Massenhaft kurzfristige Kündigungen der Kunden

Erster deutscher Stromanbieter bricht unter Preissteigerung zusammen

Ab Anfang kommender Woche wird für viele Stromkunden in Hessen und Bremen die Realität dunkel: Ihr Stromanbieter hat gekündigt.

Tim Reckmann, Lizenz: CC-BY 2.0
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Die Wahlen zum Bundestag liegen gerade einmal 16 Tage zurück, da bekommen die Wähler zumindest in Hessen und Bremen die Rechnung für ihre Entscheidung. Besser: Sie bekommen gar keine Rechnung. Denn ihnen wurde mit einer Frist von gerade einmal 10 Tagen gekündigt. Damit dürfte das Lachen über die Briten, denen der Sprit ausgeht, einigen deutschen Haushaltsvorständen im Halse stecken bleiben. Der einzige Unterschied zur Insel: Den Deutschen wird der Strom abgedreht.

Der Grund: Strom hat sich nach immer höheren CO2-Abgaben und einer dank lau laufender Windräder immer größeren Nachfrage nach ausfallsicheren Energieträgern massiv verteuert. Daher hat der Billiganbieter mit dem bezeichnenden Namen ›Immergrün‹ nun vielen Kunden die Verträge gekündigt und wird innerhalb von 10 Tagen die Versorgung einstellen. Ab dem 19.Oktober liefert die Rheinische Elektrizitäts- und Gasversorgungsgesellschaft ihnen keinen weiteren Strom mehr.

Der Rechtsexperte einer Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen sprach von einer »neuen Eskalationsstufe«. Immer mehr Unternehmen würden durch den extrem hohen Strompreis in den Ruin getrieben. Zur Erinnerung: Der Strompreis hat sich von im September etwa 200 Euro je Megawattstunde MWh auf in der vergangenen Woche über 440 Euro erhöht. Für die nächsten Wochen und Monate werden weitere Stromanbieter unter den steigenden Preisen zusammenbrechen. Das müssen sie – also Insolvenz anmelden –, denn andernfalls kommen sie nicht so leicht aus den Verträgen.

Das Kalkül des Anbieters dürfte recht einfach sein: Zwar sitzen die Kunden nicht gleich im Dunklen. Eine staatliche Grundversorgung tritt ein. Aber die Kunden brauchen neue Verträge. Und in denen wird der neue Preis wohl entsprechend neu verhandelt.

Auf diese Weise zeitigt die Politik der radikalen Energiewende erste massive Folgen für den Geldbeutel der Kunden. Und auch wenn die staatliche Grundversorgung – noch ? – gesichert zu sein scheint. Anders als auf dem Wohnungsmarkt werden die Preise durch die meist ausländischen Lieferanten von außen diktiert. Da hilft der rot-grünen Politik kein noch so lautes und trotziges Fordern: Wer nicht zahlt, bekommt nichts geliefert.

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Gravatar: U. von Valais

Wo Merkel und grüner Irrsinn regieren, ist Verarmung vorprogrammiert.

Gravatar: Balu der+Bär

Gescheitert ist die Energiewende längst

Glaube versetzt Berge, aber nicht Tatsachen. Sehr viele glauben, die „Energiewende“ sei notwendig. Aber die Tatsachen sprechen dagegen. Wenn sehr viele glauben, was Tatsache nicht ist, wird ihr Glaube selbst zur Tatsache. Gegen solche Tatsache ist schwer anzukommen. Man muss sie also nehmen wie sie ist, aber nicht hinnehmen. Für die Stromverbraucher in Deutschland gibt es eine professionelle Institution, die versucht, über die Tatsachen der „Energiewende“ zu informieren und vor deren Folgen zu warnen. Das ist der eingetragene Verein Stromverbraucherschutz NAEB (. Er tut das, seit Deutschland mit dieser ruinösen Politik begonnen hat, stößt aber – wie auch alle anderen Warner – auf wenig bis gar kein Gehör, denn Gläubige wollen nicht bekehrt werden. Die Informationen, die er in Form von Pressemitteilungen regelmäßig an Redaktionen verschickt, finden in die Medien so gut wie keinen Eingang. In die Politik schon gar nicht. Wahrnehmen und Wahrhaben-Wollen beißen sich.

