Vorkämpfer des 19. Jahrhunderts für Einheit, Freiheit und Demokratie nicht länger als Namensgeber erwünscht

Greifswalder Uni ist Ernst Moritz Arndt zu politisch inkorrekt

Nach mehreren erfolglosen Versuchen in zehn Jahren entschied der Senat der Greifswalder Universität, sich des bisherigen Namensgebers, des Historikers und Freiheitskämpfers Ernst Moritz Arndt (1769-1860) zu entledigen. Das stößt auf Kritik.

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Die Universität Greifswald soll künftig nicht mehr den Namen »Ernst Moritz Arndt« tragen. Der Umgang mit der Namensgebung der Hochschule in Vorpommern entfacht derzeit große Debatten. Natürlich auch in der Hansestadt selber, wo jetzt in der Bürgerschaft als Reaktion auf die jüngste Entscheidung seitens der CDU-Fraktion eine Sondersitzung beantragt wurde.

Ein Antrag ersucht die Universität, ihre Entscheidung den bisherigen Namen streichen zu wollen, zu überdenken. Dem von der CDU gestellten Antrag haben sich auch die Fraktionen der FDP und der Wählergemeinschaft »Kompetenz für Vorpommern« angeschlossen - und sogar die Linkspartei erwägt eine Unterstützung.

Was war geschehen? Nach mehreren gescheiterten Anläufen seit 2007 entschied vor wenigen Tagen der Akademische Senat mit knapper Zweidrittelmehrheit den Namen des Schriftstellers, Historikers und Freiheitskämpfers  Arndt (1769-1860) abzulegen, der selber Student und Professor an der Hochschule war.

Dem Beschluss mit 24 von 36 Stimmen folgend würde die Hochschule künftig nur noch Universität Greifswald heißen. Rektorin Johanna Eleonore Weber sagte: »Es war eine Entscheidung, um die seit Jahren hart gerungen wurde«. Sie wünsche sich, dass auch diejenigen, die für eine Beibehaltung des Namens plädiert hatten, das Ergebnis respektierten. 

2010 hatte sich nach einer jahrelangen kontroversen Debatte eine Mehrheit der Greifswalder Studenten in einer Urabstimmung gegen eine von der studentischen Initiative »Uni ohne Arndt« geforderte Umbenennung ausgesprochen. Daraufhin stimmten 22 von 36 Senatoren gegen ein Ablegen des Namens Ernst Moritz Arndt.

Als Vorwurf wird immer wieder gereicht, dass die Hochschule erst seit 1933 den Namen trug, damals versehen mit einer Genehmigung des damaligen preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring. Und dass seine patriotischen Gedichte, die sich gegen die napoleonische Besatzung richteten, im Nationalsozialismus Würdigung fanden.

Doch die Inanspruchnahme der historischen Gestalt Arndts ist faktisch lagerübergreifend gewesen. Als 1945 in Aufhebung des damaligen Beschlusses die Universität zeitweise wieder namenlos geworden war, genehmigte die DDR-Führung 1954 ohne jegliche Diskussion eine erneute Benennung nach Arndt.

Die DDR reklamierte das Erbe Arndts für sich, als das eines progressiven Kämpfers gegen Feudalismus und Leibeigenschaft. Zudem galt er als ein Vorbild für die Freundschaft mit Russland. Entsprechend verlieh der Nationalrat der DDR an Kulturschaffende die Ernst-Moritz-Arndt-Medaille. Schulen, Kasernen und Straßen trugen seinen Namen.

Genauso sehen aber auch Liberale Arndt als einen der ihrigen. So würdigt die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung ihn auf der Internetseite als Freiheitskämpfer während der 1848er Revolution, der dann als gewählter Abgeordneter in der Frankfurter Paulskirchenversammlung für die Liberalen im Plenum saß.

Anfang des 19. Jahrhunderts erlangte Arndt erstmals als junger Hochschullehrer der Universität Greifswald Bekanntheit, als er 1803 zur Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern und Rügen publizierte und sich gegen diese wandte, dafür etliche gerichtliche Klagen von Großgrundbesitzern einfuhr. 1806 wurde diese aber schließlich abgeschafft.

Genauso wandte sich Arndt gegen die damalige Kleinstaaterei in Deutschland und gegen die französische Besetzung unter Napoleon. Das machte ihn zum Verfechter der deutschen Einheit. Gedichte und Lieder, die er damals schrieb wie »Der Gott, der Eisen wachsen ließ«, riefen im pathetischen Geist der Zeit zum Widerstand gegen die Franzosen auf.

Arndt, der auch evangelische Theologie studierte und allerlei Kirchenlieder schrieb, von denen sich heute noch ein paar im »Evangelischen Gesangbuch«, werden von Kritikern aber auch judenfeindliche Äußerungen zur Last gelegt, die sich jedoch genauso bei einem Großteil geistiger Größen dieser Zeit finden - nicht nur bei Martin Luther, sondern auch beim sozialistischen Vordenker Karl Marx. Bei letzterem entfacht das nicht jene Kritik.

Historische Persönlichkeiten müssen immer aus dem Verständnis der damaligen Zeit und des prägenden Umfeldes gesehen werden, auch wenn wir bestimmte Begleiterscheinungen heute anders einstufen mögen. Daher wäre es kraft der geschichtlichen Verdienste durchaus richtig, ein bedeutendes Mitglied dieser Hochschule weiter zu ehren, so wie es bundesweit nach Arndt benannte Straßen, Plätze und Schulen gibt.

