloren haben. So etwas wie Mut – seinen ‚Mann‘ oder seine ‚Frau‘ stehen – kommt den Menschen nicht mehr in den Sinn.

Stattdessen mühen wir uns unentwegt ab, eine Welt zu schaffen, in denen alle ‚sicher‘ sind und niemand sich mehr mit etwas ‚anstößigem‘ auseinandersetzen muss. Wir leben in einer Welt, in der die Institution – oder Personen – alles so arrangieren wollen, dass niemand mehr persönlichen Mut zeigen muss.

Es handelt sich bei diesem Vorhaben um das reinste Wunschbild und – leider ist es so – hat die weitverbreitete Angst vor dem Tod viele Menschen immer noch nicht auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. In einem bekannten lateinischen Sprichwort heißt es mors certa, hora incerta (»der Tod ist sicher, seine Stunde nicht«). Wir wissen, dass wir eines Tages sterben müssen, und vielleicht sogar schon heute unser Ende kommen wird. Die meisten Menschen leben ihr Leben und versuchen diese einfache Tatsache zu ignorieren oder zu vergessen. Jeder Tag bringt mich sich Unsicherheit und Gefahren – das verlangt nach Mut.

Ernest Hemingway, noch früh in seinem Leben – also kurz nachdem er katholisch wurde – war von allem »mittelalterlichen« besessen und bezeichnete Mut als »Gnade unter Druck«. Er hielt es mit seiner Definition kurz. Es ist also unmöglich zu sagen, ob er hier ein katholisches Verständnis von »Gnade« hatte, oder – wie es manchmal in seinen Werken herausklingt – Gnade als eine Art Macho-Pose verstand.

Aber im Grunde hat er Recht. Mut bedeutet nicht, keine Angst vor einer wirklichen Bedrohung zu haben, oder sie schlichtweg zu ignorieren. Das wäre Dummheit. Mut heißt, die Gefahr zu sehen, angebrachte Angst zu spüren und trotzdem das Richtige zu tun.

Das Richtige zu tun ist nicht etwas, das auf der Hand liegt. Es braucht eine andere Tugend – Klugheit –, deren Abwesenheit in den täglichen Virus-Diskussionen auch schmerzlich vermisst wird. (Wenn Sie eine kurze Einführung in die Tugendlehre von Aristoteles, Augustinus, Thomas von Aquin und darüber hinaus braucht, lesen sie Josef Piepers Klassiker ‚Über die Tugenden‘). Klugheit – wirkliche Klugheit – ist nicht Schüchternheit, sondern eine direkte Konfrontation mit der Wirklichkeit und dann eine Auseinandersetzung mit guten Urteilen, die darüber gefällt werden können, ohne durch Angst oder Genuss verführt zu werden.

John Lennon sang in seinem Lied Dear Prudence eine schüchterne Lady an, die »zum Spielen rauskommen sollte«. Echte Klugheit gibt Raum zum Spielen, aber noch wichtiger ermöglicht sie wirkliche zentrale Entscheidungen zu treffen, besonders in solchen Situationen, in denen es keine wissenschaftlichen oder strikt logischen Antworten gibt, was die meisten Momente im menschlichen Leben bedeutet.

Was ihnen in den Debatten – oder sollte man sagen Schlagabtausche? – über was man nun tun sollte, nun da das Virus zurückgeht, aufgefallen sein könnte, ist, die Beweislage klug abzuwiegen. Hier kollidieren die Antworten regelrecht.

Sie können argumentieren, man solle seine Häuser in den nächsten 12-18 Monaten nicht verlassen, bis es eine Impfung gibt, die uns schützen kann. Das ist eine Klugheitsentscheidung, aber keine wirklich realistische (und daher auch nicht wirklich kluge), da die Menschen dieser Welt – so geduldig sie bisher auch gewesen sein mögen – nicht so lange warten werden, wieder zu ihrem normalen Leben zurückzukehren.

Sie können auf der anderen Seite argumentieren, dass die Daten, die wir bisher gesehen haben, zeigen, dass die Risiken für uns relativ gering sind – etwas, was wir vor zwei oder drei Monaten noch nicht wussten. Aber Politiker in Amerika und anderswo mussten vor Monaten schon, ohne die wichtigen Fakten in der Hand zu haben, die Entscheidungen treffen, wie die Menschen geschützt werden sollten. Und die Fakten bleiben unklar.

Hier nun kommt die Klugheit zur Anwendung: sie gibt uns keine falschen Sicherheiten. Die Klugheit weiß, dass derlei Entscheidungen in Anbetracht vieler Tatsachen gemacht werden müssen, die sich verändern können und uns einen anderen Kurs einschlagen lassen.

Klugheit hilft uns auch zu verstehen, dass wir immer abwägen müssen. Wir müssen auch manchmal in teilweiser Unwissenheit handeln. Und daher sollten wir auch andere nicht vorschnell kritisieren, die – in derselben Unsicherheit – andere Entscheidungen treffen, als wir.

Anstelle der Klugheit bekommen wir – wie üblich – Parteilichkeit. Entweder sollte das ganze Land eingesperrt leiben. Oder alles soll geöffnet werden. Der umsichtige Weg, Experimente zuzulassen und zu sehen, was daraus entsteht – und reagieren, wo dies funktioniert oder nicht – das hat nur sehr wenige Befürworter.

Aber Vorsicht beim Denken und Mut zum Handeln ist das, wozu wir aufgerufen sind, selbst wenn wir keinen Viren ausgesetzt sind. Es bedeutet, uns immer zu tugendhaften Menschen zu erziehen.

Mut – das sollte gesagt sein – sollte nicht mit der lächerlichen modernen Vorstellung des »an sich selbst glauben« verwechselt werden. Jeder, der an sich glaubet, ist ein Dummkopf und vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes ein verdammter Dummkopf. Wie viele Menschen haben sich in Grenzneurosen hineingefoltert und sind zu Schlangemenschen geworden, die sich überzeugen suchen, an ein fehlbares und gefallenes menschliches Wesen zu glauben.

Der hl. Augustinus, der sicherlich zu seiner Zeit eine Vielzahl von schwellbrüstigen heidnischen Philosophen, die stolz auf ihre eigenen Tugend waren, getroffen hat, erklärte die vier Kardinaltugenden (Klugheit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Mut) auf brillante Weise – wie er alles, über das er schreibt ausdrückt – indem er sie mit den vier Arten der Liebe gleichsetzt:

Diese vier Tugenden (und mögen alle sie in ihrem Herzen spüren, die sie mit ihrer Zunge aussprechen), würde ich so definieren: Mäßigung bedeutet, sich etwas Geliebtem ganz hinzugeben; Mut bedeutet, in Liebe alles für den Geliebten zu ertragen; Gerechtigkeit bedeutet, nur dem Geliebten zu dienen und darum rechtmäßig zu herrschen; Klugheit bedeutet, mit Weisheit zu unterscheiden, was der Liebe hilft und was der Liebe hindert (De moribus ecclesiae¸Kap. XV)

Gute Worte in schlechten Zeiten.

(jb)

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Mut bedeutet nicht, keine Angst vor einer wirklichen Bedrohung zu haben, oder sie schlichtweg zu ignorieren. Das wäre Dummheit. Mut heißt, die Gefahr zu sehen, angebrachte Angst zu spüren und trotzdem das Richtige zu tun.“ ...

Ist das nicht auch schon deshalb so wichtig, weil das Gleiche auch unsere(?) Göttin(?) forderte und offensichtlich zur Täuschung hinzufügte:

„Um das gemeinsam Erreichte nicht zu gefährden“
– was von diesem Seibert Steffen auch noch unterstrichen wurde!?
https://twitter.com/RegSprecher/status/1260551581474459648

Ist die aktuelle Situation Deutschlands nicht aber schon deshalb ein Produkt viel zu langjähriger – durch und durch vermerkelter - Politik, weil die „ganz große Krise“ auch ohne Corona vor unserer Tür stand/steht?

„Sollte die Weltwirtschaft tatsächlich einbrechen, wäre es eine Rezession mit Ansage. Und die großen Nationen sind keinesfalls besser vorbereitet als 2008 - im Gegenteil.“
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaftskrise-2020-rezession-1.4576139

Weil unsere(?) heißgeliebte(?) Göttin(?) es so will und ihren Alten (Gott) auch in diesem Fall bevormundete???

Gravatar: Hans-Peter Klein

Gut, das es solche Artikel in diesen Zeiten noch gibt.
Es macht Mut, im wohlverstandenen Sinne.
Es bestärkt einen darin, hin und wieder in die alten, lesenswerten, bewährten Quellen wie Augustinus hinein zu tauchen.

Aber:
Was mich jedoch außerordentlich gestört hat, dass Sie hier einen gewissen E. Hemingway zitieren.

Hemingway?

Diese verfluchte Dr...s... , die sich stolz damit brüstete:
"Ich tötete 122 Deutsche" ?

Schade, ich konnte deswegen den Rest des Artikels nur mit stark eingeschränkter Wahrnehmung überfliegen, gelang mir am Ende dann aber doch.

MfG, HPK

Nachlese;
* https://www.focus.de/kultur/buecher/buch-ich-toete-gerne_aid_215538.htmlf
* https://www.cicero.de/kultur/%E2%80%9Eich-t%C3%B6tete-122-deutsche%E2%80%9C/39032

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang