Vergessene Tage des Erinnerns

23. August 1939 - Der Tag, an dem der Zweite Weltkrieg möglich wurde

Am 23./24. August 1939 unterzeichneten der deutsche Außenminister Ribbentrop und sein sowjetischer Kollege Molotow den Nichtangriffspakt zwischen Stalin und Hitler. Ein schwarzer Tag in der Geschichte Europas.

Waffenbrüder / Wikicommons / CC BY-SA 3.0
Veröffentlicht:
von

Am 24.August 1939 wurde in Moskau der Deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt unterzeichnet. Das politische Europa war geschockt. Die Einigung der beiden sozialistischen Staaten, die auf den 23.August datiert ist, kam für so ziemlich jeden Beobachter aus heiterem Himmel. Die Feindschaft des faschistischen und des kommunistischen Systems schien sicher zu sein. Sie war es nicht, wie sich vor 80 Jahren dramatisch offenbarte und sie ist es noch immer nicht.

Im Ergebnis wurde an diesem Tag zwischen Berlin und Moskau die engere ökonomische Zusammenarbeit vereinbart. Der Nichtsangriffspakt ergänzte den wenige Tage zuvor ausgehandelten Deutsch-Sowjetischen Wirtschaftsvertrag. Von nun an würde die Sowjetunion dem Dritten Reich gegen Maschinen und Steinkohle regelmäßig umfangreich Rohstoffe liefern. Weiter sicherte der Vertrag Hitler Stalins Neutralität für die nähere Zukunft.

Berüchtigt aber ist der geheime Teil des Vertrags. Dieses »geheime Zusatzabkommen« besiegelte die Aufteilung Mittel- und Osteuropas in Einflusssphären Deutschlands und Russlands. Bei der Unterzeichnung waren diese Teile der Öffentlichkeit unbekannt. Allerdings hatte der Nichtangriffspakt schon durch die offiziellen Teile den Titel »Kommunazi Pakt« mehr als verdient.

Hitlers Rechnung war einfach. Er wollte sich den Rücken freihalten und spekulierte, dass die Westmächte im kommenden Konflikt mit Polen nicht eingreifen würden, jetzt, da Russland neutral bleibt. Seine Rechnung ging teilweise auf. Polen wurde von Deutschland und Russland gemeinsam besiegt. Allerdings befand sich Deutschland seit dem 3.September im Krieg mit England und Frankreich.

Stalins Rechnung war etwas komplizierter als die seines sozialistischen Partners in der Berliner Reichskanzlei. Er hoffte auf einen Krieg im Westen Europas und dass er ähnlich lang andauern würde wie der Erste Weltkrieg. Zugleich hielt sich Stalin seinerseits den Rücken frei im Konflikt mit Japan. Seit Mai befanden sich beide Länder am Rande zum offenen Krieg. Einen Tag nach der Unterzeichnung des Deutsch-Sowjetischen Wirtschaftsvertrags begann der russische Großangriff in der Mongolei und endete mit einem sowjetischen Sieg. Trotzdem ging auch Stalins Rechnung nur teilweise auf. Nach mehreren kurzen Feldzügen hatte Hitler im Sommer 1941 seinerseits den Rücken zumindest vorerst frei und stand direkt an der gemeinsamen Grenze.

Jetzt entfaltete der Nichtsangriffspakt seine unvorhergesehene Wirkung. Zunächst lagen sich die beiden sozialistischen Militärapparate unmittelbar gegenüber. Keine Pufferzone neutraler oder abhängiger Staaten gewährte eine Vorwarnzeit im Falle des Angriffs. Da der Krieg bis hierher durch blitzartige Vorstöße schneller Panzerverbände geführt worden worden war, bedeutete das einen erheblichen Nachteil für den, der verteidigt, wie die Russen nur zu bald feststellen sollten. Im Herbst standen die Deutschen vor Moskau.

Zugleich wirkte sich nun der andere Teil von Stalins Rechnung aus: Das mit Deutschland verbündete Japan fühlte sich seit dem Nichtangriffspakt von Deutschland hintergangen. Trotz der deutschen Siege in Russland entschied Tokio sich gegen einen Angriff auf Russland, weil es Deutschland nicht traute. Statt dessen begann es den fatalen Angriff gegen Pearl Harbor und zog die USA in den Krieg.

Aus dieser Warte hat der Zweite Weltkrieg zwar nicht mit der Unterzeichnung des Nichtsangriffspakts zwischen Deutschland und der Sowjetunion begonnen - aber ab dem 23.August war er möglich. An diesem Tag vor 80 Jahren wurde der Grundstein für verschiedene Konstellationen gelegt, die erst mit der Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten am 11.Dezember 1941 endgültig wurden und damit das begann, was wir heute als Zweiten Weltkrieg bezeichnen.

Die politischen Auswirkungen der Paktes waren fatal. Nicht nur lieferte Stalin unliebsame Kommunisten an Deutschland aus. Zudem fielen tausende polnische Offiziere in die Hand Stalins und wurden in den Wäldern von Katyn von Kommunisten ermordet.

In der Nachkriegszeit entwickelte das geheime Zusatzabkommen eine eigene Sprengkraft. Im Nürnberger Prozess wurde sein Inhalt bekannt, aber von den Russen geleugnet. Bis weit in die 1980er Jahre verbreitete Moskau das Märchen von dem Vertrag, den es angeblich nicht gab. Und auch die westeuropäische Linke beteiligte sich an diesem Lügenkonzert. Sie konnte nicht anders.

Denn der Nichtangriffspakt widerlegte zwei Bilder, die die politische Linke gern von sich meinte geben zu dürfen: Sie sei friedlich und sie sei anti-faschistisch. Dass die Linke mit Faschisten gut konnte, beweisen die Rohstofflieferungen Stalins an Hitler und die Auslieferungen von Kommunisten an die Gestapo. Und dass die Sowjetunion alles mögliche war nur eben nicht friedlich, wurde durch die Kriege in Folge des Hitler-Stalin-Paktes ebenfalls deutlich.

So gesehen steht der 23.August 1939 für die ganze Anmoral der politischen Linken. Und zugleich für den teilweisen Erfolg der Propaganda: Denn noch immer ist der Jahrestag zu wenig bekannt. Eher erinnert man sich des 8.Mai als Tag des sowjetischen Sieges als an den Tag, an dem die Sowjetunion Hitlers Kriege überhaupt erst ermöglichen half.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Gravatar: Werner N.

@ Regina Ott-Hanbach 28.08.2019 - 14:53
Ihr Beispiel der Strasser–Brüder ist richtig. Man könnte noch ein Dutzend anderer Punkte nennen. Der Historiker Ernst Nolte: ..“Der antibolschewistische Impetus Hitlers war schon vor 1923 sein stärkstes Motiv neben der Revision von Versailles“.. (*Der kausale Nexus*, S. 249).

Empfehlenswert auch der Aufsatz *Sind Nazis links?* Philosophia Perennis, 13.06.19. Die Autorin Patrizia von Berlin verneint das für deren Wirtschaftspolitik.

Gravatar: Regina Ott-Hanbach

Namhafte Historiker haben die Mär vom Sozialismus der NSDAP längst geklärt. Die Nazis waren Nazis und keine Sozialisten oder Kommunisten. Man umgab sich mit dem Schein des Sozialismus in den frühen Jahren der Bewegung. Strasser und Genossen, die ein klein wenig zum Sozialismus neigten, waren nach 1934 verschwunden.
Der Verfasser liegt also völlig falsch mit seiner These! Er sollte sich besser kundig machen, bevor er solche Behauptungen aufstellt!

Gravatar: Rita Kubier

@Wolfgang Kobischke 28.08.2019 - 07:01

".... Dennoch hätte Stalin seine Truppen 1940 stoppen sollen. Russland war befreit, Hitler fast KO. ...."

Stalin hat bewusst weitergemacht, denn er hatte sehr richtig erkannt, dass er Deutschland mit seinem Einmarsch, seiner" Befreiung", - zumindest im Osten - bis zum geht nicht mehr plündern und ALLES rausschaffen und nach Russland verfrachten kann, was irgendwie von Wert war. Da wurden selbst die Bahnschienen "ausgebuddelt" und ALLES, selbst, was niet- und nagelfest war, nach Russland verbracht - auch kluge Köpfe, also Wissenschaftler, wurden zwangsdeportiert.
Kein Wunder, dass Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland, wo DAS nicht (durch die Amis) geschah, weit mehr am Boden zerstört war, nie Schritt halten und nie richtig auf die Beine kommen konnte - im Gegensatz zu Westdeutschland.
Der Russe hatte bis 1989 die nehmenden Hände und die Macht über Ostdeutschland. Und trotzdem haben sich die Ossis NIE unterkriegen lassen!

Gravatar: Wolfgang Kobischke

Die Wehrmacht als sozialistische Truppe zu bezeichnen ist schon ein starkes Stück. Auch war der Nichtangriffspakt eine durchaus vernünftige Sache, natürlich nicht für den Westen und seine Trompeten.
Selbst den spätere Angriff auf Sowjetrussland könnte man als Revanche auf die Kriegserklärung Russlands 1914 erklären.
Die völlig unangebrachten Verbrechen an die Zivilbevölkerung waren nicht akzeptabel.
Dennoch hätte Stalin seine Truppen 1940 stoppen sollen. Russland war befreit, Hitler fast KO und der SU wäre ein 1992 erspart geblieben.
Warum? Der Westen war damals wie heute der schlimmste Feind Russlands.
Ps. Als sozialistisch würde ich eher die Blockparteien und ihre Bundeswehr bezeichnen.

Gravatar: Karl Napp

Fatale Folge für Hitlers verbrecherischen Feldzug gegen die mit ihm eigentlich vertraglich verbundene Sowjetunion:

Im Spätherbst 1941 (?) verriet ein Herr Sorge, der heimlicher Kommunist und Mitarbeiter an der deutschen Botschaft in Tokio war, den Sowjets, daß Japan die Russen in Sibirien nicht angreifen werde. Daraufhin konnte Stalin die umfangreichen, kälte-erfahrenen Truppen von seiner Ostgrenze abziehen und mit der sibirischen Eisenbahn an die Front gegen die deutsche Armee nach Westen holen. Fatal für Hitlers Russland-Armee: Die Rote Armee begann zu siegen bis nach Berlin.

Gravatar: Karl Napp

@ jürgen kurt Wenzel

Der Begriff "Faschismus" hat eine lange Geschichte:

fascis, pl. fasces, ist lateinisch und bezeichnet ein mit zwei (ledernen) Bändern zusammengehaltenes Bündel/Rute. Im alten Rom wurde es als Zeichen der Macht den höchsten Beamten vorangetragen.

Mussolini hat dieses Zeichen der Macht wieder verwendet, wohl eher im Sinne einer Bündelung aller italienischen Stämme und Stände. Er nannte seine Bewegung fascismo, seine Anhänger nannten sich Faschisten.


@ Thomas Waibel

Hitler ist in Russland einmarschiert, nachdem er seit 1933 vergeblich von Polen eine vernünftige Regelung für einen Durchgang durch den polnischen Korridor nach Ostpreußen gefordert hatte. Der polnische Korridor an die Ostsee war 1919 von den Siegermächten ohne Abstimmung der Bewohner Danzigs, Westpreußens und der Provinz Posen aus dem Gebiet des besiegten Deutschen Reiches herausgeschnitten worden. Polen schikanierte danach nicht nur die Deutschen in Westpreußen und Posen (und Oberschlesien), sondern auch die deutschen Personenzüge, die durch den Korridor nach Ostpreußen fuhren. Sie durfte nicht halten und mußten die Fenster verdunkeln, solange sie durch den Korridor fuhren. Nachdem Hitler der Abschluß des Freundschaftsvertrages mit Stalin, mit Geheimprotokoll über die Aufteilung Polens im Fall der Fälle, gelungen war, setzte er Polen eine letzte Frist von drei (?) Tagen für eine vernünftige Durchfahrtregelung durch den Korridor. Als Polen statt dessen sich weiter rüstete, marschierte er ein. Stalin hingegen überfiel paar Tage später Polen ohne Vorankündigung, ohne Ultimatum, um das Geheimprotokoll umzusetzen und damit die alten Grenzen des Zarenreichs wieder zu erreichen.

Die Massenmorde, die unter Stalin begangen wurden, waren keine Morde Russlands, sondern Morde des Kommunismus, der kommunistischen Ideologie. Weltweit etwa 100 Millionen Morde. Nachzulesen im "Schwarzbuch des Kommunismus" von Ste'phan Courtois, Piper-Verlag.

Gravatar: Ralf G.

Guter Artikel. Einzig, dass Japan dem Deutschen Reich nicht traute und sich deshalb nicht (auch) gegen die Sowjetunion wandte, sondern gegen die USA - das habe ich noch nie gehört.

Gravatar: Werner N.

Der Kommentar von Regina Ott-Hanbach sagt es richtig.

Gravatar: avalonballroom

Wieso haben England und Frankreich nicht auch der Sowjetunion den Krieg erklärt als diese in Polen einmarschiert ist.
Hier hätte doch auch der Beistandspakt greifen müssen.
Mit diesem Thema hat oder wollte sich offensichtlich bisher niemand beschäftigen.
Man liest schlichtweg nichts darüber.

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „So gesehen steht der 23.August 1939 für die ganze Anmoral der politischen Linken. Und zugleich für den teilweisen Erfolg der Propaganda: Denn noch immer ist der Jahrestag zu wenig bekannt. Eher erinnert man sich des 8.Mai als Tag des sowjetischen Sieges als an den Tag, an dem die Sowjetunion Hitlers Kriege überhaupt erst ermöglichen half.“

Weil damals in Stalin ´Gott` gesehen werden sollte
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kirche-und-kommunismus-stalin-statt-gott.1278.de.html?dram:article_id=363058,
was das Merkel nun übernahm, dies aber mit den Worten kaschiert:

"Gott wollte keine Menschen, die einfach das tun, was sie gesagt bekommen"?

Ist deshalb nicht ausgerechnet sie es, die verkündet:

"Ich fürchte mich davor, dass die Grenzen immer weiter verschoben werden"???
https://www.evangelisch.de/inhalte/110755/01-11-2014/merkel-ueber-ihren-glauben-gott-wollte-keine-marionetten

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang