Waltrop ist ein Städtchen im Kreis Recklinghausen. Mit seinen nicht einmal 30.000 Einwohnern ist es im Vergleich mit den ganzen großen Städten in unmittelbarer Nähe im Grunde genommen ein Nest, in welchem man sich untereinander gut kennt. Das kann einerseits von Vorteil sein, andererseits aber sorgen zu viele Kenntnisse auch gerne einmal für Streitigkeiten. So wie im Fall Sophie Vivien gegen ihren früheren Nachbarn Wolfgang.
Sophie Vivien kam vor rund 60 Jahren zur Welt. Und weil das Kind als Junge zu erkennen war, gaben die Eltern dem Baby den Namen Rüdiger. Über viele Jahre lebte Sophie Vivien als Rüdiger: Der damalige Nachbar Wolfgang kannte Sophie Vivien 35 Jahre lang als Rüdiger.
Vor sieben Jahren aber entschied er sich, nicht länger Rüdiger sein zu wollen, sondern lebte fortan als transidente Frau und gab sich den Namen Sophie Vivien. So weit alles kein Problem. Aber Wolfgang konnte sich einfach an Sophie Vivien nicht gewöhnen und behielt den alten Namen bei.
Das ärgerte Sophie Vivien, dass es zu einem Rechtsstreit vor dem zuständigen Amtsgericht Recklinghausen kam. Der Richter legte Wolfgang ein Unterlassungsurteil mitsamt der Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000 Euro auf. Sollte Wolfgang noch einmal Rüdiger zu Sophie Vivien sagen, muss er das Ordnungsgeld entrichten, zahlt er nicht, wandert er in Ordnungshaft.
Ob das Urteil rechtskräftig wird, steht noch aus. Denn Wolfgang könnte durchaus das Gewohnheitsrecht für sich in Anspruch nehmen. 35 Jahre hat er Sophie Vivien Rüdiger genannt, und 35 Jahre sind »eine längere tatsächliche Übung«, wie das Bundesverfassungsgericht das Gewohnheitsrecht definiert. »Diese (...Übung...) muss dauernd und ständig wirken, und sie muss gleichmäßig und allgemein sein (longa consuetudo)«, so der Rechtsgrundsatz. Und da Sophie Vivien 53 Jahre lang Rüdiger war, sind diese beiden Vorbedingungen erfüllt.
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