Mit dem Wort „Energiewende“ ist gemeint, den deutschen Strom nicht mehr aus Kernkraft, Kohle und Erdgas herzustellen, sondern mittels Wind, Sonnenschein (Fotovoltaik) und Vergärungsgas („Biogas“). Präziser müsste es also Stromerzeugungswende heißen. Diese Wende, so NAEB, wird scheitern. Sie ist sogar schon gescheitert: Sie hat nur horrendes Geld verschlungen, aber die CO²-Emissionen nicht vermindert. Daran wird auch eine Besteuerung von CO²’ zusätzlich im Verkehr und im Gebäudebereich so gut wie nichts ändern. Die Kosten der „Energiewende“ dagegen werden weitersteigen. Warum diese Wende längst gescheitert ist, erläutert der Stromverbraucher-Schutzverein in seiner jüngsten Mitteilung vom 29. September. Ich gebe sie hier im Wesentlichen im Wortlaut wieder.

Auch die letzte Stütze der Stromerzeugung soll fallen

„Es wird kein einziges Ziel der Energiewende hin zu Strom aus Wind, Sonne und Biomasse erreicht. Die Strompreise klettern unaufhörlich weiter. Der Ausstoß von Kohlenstoffdioxid (CO²) wurde nicht verringert. Das sichere Stromnetz wurde destabilisiert, Stromausfälle drohen. Doch die Regierung will die Energiewende weiter treiben und mit der Abschaltung der Braunkohlenkraftwerke auch noch die letzte heimische und preiswerteste Energiequelle aufgeben. Damit wird Deutschland jederzeit erpressbar.“

Fern von Marktwirtschaft mit verordneter Subventionierung

„Es war ein in die Zukunft weisendes Ziel: Die Energie der Sonne nutzen. Mit etwa 0,02 Prozent der Sonnenergie, die auf der Erde ankommt, kann man den gesamten Energiebedarf der Menschheit decken. Und die Sonne schickt noch nicht einmal eine Rechnung. Mit diesen Daten trommelte der Politiker und Theologe Franz Alt für eine Energiewende: weg von Kohle und Atom, hin zu Wind und Fotovoltaik. Die Politik erhörte die Botschaft. Die Versorgung mit Wind- und Solarstrom sollte großtechnisch erprobt werden. Zur Finanzierung wurde das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschaffen. Den Betreibern der Ökostromanlagen wurde eine Gewinn bringende Vergütung über 20 Jahre für den erzeugten Strom garantiert, die auf die Stromkunden als EEG-Umlage abgewälzt wurde. Mit dieser Subventionierung hatten die Investoren eine sichere und lukrative Anlage.“

Jährliche Subvention für den wetterabhängigen Zufallsstrom 30 Milliarden

„Es wurde jedoch versäumt, dieses Gesetz zeitlich und mengenmäßig zu begrenzen, um dann eine umfassende Bewertung der Chancen und Möglichkeiten vorzunehmen. Damit wurde das Ziel pervertiert. Die guten Erträge lockten immer mehr Investoren an. Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank war ein weiterer Schub. Viele Banken engagierten sich mit mehr als 10 Prozent ihrer Bilanzsumme. Das Geschäft mit Ökostrom-Anlagen boomte. Alle wollten ein Stück von dem Kuchen. Schnell gab es mehr Ökostromanlagen, als es sich der Gesetzgeber wohl vorgestellt hatte. Eine umfassende Bewertung wurde bis heute nicht vorgenommen. Die Profiteure der Energiewende haben das erfolgreich verhindert. Sonst wäre die Wende längst zu Ende. In den letzten 20 Jahren wurden fast 30.000 Windgeneratoren und über 1,5 Millionen Fotovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von über 100.000 Megawatt und einer Investitionssumme von über 100 Milliarden Euro gebaut. Ein Drittel der Stromerzeugung in Deutschland ist inzwischen Ökostrom, der mit ca. 30 Milliarden Euro im Jahr vergütet wird. Zum Vergleich: Die Erzeugung der restlichen zwei Drittel mit konventionellen Kraftwerken kostet weniger als 20 Milliarden.“
Strom mit vorgetäuschter Brauchbarkeit ist Fakepower

„Ökostrom und herkömmlicher Kraftwerksstrom sind sehr verschieden. Physikalisch gibt es zwar keinen Unterschied. Strom hat aber nur Wert, wenn er bedarfsgerecht zur Verfügung steht. Die konventionellen Kraftwerke liefern ihn. Sie können nach Bedarf gedrosselt, abgeschaltet oder hochgefahren werden. Ökostrom wird dagegen vom Wetter bestimmt. Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, müssen konventionelle Kraftwerke einspringen. Bei Starkwind und Sonnenschein gibt es Überproduktionen, die entsorgt werden müssen, weil es keine wirtschaftlichen Stromspeicher gibt. Um das zu vermeiden, werden vermehrt bei Starkwind und Sonnenschein Ökostromanlagen abgestellt. Die Betreiber stört das nicht. Sie werden für den entgangenen Gewinn entschädigt. Auch dies ist ein Teil der EEG-Umlage. Der Börsenwert des wetterabhängigen Ökostroms liegt deutlich unter dem Wert des Stroms aus Kraftwerken, weil er die stabile Stromversorgung stört und verteuert. Der Stromverbraucherschutz NAEB, eine Vereinigung von Fachleuten der Energieversorgung, bezeichnet daher zu Recht den Ökostrom als Fakepower, also als
Die geplante Versorgung mit mehr als 60 Prozent Fakepower ist eine Utopie

Unser Stromnetz muss stabil gehalten werden mit einer Frequenz von exakt 50 Hertz (Hz: Schwingungen pro Sekunde). Zum Einspeisen wird Fakepower auf diese Frequenz und Phase ein geregelt. Taktgeber sind die vernetzten großen Generatoren der Kraftwerke. Die Leistung der Generatoren im Netz muss mindestens 45 Prozent betragen, um es stabil zu halten. Ein Stromnetz, das nur von Fakepower gespeist wird, bricht zusammen, weil das Einregeln der vielen kleinen Stromerzeuger immer mit kleinen Abweichungen verbunden ist. Der Plan, Deutschland mit 60, 80 oder gar 100 Prozent Fakepower zu versorgen, ist eine Utopie.“
Herkömmliche Kraftwerke (Kohle, Kernenergie) sind unverzichtbar
„Für die wetterabhängige schwankende Fakepower müssen immer konventionelle Regelkraftwerke mitlaufen, die bei Wolken oder abflauenden Wind mehr Strom liefern müssen und bei auffrischenden Winden oder durchbrechender Sonne die Leistung reduzieren müssen. Der Regelbedarf und damit die Kosten nehmen mit jeder weiteren Wind- und Solaranlage zu. Bei Dunkelflaute, also bei nächtlicher Windstille, müssen die Regelkraftwerke die gesamte Stromversorgung übernehmen. Wir können auf Fakepower verzichten, jedoch nicht auf konventionelle Kraftwerke.“
Viele herkömmliche Kraftwerke in die Verlustzone getrieben

„Überschüssiger Ökostrom wird weit unter den Vergütungskosten und auch unter den Produktionskosten des Kraftwerkstroms verkauft, um überhaupt Abnehmer zu finden. Das Anbieten von Waren unter den Gestehungspreisen ist mit der englischen Bezeichnung ‚Dumping’ bekannt. Dumping wird weltweit geahndet, weil dadurch der Wettbewerb zerstört wird. Wettbewerber machen keine Gewinne mehr, wenn sie in die Dumping-Preise einsteigen. Sie werden insolvent. Zum Schluss ist dann nur noch ein Anbieter auf dem Markt, der mit einer Monopolstellung die Preise diktieren kann. Fakepower-Dumping dürfte die größte Dumping-Aktion der Welt sein mit einem Volumen von mehr als 25 Milliarden Euro im Jahr. Die geringen Dumping-Preise von Fakepower haben viele Kohlekraftwerke in die Verlustzone geführt. Es werden nur noch die notwendigsten Reparaturen gemacht. Investitionen zur Verbesserung des Wirkungsgrades oder gar Neubauten sind nicht mehr möglich. Es werden daher die alten wenig effektiven Kraftwerke weiter betrieben, die mehr Brennstoff brauchen und damit auch mehr CO2 je kWh emittieren. Fakepower-Dumping führt damit letztlich zu erhöhten CO²-Emissionen. Eine Anzeige von NAEB über das Fakepower-Dumping beim zuständigen Bundeskartellamt hatte keinen Erfolg. Sinngemäß wurde geantwortet: Das Kartellamt sei über diese Regelung nicht glücklich, aber sie sei Gesetz.“

Stromintensive Unternehmen wandern ab ins Ausland, leere Arbeitsplätze bleiben zurück

„Energie ist ein wesentlicher Produktionsfaktor. Die Energiekosten liegen in der Grundstoffindustrie häufig über den Personalkosten. Höhere Energiepreise führen zu Wettbewerbsnachteilen bis hin zur Insolvenz. Viele Firmen haben dies erkannt und verlegen ihre Produktion in Länder mit günstigen und berechenbaren Energiepreisen. Der ständige Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland ist dafür ein Beleg. Mit den schwindenden Arbeitsplätzen in Deutschland durch Verlagerungen in das Ausland und durch Kaufkraftverluste geht der Energiebedarf der Industrie zurück. Damit verringern sich auch die CO2 Emissionen. Will die Bundesregierung etwa auf diesem Weg die CO2-Reduzierungen erreichen, zu denen sie sich in Paris verpflichtet hat?“

Speicherpläne für überschüssigen Zufallsstrom als Retter der Energiewende sind ungeeignet

„Politiker und Medien fordern Speicher für Ökostrom und Stromtrassen von Nord nach Süd, um überschüssigen Windstrom nach Bayern und Württemberg zu bringen. Die Speicherkapazität reicht für eine gesicherte Stromversorgung in Deutschland bei Weitem nicht. Und beim Speichern geht viel Strom verloren. Am günstigsten sind Pumpspeicherwerke mit einem Wirkungsgrad von etwa 80 Prozent. Ein Verlust von 20 Prozent. Schlechter sind Druckluftspeicher mit 40 Prozent Verlust. Unwirtschaftlich ist die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff, der dann mit Gasmotoren oder Brennstoffzellen wieder in Strom verwandelt wird. Man gewinnt dann etwa 20 Prozent des Elektrolysestromes zurück. Es gehen also 80 Prozent verloren. Doch zur Rettung der Energiewende soll diese Speicherung ein wesentlicher Baustein werden. Wind- und Solarstromanlagen sollen dazu noch verdreifacht werden. Über solche Verluste und die dadurch steigenden Strompreise wird die Öffentlichkeit nicht informiert. Es werden nur Erfolgsmeldungen gebracht.“
Die Leitungsverlust bei Stromtransport über lange Strecken

„Auch der Stromtransport ist nicht umsonst. Es entstehen Leitungsverluste. Bei den Stromtrassen sind es ein bis zwei Prozent auf 100 Kilometer. Hinzu kommen die Verluste in den Umspannwerken. Insgesamt gehen mindestens 10 Prozent des Stroms auf den Weg in den Süden verloren.“
Wer immer mehr für Strom zahlen muss, kann weniger andere Güter kaufen

„Weiter verringern die hohen und weiter steigenden Strompreise die Kaufkraft der Bevölkerung in Deutschland, weil wir auf Strom nicht verzichten können. Einsparungen sind kaum möglich. Wir müssen die höheren Strompreise bezahlen und auf weniger notwendige Dinge verzichten. Die Nachfrage schwindet und damit schwinden auch Arbeitsplätze.“
Zerstörungen von Umwelt und Natur – Der Widerstand dagegen wächst

„Die Zahl der Bürger steigt, die die Wende hinterfragen. Windgeneratoren in ihrer Nähe führen zu Wertverlusten ihrer Häuser und auch zu gesundheitlichen Störungen durch Infraschall. Der Bau von Windgeneratoren in den Wäldern der Mittelgebirge und auch in Naturschutzgebieten zerstören die Umwelt, seltene Vögel, Tiere und Pflanzen. Der Naturschutz soll zugunsten von Windgeneratoren aufgeweicht werden. Der Widerstand wächst.“

Gravatar: Balu der+Bär

Physik-Professor Sigismund Kobe: „Deutsche Energiewende wird wie Seifenblase platzen“

