Migranten sind die neuen Entwicklungshelfer

466 Milliarden US-Dollar versickern auf dem Weg von Afrika nach Europa und zurück

Nach Angaben der Weltbank haben Migranten im Jahr 2017 etwa 466 Milliarden US-Dollar in ihre Heimatländer überwiesen. Das ist das Dreifache der Mittel der internationalen Entwicklungshilfe. In Wirklichkeit ist der Betrag noch viel höher, weil sich nicht alle Überweisungen erfassen lassen. Diese Entwicklung wird uns als Fortschritt hingestellt – sie ist jedoch hochproblematisch.

Afrika, Pixabay
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Ein Blick nach Afrika scheint heute nicht auszukommen, ohne erst einmal mit einem gewaltigen Paukenschlag eine moralische Wertung voranzustellen und zu betonen, dass wir Deutsche tief in der Schuld Afrikas stehen. »Rund 300.000 Menschen wurden bei der Niederschlagung des Maji-Maji-Aufstands getötet. An den Herero und Nama verübten deutsche Truppen in Südwestafrika, dem heutigen Namibia, einen Völkermord. Entschädigt wurden die Opfer und ihre Nachkommen nie.«

Soviel vorweg. So fängt der Beitrag im Tagesspiegel an, der sich nach der dramatischen Eröffnung der aktuellen Situation in Afrika und insbesondere der Lage im Niger – dem zweitärmsten Land der Welt mit der höchsten Geburtenrate – zuwendet, als hätte das eine etwas mit dem anderen zu tun. Es ist alles Afrika.

Mahamadou Issoufou, der Präsident des Niger, war neulich zu Besuch im Bundeskanzleramt. Mehr als 330.000 Menschen hatten im Jahre 2016 das Land verlassen, die EU hatte eine Milliarde Euro an Hilfsgeldern versprochen, im Jahr 2017 verließen den Niger nur noch 69.000 Menschen. Ist das etwa eine Erfolgsmeldung? Werden so Fluchtursachen bekämpft? Soll es so weitergehen?

Wie auch immer. Der Artikel will uns erklären, dass die Migranten eine neue Art von Entwicklungshelfern darstellen. »Einwanderung entwicklungspolitisch denken!«, lautet die Parole. Migranten und Flüchtlinge überweisen jedes Jahr viel Geld an ihre Familien, sehr viel Geld. Allein im Jahr 2016 flossen mehr als 17,7 Milliarden Euro aus Deutschland zurück in die Herkunftsländer, rund 6,5 Milliarden mehr als im Jahr 2007. Deutschland liegt damit – hinter den USA, Saudi-Arabien und der Schweiz – auf Platz vier der weltweit größten Ausgangsländer für private Geldtransfers. Vergleiche dazu: Der Etat des Entwicklungsministeriums ist nur halb so groß.

»Rücküberweisungen von Migranten sind ein wichtiger Beitrag zur Fluchtursachenbekämpfung.« So sieht es jedenfalls der Tagesspiegel. »Jeder, der Arbeit hat und integriert ist, aber abgeschoben werden soll, wäre ein Entwicklungshelfer weniger.«

Damit teilt der Artikel die Einschätzung von Venro. Das ist der »Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen e.V.«, der Dachverband der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisationen in Deutschland. Auf ihrer Seite schreibt ihr Vorstands-Mitglied Martina Schaub: »Die positiven Effekte von Migration sowohl für Aufnahme- als auch für Herkunftsländer liegen auf der Hand, kommen aber leider in der aktuellen Debatte viel zu kurz. Geflüchtete, die aus humanitären Gründen Schutz in Deutschland finden, können eine wichtige Ressource für den deutschen Arbeitsmarkt sein. Gleichzeitig sind Migrantinnen und Migranten ein wichtiger Motor für die Entwicklung ihrer Herkunftsländer, wenn sie Teile ihres Einkommens rücküberweisen«.

Zusammenfassend heißt es: »Geldtransfers von Zugewanderten in die Heimat übersteigen die offiziellen Entwicklungsmittel um ein Dreifaches. Damit finanzieren ihre Familien die Bildung und Ausbildung ihrer Kinder und sorgen für deren Gesundheit. Das sind unschätzbare Entwicklungsimpulse.« 

Nach diesen optimistischen Worten, seien ein paar kritische Worte angefügt (die in der Darstellung gänzlich fehlen): Geld aus privaten Transfers fließt nicht in Strukturprojekte, sondern wird für den privaten Konsum gebraucht. Mit dem Geld werden also keine Straßen oder Schulen finanziert, sondern Handys gekauft. Mehr noch: Das Geld wird gebraucht, um die Schulden zu begleichen, die entstanden sind, um die Schlepper zu finanzieren.

Das Geld, das der Migrant überweist, ist auch nicht durch eigene Arbeit verdient, es setzt sich vielmehr aus Zuschüssen zusammen, die der deutsche Sozialstaat für ihn bereithält. Die Konflikte in den Gemeinden in Afrika werden dadurch verschärft, die Ungleichheit vergrößert sich. Es entsteht eine neue Kluft zwischen den Familien, die einen Sohn ins Abenteuer geschickt haben und denen, die das nicht getan haben; zwischen denen, die einen erfolgreichen Abenteurer ausgesandt haben und denen, die vergeblich in die Schlepper-Kriminalität investiert haben.

Bei aller Begeisterung für die Afrika-Politik von Angela Merkel sollten diese kleinen Anmerkungen nicht fehlen. Die positiven Effekte liegen auf der Hand, heißt es nach der Einschätzung von Schaub. Wir haben zwei Hände. Die negativen Effekte liegen auf der anderen Hand.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.M.

Afrikas Bevölkerung ist von 1950 bis heute von 210 Mio auf 1300 Mio gewachsen, damit auch die Lebenserwartung und in bescheidenem Maße der Lebensstandard. Das ist erfreulich. Aber eine Massenauswanderung nach Europa ist keine Lösung. Viele Probleme dort sind leider hausgemacht. Man lese:

Claus Folger "Der Uganda-Report" (2018) in drei Teilen:

https://www.blauenarzisse.de/der-uganda-report-i/

https://www.blauenarzisse.de/der-uganda-report-ii-ueberbevoelkerung/

https://www.blauenarzisse.de/der-uganda-report-iii/

Gravatar: Unmensch

Hauptsache Geld von Reich nach Arm.
(Und dass die Umverteiler am meissten profitieren.)

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