Gastkommentar von Romano di Pietro

Die Kirche und der Globalismus: Eine unheilige Allianz

In der Katholischen Kirche regiert seit Johannes XXIII. nicht mehr der Glaube, sondern die Politik. Die päpstliche Diplomatie steht seit Jahrzehnten im Dienste von Agenden, die ihren Ursprung nicht in der Kirche haben.

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Im kirchlichen Sprachgebrauch spricht man jedoch nicht von Politik, sondern vornehmer von Diplomatie. Aber eben diese päpstliche Diplomatie ist schon lange keine Diplomatie im Dienste der legitimen Eigeninteressen der Kirche, des Glaubens und der Gläubigen mehr. Die päpstliche Diplomatie steht seit Jahrzehnten im Dienste von Agenden, die ihren Ursprung nicht in der Kirche haben.

Ein Wendepunkt stellte die Entmachtung des Heiligen Offiziums durch Paul VI. (Papst 1963-1978) im Jahre 1965 dar. Bis dahin war das Heilige Offizium keine Kongregation wie jede andere gewesen, sondern die eigentliche Zentralbehörde der päpstlichen Kurie, die gegenüber den anderen Dikasterien in allen den Glauben berührenden Fragen das letzte Wort hatte. Und den Glauben konnte praktisch jede Frage berühren, gerade auch solche der Diplomatie, für die das Staatssekretariat zuständig war und ist. Entsprechend hatte das Heilige Offizium auch keinen Präfekten, sondern nur einen Propräfekten. Geleitet wurde die Behörde nämlich vom Papst persönlich. Damit ist es nun seit 1965 vorbei. Das Amt verlor seinen herausragenden Namen, wurde zur Glaubenskongregation degradiert und in die Reihe der übrigen Kongregationen als eine von vielen eingereiht. Der Glaube hatte – auch organisatorisch sichtbar – in der katholischen Kirche den Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten eingebüßt. Die Opportunität hatte über das Absolute gesiegt. Das Staatssekretariat, die Zentrale der Diplomatie, stieg zur höchsten, über allen anderen schwebenden Superbehörden der Kirche auf. Das ist bis heute so.

Natürlich war auch Pius XII. (Papst 1939-1958), der Vorgänger Johannes XXIII., ein großer Diplomatenpapst. Seine Laufbahn war ja die diplomatische gewesen, und papabile wurde er in seiner Rolle als Kardinalstaatssekretär Pius’ XI. Und tatsächlich lastete dieser diplomatische Hintergrund schwer auf dem Pontifikat des Pastor angelicus, des engelgleichen Hirten, und wohl auch auf seinem Gewissen. Viele seiner Entscheidungen bleiben rätselhaft, stellt man nicht seinen diplomatischen Hintergrund und seine langjährige Verbundenheit mit einer Reihe von zwielichtigen Gestalten der päpstlichen Diplomatie in Rechnung, allen voran mit seinen Vorgängern im Amt des Staatssekretärs, mit Mariano Kardinal Rampolla und Pietro Kardinal Gasparri. Aber da liegt eben der Unterschied zwischen Pius XII. und den Päpsten seither: Pius XII. stand der eigentliche Vorrang des Glaubens vor der Diplomatie noch glasklar vor Augen. Die Resignation seiner letzten Jahre dürfte ihren Grund nicht zuletzt in der Erkenntnis haben, diesem Vorrang zu oft nicht gerecht geworden zu sein. Die große Wende kam aber mit Johannes XXIII. (Papst von 1958-1963), der auf der Weltbühne von Anfang an bedenkenlos mit den Feinden des Glaubens und der Kirche kooperiert hat. Und alles was nach dieser Wende stattfindet, ist die Gegenwart.