China plant, seinen enorm steigenden Bedarf an Elektroenergie auch durch einen weiteren massiven Zubau von Kohlekraftwerken zu decken. 2020 soll deren Leistung 1.100 GW betragen, 2035 sogar 1.400 GW. Zum Vergleich: Die Kohlekraftwerke der EU verfügen über eine Leistung von 150 GW (1 GW = 1 Gigawatt sind 1 Million Kilowatt). Der deutsche Anteil beträgt derzeit noch 44 GW. Doch Deutschland möchte als erstes Land komplett aus der Kohle aussteigen und begründet dies mit dem Anspruch, als Vorreiter der Welt zeigen zu müssen, dass ein solcher Ausstieg technisch und ökonomisch realisierbar sei. Darüber hinaus sollen auch die Kernkraftwerke in Deutschland stillgelegt werden, die Strom nahezu CO2-emissionsfrei erzeugen können. Das Ziel ist es, Strom zu hundert Prozent aus regenerativen Energiequellen bereitzustellen. Professor Sigismund Kobe erklärt im EIFELON-Gespräch, dass dies in Deutschland aus physikalischen Gründen nicht möglich ist, solange es noch keine Speicher mit gigantisch großen Speicherkapazitäten gibt. Grundvoraussetzung für ein hochindustrialisiertes Land ist eine sichere stabile Stromversorgung, die auf Abruf jederzeit die Energie liefern kann, die gerade benötigt wird. Dr. Sigismund Kobe, Jahrgang 1940, ist emeritierter Physik-Professor an der Technischen Universität Dresden. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Optimierung komplexer Systeme (magnetische Festkörper, neuronale Netze, Proteine, Windenergie).

„Einer der Fehler, den die meisten Befürworter der Energiewende machen, ist es, alle erneuerbaren Energiequellen in einen Topf zu werfen, anstatt sie differenziert zu betrachten“, sagt Kobe. Aber erneuerbar sei nicht gleich erneuerbar. Mit Wasserkraft- und Biogasanlagen lasse sich Strom weitgehend nach den Bedürfnissen der Verbraucher bereitstellen, Windkraft- und Solaranlagen dagegen seien aus physikalischen Gründen dazu nicht in der Lage. Ein weiterer Zubau von Wasserkraftwerken ist geologisch und meteorologisch begrenzt: Deutschland hat anders als z.B. Norwegen und die Schweiz aufgrund seiner Topologie nicht genügend Regionen mit den erforderlichen Höhenunterschieden. Zudem reicht die jährliche Regenmenge für diesen Zweck nicht aus. Auch die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen in Deutschland seien bereits hinreichend aufgeteilt in solche für die Lebensmittel- und Futtermittelproduktion und solche für bioenergetische Nutzung. „Diese beiden erneuerbaren Energiequellen haben in Deutschland kein größeres Ausbaupotenzial mehr“, lautet das Fazit von Professor Kobe.

Windräder liefern zu einem Drittel der Zeit kaum bis keinen Strom

Für einen gedachten weiteren Zubau erneuerbarer Energiequellen in Deutschland verbleiben also nur Wind und Sonne. Diese haben allerdings die unangenehme Eigenschaft, dass der damit erzeugte Strom volatil sei, d.h. zeitlich schwanke, so Kobe weiter. Mal weht der Wind und dann drehen sich die Räder, mal weht er nicht und dann drehen sie sich nicht. Der letztgenannte Zustand ist sogar häufiger als allgemein bekannt. Statistisch gesehen ist der Beitrag aller Windenergieanlagen an der Stromerzeugung in Deutschland an einem Drittel der 8.760 Stunden eines Jahres gering bzw. sogar vernachlässigbar. Bei den Solaranlagen sieht es nicht besser aus. Der weitaus überwiegende Teil des jährlichen Anteils von Strom aus Photovoltaik-Anlagen an der Stromproduktion wird im Sommer und dann wiederum vor allem in wenigen Stunden um die Mittagszeit eingespeist, vorher und nachher ist der Anteil gering und nachts scheint die Sonne nie.

Seit jeher ist das Netz auf das Auftreten von Schwankungen ausgelegt, muss doch die Anpassung an den unregelmäßigen Bedarf durch die Verbraucher sichergestellt werden. Nun waren in der Vergangenheit bei geringem Anteil von Wind- und Sonnenstrom die dadurch bedingten zusätzlichen Schwankungen auch kein besonderes Problem. Professor Kobe:

Quantitativ sind wir allerdings an eine Grenze gelangt, an der das Netz diese zusätzlichen Erzeugungsschwankungen nicht mehr verkraften kann.“

Die aktuelle Grafik des Energiedaten-Sammlers Rolf Schuster zeigt die Situation für November 2019: Sonnenstrom (gelb) spielt fast keine Rolle. Zeiten mit geringer Einspeisung der volatilen Erzeuger, die sogenannten „Dunkelflauten“, und Zeiten mit hohem Windaufkommen (blau), in denen dieses einen großen Teil des Bedarfs der Verbraucher (Last, braun) abdeckt, wechseln sich ab.

Die folgende Grafik, die jeweils die Einspeisung von Wind- und Sonnenstrom im Monat November in verschiedenen Jahren zeigt, macht deutlich, dass trotz starkem Zubau, charakterisiert durch die installierte Leistung (hellblaue Fläche, rote Linie), die tatsächlich erbrachte Leistung vergleichsweise gering geblieben ist.

Professor Kobe fragt daher: „Was passiert, wenn, wie aktuell vielfach gefordert wird, noch mehr Wind- und Solaranlagen zugebaut werden? Lassen sich dadurch die Probleme bei Dunkelflaute und bei den Spitzenwerten der Einspeisung beheben?“ und liefert die Antwort gleich selbst: Null bleibe Null, d.h. die Probleme bei Dunkelflaute werden nicht dadurch gelöst, dass z.B. 10.000 statt 10 Windanlagen neu aufgestellt werden. Das zeigt auch die nachfolgende Grafik der Einspeisung für November, bei der simuliert wurde, dass jede einzelne Anlage in Deutschland am selben Ort durch drei gleichwertige ersetzt wird:

Wenn in ganz Deutschland kein Wind weht, bewegt sich kein einziges Windrad. Wenn andererseits zu viel Sonne scheint und zu viel Wind weht, die Anlagen also mehr produzieren als alle Verbraucher in Deutschland abnehmen können (in der letzten Grafik kommt dies mehrmals im Monat vor), dann ist die Versorgungssicherheit ebenfalls gefährdet. In einem solchen Fall müssten Sofortmaßnahmen getroffen werden, um zusätzliche Lasten zuzuschalten bzw. Erzeuger abzuschalten. Nur so kann das ganze System stabil gehalten werden.

Die Einbindung von volatilem Strom aus Wind- und Sonnenanlagen in das öffentliche Netz ist eine hoch komplexe Aufgabe. Die in jedem Moment durch die Verbraucher benötigte und abgerufene Leistung – die Last – ist zeitlich schwankend, aber natürlich folgen diese Schwankungen überwiegend nicht dem zur gleichen Zeit eingespeisten Energie-Angebot der Windräder und Solarpaneele. Für die Differenz zwischen momentaner Last, die von den Verbrauchern abgefordert wird, und der Leistung, die Wind- und Sonnenstrom liefern, wird der Begriff „Residuallast“ als verbleibende Lücke der Versorgung verwendet. Sie muss durch andere, insbesondere konventionelle Kraftwerke erbracht werden.

Lobbyisten täuschen Bürger

Die Residuallast in der Einheit Gigawatt ist eine Schlüsselgröße, wenn die Energiewende analysiert werden soll. Deshalb hat Rolf Schuster für jede Stunde des Jahres 2011 diese Größe als Punkt in einer Grafik eingetragen. Auf der zweiten Achse der Grafik wird der Börsenpreis des Stroms zur gleichen Zeit markiert. Dadurch entsteht für jedes Jahr eine „Punktwolke“ mit 8.760 Stunden-Punkten. Je mehr Wind- und Sonnenstrom in das Netz drängt, umso geringer ist die Residuallast und um so niedriger ist auch der Börsenpreis. „Dieser Sachverhalt wird von den Lobbyisten zur Täuschung der Öffentlichkeit verwendet und als Beweis dafür angeführt, dass Strom aus Wind und Sonne zu einer Verringerung des Strompreises führen würde“, meint Kobe. „Verschwiegen wird geflissentlich, dass Strom aus den Erneuerbaren überhaupt nicht am Marktgeschehen und somit auch nicht an der direkten Preisbildung an der Strombörse beteiligt ist, da dieser ja gemäß EEG mit einem subventionierten Festpreis vergütet wird.“

Die ganze Dramatik der aktuellen Situation wird deutlich, wenn die Schuster’sche Analyse für das Jahr 2019 wiederholt wird:

Der im Laufe eines Jahres auftretende Minimalwert der Residuallast ist seit 2011 von Jahr zu Jahr immer kleiner geworden und betrug 2019 nur noch 3 Gigawatt. Wind und Sonne können demnach zu einigen Stunden des Jahres bereits fast den gesamten Strombedarf Deutschlands decken. Wenn manche Befürworter der Energiewende dies als Zeichen für eine bald bevorstehende Vollversorgung mit Erneuerbaren werten, so ist das leider ein Trugschluss. Es wird dabei „vergessen“, dass zu anderen Zeiten kein Beitrag von Wind und Sonne kommt und diese Situation sich nicht im Geringsten dadurch ändert, dass immer mehr volatile Erzeuger zugebaut werden.

Ausland macht Reibach – Deutsche Stromkunden zahlen

Mit der Zunahme von Wind- und Sonnenstrom im Netz nehmen die Börsenpreise immer häufiger negative Werte an: „2019 musste an 232 Stunden überflüssiger Strom durch Zuzahlung einer Entsorgungsgebühr verklappt werden“, so Kobe. Immer dann, wenn zu viel Wind- und Solarstrom ins Netz drängt und dieser im Land nicht verbraucht werden kann, verkauft ihn Deutschland zu „negativen Preisen“ an das Ausland. So verdienen z.B. die Betreiber österreichischer Pumpspeicherwerke doppelt am deutschen Strom: Bei negativem Börsenpreis pumpen sie mit diesem Strom Wasser in die Oberbecken und werden für die Abnahme des Stroms auch noch von Deutschland bezahlt. Später, wenn bei uns Dunkelflaute herrscht, werfen sie die Turbinen an und verkaufen uns Strom zu höheren Preisen zurück. Verlierer sind die Stromkunden, denn sie müssen für die EEG-Umlage aufkommen, einer für die Dauer von 20 Jahren staatlich zugesicherter Festvergütung für die Betreiber von erneuerbaren Energiequellen.

Beim Betrachten dieser Schuster-Grafik werde Professor Kobe stets an den Fisch erinnert, der bekanntlich ‚zuerst vom Kopf und vom Schwanz her stinke‘. Sowohl die immer weiter ansteigende Zahl von Stunden mit negativen Börsenpreisen, als auch die anwachsenden Kosten für den Zukauf von teurem Regelstrom zum Kompensieren fehlender Erzeugerleistung bei Dunkelflauten werde letztlich das gesamte System kollabieren lassen.

„Als profunder Kenner und tiefgründiger Analyst der Energiewende“ weise Rolf Schuster in der folgenden Grafik auf ein weiteres ernstes Problem hin, fährt Kobe fort. Hierbei gehe es um die sogenannten Leistungsgradienten, d.h. die Änderung der Einspeiseleistung pro Zeiteinheit. Untersucht wurde die größte stündliche Zunahme (grün) bzw. Abnahme (rot) eines jeden Tages seit 2010. Beide sind sowohl in den Extremwerten, als auch im Mittel stetig angestiegen, so dass es immer schwieriger wird, die notwendige Kompensation durch konventionelle Erzeugung in immer kürzerer Zeit zu realisieren.

„Strom sei nun einmal die verderblichste Handelsware der Welt“, so Kobe. Im selben Moment, in dem der Strom erzeugt wird, muss er auch verbraucht werden. Da die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Elektroenergie gleich der Lichtgeschwindigkeit ist, können Erzeuger und Verbraucher durchaus weit voneinander entfernt sein, wenn eine Verknüpfung durch das Stromnetz besteht. Allerdings können Stromüberschüsse im Netz selbst nicht gespeichert werden.

Deutschland hat nicht die benötigten Stromspeicher

Eine Lösung bestünde darin, den momentan zu viel erzeugten Strom zu speichern. Oft wird jedoch verschwiegen, dass Deutschland solche Speicher mit der notwendigen gigantischen Speicherkapazität weder jetzt zur Verfügung stehen, noch in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen werden. „In den Medien werden manchmal große zusammengeschaltete Akkumulatoren als Beispiele für Großspeicher vorgeführt. Diese dienten in Wirklichkeit aber nicht der Stromspeicherung, sondern der Feinregulierung der Netzfrequenz“, erklärt der Physiker. Und was ist mit der Idee, die Akkus der Elektroautos als Stromspeicher einzusetzen? Unterstelle man eine maximal mögliche Speicherkapazität aller PkWs in Deutschland (vorausgesetzt alle diese 47 Millionen Autos wären bereits Stromer) von maximal 2.000 GWh und vergleiche diese mit dem Bedarf bei einer Dunkelflaute von z.B. zehn Tagen, komme man schnell zu dem Ergebnis, dass sie bei weitem nicht als Speicher ausreichten. Dazu komme, dass niemand ohne Entschädigung bereit sei, die Kosten für die Zwischenspeicherung von öffentlich benötigter Elektroenergie zu tragen, denn jeder Lade-Entlade-Vorgang lasse die Akkus altern. Kobe nennt Kosten von derzeit 3 bis 10 ct/kWh, die dabei zusätzlich entstehen. Der Autobesitzer müsse dann früher als geplant einen teuren neuen Akku kaufen.

Auch das Argument, die Akkus der E-Autos seien ja nicht als Langzeitspeicher gedacht, sondern sollten Regelenergie bereitstellen, lässt der Professor nicht gelten. Für diesen Zweck würde die Gesamtspeicherkapazität zwar reichen. Trotzdem sei die Idee unsinnig, weil Regelenergie im Bedarfsfall innerhalb von Minuten bereitstehen müsse. „Wie soll das realisiert werden? Vielleicht mit einem Alarm: ´Sofort alle E-Autos an die nächste Ladesäule zum Entladen!‘, fragt Kobe. Bevor in Deutschland die Speicherfrage nicht gelöst sei, nütze auch eine Nord-Südtrasse nichts. Der Flatterstrom aus dem Norden würde über diese Verbindung augenblicklich im Süden ankommen, aber natürlich wieder als Flatterstrom. Die Probleme würden damit nur verlagert, aber nicht gelöst.

Bliebe schließlich noch die Möglichkeit, volatile Stromerzeuger notfalls abzuregeln. Dass wir auch dabei längst an der Grenze des noch Vertretbaren angekommen sind, zeigt die Situation bei den zahlreichen Windenergieanlagen in Schleswig-Holstein. Diese allein sind bereits jetzt von mehr als der Hälfte aller Abschaltungen in Deutschland betroffen. Allein im ersten Quartal 2019 hätten in diesem Bundesland 1.800 GWh Strom mehr in das Netz eingespeist werden können. Aber auch dieser „Geisterstrom“ muss laut EEG den Anlagebetreibern vergütet werden. Nach Schätzungen der Bundesnetzagentur summieren sich die Entschädigungszahlungen für sogenannte Einspeisemanagement-Maßnahmen im ersten Quartal 2019 in Deutschland auf 394 Millionen Euro. Sie sind demnach gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um 60 Prozent gestiegen. Professor Kobe:

Welche Volkswirtschaft der Welt kann es sich auf Dauer leisten, mehr als eine Million Euro pro Tag zum Fenster hinaus zu werfen?“

Monitoringberichte sind Augenwischerei

Die größte Sorge bereite Professor Kobe die Versorgungssicherheit. Wenn Politiker den angeblichen Erfolg der Energiewende preisen, dem Bürger einen hohen jahreskumulierten Stromertrag von Wind- und Solaranlagen präsentieren und diesen mit dem von konventioneller Kraftwerke vergleichen, aber die nicht vorhandene sekundengenaue Verfügbarkeit von Wind- und Solarenergie verschweigen, begehen sie Augenwischerei. „Man schaue sich z.B. den Monitoringbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie nach § 63 i.V.m. § 51 EnWG zur Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität vom Juni 2019 an. Sofort fällt auf: Dieser Bericht ist anonym, niemand will vermutlich seine Hand für die dort getroffenen Schlussfolgerungen ins Feuer legen. Dort heißt es u.a.: ‚Insgesamt ist die Verfügbarkeit der Energieträger für die Stromerzeugung als gesichert einzuschätzen.‘ Fachkundige sind entsetzt und schlagen Alarm“, sagt Kobe. Das Energiesystem ist sehr komplex, die technologischen Anforderungen unter den Bedingungen von zeitlich schwankender Stromeinspeisung wurden in der Vergangenheit „sträflichst vernachlässigt“. Darin sieht Kobe den Hauptgrund für die aktuell immer deutlicher werdenden Konflikte bei der Umsetzung der Maßnahmen der Energiewende. Die Schuldigen seien eben gerade nicht diejenigen Bürger, sich gegen einen weiteren Ausbau von Windenergieanlagen organisieren und die sich deshalb auch schon mal mit dem Begriff „Anti-Windkraft-Taliban“ beschimpfen lassen müssen. Professor Kobe:

Wenn weiterhin wie bisher natur- und ingenieurwissenschaftlichen Prinzipien ausgeblendet werden, wird das gesamte bisherige Konzept der Energiewende platzen wie eine bunte Seifenblase. Die Energiewende hat nur einen einzigen Feind, die Unwissenheit über die physikalischen Gesetze, die ihr zugrunde liegen.“

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