Reaktionen aus der Politik folgten: Der CDU-Landtagsabgeordnete Egbert Liskow zeigte sich enttäuscht über das Verhalten der Universität. Natürlich sei Arndt eine kritische Zeitfigur, aber das seien Luther und Goethe auch, erklärte er. »Eine regelrechte Beseitigung von Arndt ist keine kritische Auseinandersetzung, sondern vielmehr ein Löschen der Zeitgeschichte.«

Der hochschulpolitische Sprecher der AfD-Landtagsfraktion, der Greifswalder Juraprofessor Ralph Weber, bezeichnete die Entscheidung des Senats als ein »verheerendes Signal« 27 Jahre nach der Wiedervereinigung, weil Arndt Vorkämpfer für die Einheit und das Zusammenwachsen Deutschlands war. Die Kosten für die Umbenennung schätzte er auf 300.000 Euro.

In Kraft tritt die Namensänderung, wenn sie vom Kultusministerium genehmigt ist. Ein Veto wird wohl von der rot-schwarzen Landesregierung nicht zu erwarten sein. Sofern der Sitz der Hochschule Namensbestandteil bleibe, könne eine Genehmigung nicht versagt werden, erklärte ein Ministeriumssprecher mit Verweis auf das Landeshochschulgesetz.

Mehr dazu unter jungefreiheit.de und nordkurier.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Klaussen

Es riecht in Deutschland wieder nach Bücherverbrennungen. Heute Arndt und morgen vielleicht Luther und Bach. Links - in dieser Ecke stinkt 's, aber gewaltig

Gravatar: Klaussen

Es riecht in Deutschland wieder nach Bücherverbrennung! Heute Arndt und morgen vielleicht Luther oder Bach. Links - in dieser Ecke stinkt's !!!!

Gravatar: mah

@Gittel
Über einen Namen für diese Krankheit grübele ich auch schon eine Weile. Aber auch wenn man keinen Namen dafür hat, bekämpft werden muss sie trotzdem.

Ich frage mich auch, warum wir eigentlich 500 Jahre Reformation feiern. Immerhin hat Martin Luther nicht nur antisemitisches von sich gegeben. Er hat sich auch Zeit seines Lebens nie für Unisex-Toiletten eingesetzt. Dabei hätte gerade er doch hier ziemlich "wirkmächtig sprachhandeln" können.
Wann hinterfragt man eigentlich die Namenspatrone der Berliner Universität? Haben die sich je positiv zu Gender-Fragen oder zur Homo-Ehe geäußert?
Und warum sind wir in der NATO, wo doch die Hauptstadt des mächtigsten Mitglieds nach einem Sklavenhalter benannt ist?
Und die Mutterschutz-Gesetze... von Nazis eingeführt...
Jut...reicht...Sarkasmus aus.

Man könnte die Symptom-Beschreibung endlos fortsetzen.
Im September kann man aber etwas tun gegen diese Krankheit. TUN WIR ES!

Gravatar: Gittel

Gibt es einen medizinischen Begriff für diese "Krankheit "?
Was ist nur mit unserer Gesellschaft geschehen, wenn Kritiker,egal in welcher Zeit sie gelebt haben, posthum noch "bestraft " werden.

Gravatar: Erbschuldiger

Hochschullehrer als zeitgeistige Handlanger der Politik, als willige Vollstrecker einer gegen Nationalbewußtsein und Patriotismus gerichteten geschichtsrevisionistischen Offensive der hypermoralischen Gutmenschen. Ein tolles Traditionsverständnis haben die heutigen Verantwortlichen dieser vorpommerschen Winkeluniversität, deren Reputation nicht unwesentlich auf ihren berühmten Namensgeber zurück geht. Eine Universität, deren Akademischer Senat die ahistorische Zeitgeisterwartung derart willfährig erfüllt, sollte man meiden und seinen Sprößlingen zu Bildungseinrichtungen raten, die sich ausschließlich der Wissenschaft verpflichtet fühlen. Wer den Namen Ernst Moritz Arndt tragen darf und ihn nicht zu ehren weiß, ist ihn auch nicht wert. Freiheitsliebenden und nationalbewußten Demokraten wird EMA immer ein respektables Vorbild sein. Zur Uni Greifswald paßt wohl eher der Name Claudia Roth !

Gravatar: karlheinz gampe

Nur kleingeistige akademische Trottel nennen etwas Altbewährtes um !

An der Uni Greifswald scheint sich viel geistig zurück gebliebenes, akademisches Proletariat zu befinden.

Uni Greifswald ist zu meiden !

Gravatar: Mittelradikal

Tief Luft holen. Irgendwann findet jemand heraus, dass in Greifswald irgendjemand bei der Wehrmacht gedient hat, dann wird die Uni Greifswald in Uni umbenannt. Irgendjemand findet heraus, dass der Begriff Uni von jemandem ausgesprochen wurde der
Irgendetwas mit Nazi zu tun hat, wie soll die Uni dann umbenannt werden? # Lernanstalt für historische Verdrängung?

Gravatar: Gerd Müller

Ja klar,
alles von 1933 muß vernichtet werden, auch die Jahrgänge 1933 und alle wissenschaftlichen Erkenntnisse, technische Erfindungen und Bauwerke.

Ich dachte immer, heute befinden sich an den Unis Menschen mit Hirn.

Aber wenn man jetzt sogar schon zum Herrn Professor "Frau Professor" sagen muß (wie jüngst gelesen), bin ich mit meiner Meinung wohl nicht mehr im Trent .....

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