Dazu muss man wissen, dass es in der Kirche von je her zwei große Strömungen gab. Im 19. Jahrhundert unterschied man sie als zelanti und politicanti. Die zelanti, das waren die Eiferer für Gott und den Glauben. Die politicanti hingegen waren, wie der Name schon sagt, die politisch, d. h. stärker an der Welt und ihren Maßstäben Orientierten innerhalb des Klerus und insbesondere des Kardinalskollegiums. Und so stellte sich eigentlich in jedem Konklave die Frage: Wird es einer von den zelanti oder den politicanti, ein Strenger oder ein Milder? Häufig genug wechselten sie einander ab. So sagen die Römer noch heute: Auf einen Dünnen folgt ein Dicker, auf einen Asketen ein Lebensfroher. Der Sinn dieses Hin- und Herschwingens liegt auf der Hand: Nach Jahren frommen Eifers und der Anspannung der geistlichen Kräfte gewährte sich die Kirche von Zeit zu Zeit ein wenig Entspannung. Aber es war immer klar, was die Arbeit und was das Vergnügen, was die Regel und was die Ausnahme war.

Dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis hat sich nun umgekehrt. Das geht so weit, dass eigentliche zelanti auf dem Papstthron heute undenkbar geworden sind. Wir kennen zwar die Einteilung in Konservative und Progressive. Aber die Konservativen von heute sind nicht etwa einfach die zelanti von gestern. Denn auch die Konservativen müssen heute politicanti sein – konservative politicanti. Auch unter Johannes Paul II. und Benedikt XVI. ratterte der Zug der päpstlichen Diplomatie weiter in dieselbe Richtung, die unter Johannes XXIII. und Paul VI. eingeschlagen worden war. Keiner der beiden als konservativ geltenden Päpste hat es gewagt, von dem von ihren beiden Vorgängern etablierten Paradigma der Öffnung zur Welt, die eigentlich eine Verweltlichung der Kirche darstellt, wesentlich abzuweichen. Benedikt hat zwar von Entweltlichung der Kirche gesprochen, hat die Verweltlicher im Episkopat und Kardinalskollegium aber ungestört ihr Unwesen treiben lassen.

„Jeder Staat hat die vorrangige Pflicht, seine Bevölkerung vor schweren und wiederholten Verletzungen der Menschenrechte zu schützen, wie auch vor den Folgen humanitärer Krisen, die sowohl von der Natur als auch vom Menschen verursacht werden.“ So weit so gut. „Wenn sich herausstellt, daß die Staaten nicht in der Lage sind, einen solchen Schutz zu garantieren, steht es der internationalen Gemeinschaft zu, mit den von der Charta der Vereinten Nationen und anderen internationalen Übereinkommen vorgesehenen rechtlichen Mitteln einzugreifen.“ Diese Sätze, insbesondere der zweite, stammen von keinem radikalen Politiker. Sie sind von Benedikt der XVI. in seiner Rede vom 18. April 2008 vor der UNO-Vollversammlung ausgesprochen worden, in gerader Linie mit Äußerungen seiner Vorgänger seit Johannes XXIII.

Man fragt sich unwillkürlich, welches Interesse die Kirche daran haben könnte, die Untergrabung der Staatensouveränität durch Organisationen zu befürworten, auf die prägenden Einfluss auszuüben ihr in absehbarer Zeit nicht gelingen kann, die – im Gegenteil – Politiken verfolgen, die dem eigentlichen Glauben der Kirche radikal entgegengesetzt sind. Es wäre naiv anzunehmen, dass es dem Staatssekretariat entgangen sein sollte, dass mit solchen Vollmachten zum Beispiel der Einmischung übernationaler Organisationen in die inneren Angelegenheiten von Staaten Tür und Tor geöffnet werden, die – wie Polen oder Brasilien – in Übereinstimmung mit der katholischen Sittenlehre eine Freigabe der Abtreibung ablehnen. Ebenso wenig dürften dem Staatssekretariat die machtvollen Bestrebungen entgangen sein, die Abtreibung – in Vorbereitung späterer Einmischungen – zum Menschenrecht zu erklären.

Natürlich kann man differenzieren zwischen einen richtigen Grundsatz und seiner fehlerhaften Anwendung. Wenn aber ein bestimmter Grundsatz zu einer gegebenen Zeit immer nur in eine bestimmte Richtung angewandt und zur Durchsetzung ganz bestimmter Ziele und Interessen missbraucht wird, dann ist es an der Zeit diesen Grundsatz als das zu erkennen und zu behandeln, was er ist: Als einen Vorwand, ganz bestimmten Zielen und Interessen zum Durchbruch zu verhelfen, die möglicherweise sogar dem Wortlaut des Grundsatzes oder seinem hergebrachten Sinn widerstreiten. Wenn eine solche Situation eintritt muss man die Verfechtung des Grundsatzes im Verein mit jenen, die ihn missbrauchen, einstellen. Tut man dies nicht, macht man sich schuldig an der Verdunkelung und Entstellung der Wahrheit. In genau dieser Situation ist die päpstliche Diplomatie an zu vielen Stellen angelangt.

Da die Kirche erkennen muss, dass als Menschenrecht heute am lautesten Verhaltensweisen deklariert werden, die gegen das Sittengesetz verstoßen und dass die Rechte von Katholiken (und Christen generell) auf Ausübung ihrer Religion, auf Unversehrtheit und Leben in weiten Teilen der Erde missachtet werden, muss sie die Konsequenzen ziehen und die Mitarbeit in solchen Organisationen einstellen, die dies zulassen. Tut sie es nicht, kompromittiert sie sich auf das schwerste.

Tatsächlich ist heute der Eindruck unabweislich geworden, dass der päpstlichen Diplomatie das Mitspielen auf internationaler Bühne als solches wichtiger ist als die Verteidigung des Glaubens und der Gläubigen, ja, dass die Rechte der letzteren bedenkenlos geopfert werden im Interesse vermeintlich höherer Ziele, im Interesse eines fiktiven allgemeinmenschlichen Wohls. Und so stehen dem Herzen der Kirche heute nicht mehr ihre treuesten Söhne und Töchter nahe, sondern vielfach ganz Fremde, denen der Glaube nichts bedeutet und die der Kirche dessen Hinopferung nicht danken. Die Kirche hat ihr Ziel verloren, sie ist um der Mitwirkung im ganz großen Spiel und im Spiel der ganz Großen bereit zur Selbstaufgabe, zum Verrat. Dieser Prozess ist so weit fortgeschritten, dass man Zweifel haben darf, ob eine Tempelreinigung noch möglich oder der Exitus als zentralisierte Großkirche noch verhinderbar ist.

Denn eines ist klar: Anfällig für diese Entwicklung hat die Kirche eben diese Zentralisierung gemacht, ihr pyramidaler Aufbau mit dem Papst an der Spitze, der seinem Willen dank des Jurisdiktionsprimats auf die ganze Kirche erstrecken kann. Gedacht war der Jurisdiktionsprimat natürlich als Hilfsmittel zur Durchsetzung der Rechtgläubigkeit. Verwandt wurde er jedoch seit Johannes XXIII. zum Verfolg ganz anderer Ziele. So erscheint es providentiell, dass in jener Sitzung des ersten vatikanischen Konzils, in der der Primat verkündet wurde, ein apokalyptisches Gewitter über dem Vatikan tobte, das sogar das Fenster oberhalb der päpstlichen Kathedra zu Bruch gehen ließ. Zu denken sollte in diesem Zusammenhang geben, dass nicht nur die heterodox angehauchten Väter gegen die Verkündung des Primats waren, sondern auch einige sehr traditionell eingestellte Väter. Ebenfalls zu denken geben sollte, dass die Orthodoxie vor der Entstellung des Glaubens gerade in Ermangelung einer zentralen Spitze im Großen und Ganzen bewahrt worden ist. So spricht denn einiges dafür, dass nach dem Suizid der Katholischen Kirche die Zukunft der Christenheit in der Anlehnung an die Orthodoxie liegen könnte.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Waibel

Karl Napp 03.03.2018 - 17:32

"Z. Zt predigen die "Funktionäre" vom Papst über die Kardinäle bis zu manchen Pfarrern mit politischem Geschwätz die Kirchen leer und die Gläubigen aus der Messe."

Ab und zu gibt es auch gute Nachrichten.

Gravatar: Karl Napp

Wenn ich in die Kirche / Messe gehe, dann um Gott zu lobpreisen, ihm zu danken und ihn zu bitten. Politische Meinungen und Ratschläge seiner "Funktionäre" will ich nicht hören. Wenn ich Politisches hören/sehen möchte, nutze ich die Medien oder die politischen Parteien. Z. Zt predigen die "Funktionäre" vom Papst über die Kardinäle bis zu manchen Pfarrern mit politischem Geschwätz die Kirchen leer und die Gläubigen aus der Messe.

Gravatar: Thomas Waibel

Ron Ceval 01.03.2018 - 16:03

Die Aussage, daß wir Christen mit den Muslimen denselben "Gott" anbeten würden, befindet sich in dem Dokument "Lumen gentium" Kapitel 16 (unten wiedergegeben).

"16. Diejenigen endlich, die das Evangelium noch nicht empfangen haben, sind auf das Gottesvolk auf verschiedene Weise hingeordnet (32). In erster Linie jenes Volk, dem der Bund und die Verheißungen gegeben worden sind und aus dem Christus dem Fleische nach geboren ist (vgl. Röm 9,4-5), dieses seiner Erwählung nach um der Väter willen so teure Volk: die Gaben und Berufung Gottes nämlich sind ohne Reue (vgl. Röm 11,28-29). Der Heilswille umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslim, die sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird."

Dieses Dokument und alle anderen können Sie finden:

http://www.vatican.va/archive/hist_councils/ii_vatican_council/index_ge.htm finden.

Allein diese Blasphemie zeigt, daß das Vatikanum 2 kein Konzil, sondern eine häretische Vollversammlung war.

Gravatar: Thomas Waibel

Ekkehardt Fritz Beyer 01.03.2018 - 12:15

Der Modernismus von Bergoglio, Ratzinger und Konsorten ist ein übel, aber ebenso ist ein Übel die russische "Orthodoxie" und der Kommunist Putin.

Man kann eben nicht Beelzebub mit dem Teufel austreiben.

Gravatar: Ron Ceval

Wenn es stimmt, daß im 2. Vatikanischen Konzil beschlossen wurde, daß unser Gott derselbe sein soll wie der muslimische Allah, dann ist dieses Konzil mit allen seinen Ergebnissen zu anullieren. Die Kirche darf sich nicht als NGO verstehen und sie ist für Christen zuständig, für niemanden sonst.

Gravatar: Thomas Waibel

Wenn in der Kirche nicht mehr der Glaube, sondern die Politik herrscht, kann diese Kirche nicht die Kirche Christi sein, weil der Glaube gehört zu dem Wesen der Kirche.

In der Tat bei der "Kirche" von Roncalli handelt es sich nicht um die Kirche Christi, die nur die katholische ist, sondern um einer riesigen häretischen NGO, deren Chef z. Zt. der "christliche" Marxist Bergoglio ist.

Gravatar: Freigeist

Glaube sollte nicht regieren, sondern Wissenschaft. Wenn Glaube regiert steht es schlecht um die betroffenen Gesellschaften, siehe Islam.

Gravatar: Alfred

"...Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan und herrscht ..."
Mein Kampf - Altes Testament

Wenn das Volk sich verweigert, dann öffnet die Grenzen und lasst die Vergewaltigungen zu! Ist das die Politik der Kommunistin Merkel?

... Oder altes jüdisches, christliches Brauchtum?
.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

… „Gedacht war der Jurisdiktionsprimat natürlich als Hilfsmittel zur Durchsetzung der Rechtgläubigkeit. Verwandt wurde er jedoch seit Johannes XXIII.“ … „So spricht denn einiges dafür, dass nach dem Suizid der Katholischen Kirche die Zukunft der Christenheit in der Anlehnung an die Orthodoxie liegen könnte.“

Ist es für die Gläubigen deshalb nicht ein Segen, dass es die Orthodoxen auch in Russland gibt?

Dabei sollten wir froh sein, dass Präsident Putin an der Macht ist!!! https://ostexperte.de/joerg-baberowski-putin/

Gravatar: Dr. Bruno Köhler

Die Kirche hat ihre Macht dadurch erreicht, dass sie sich geschickt mit den jeweiligen Machthabenden und dem Mainstream arrangiert hat. Es handelt sich hier also nicht um Suizid, sondern um ein Jahrtausende altes erprobtes Erfolgsrezept zur Befriedigung ihres Selbsterhaltungstriebs.

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