Gastbeitrag vom Lateinamerika-Experten René Fuchslocher

175 Jahre deutsche Einwanderung in den Süden Chiles

Die spärliche Verbreitung der lokalen Geschichte hat dazu geführt, dass die heutigen Generationen die Bemühungen ihrer Vorgänger vergessen haben und politisch interessierten Interpretationen Platz gemacht haben, die Konflikte in der Bevölkerung fördern. Doch jedes Mal, wenn sie ein gut bearbeitetes Feld, ein gut gebautes Haus oder eine gut ausgebaute Straße sehen, werden sie feststellen, dass der Einfluss dieser Pioniere noch sehr lebendig ist.

Foto: René Fuchslocher
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Vor 175 Jahren, am 25. August 1846, lief die Brigantine »Catalina« im Hafen von Corral ein und brachte die Vorfahren der Familien Aubel, Bachmann, Clemens, Henckel, Hollstein, Ide, Jaeger, Krämer, Kramm und Ruch mit. Es handelte sich um ein privates, von den Brüdern Philippi, Ferdinand Flindt, Franz Kindermann und Johann Renous organisiertes Kolonisationsprojekt, das den offiziellen Initiativen des chilenischen Staates, der 1845 das »Selektive Einwanderungsgesetz« erlassen hatte, um einige Jahre vorausging.

Es handelte sich um Handwerkerfamilien aus Kassel, im Zentrum des heutigen Deutschlands, die sich auf dem Fundo Santo Tomás am Ufer des Río Bueno niederließen. Insgesamt 9 Männer, 8 Frauen und 23 Kinder trafen nach einer mehr als viermonatigen Reise ein, auf der sie verschiedene Schwierigkeiten zu bewältigen hatten - darunter eine Meuterei an Bord und der Tod von vier Passagieren -, die in unserer Region wichtige Spuren hinterlassen haben und dies durch ihre Nachkommen weiterhin tun.

Georg Aubel betont in einem Brief an seinen Schwiegervater nicht nur, wie freundlich sie in unserem Land empfangen wurden, sondern berichtet auch von ihrer Landung in Corral: »Welch einen Eindruck haben wir erhalten, als wir die Häuser sahen! Sie bestehen aus Pfosten, die nebeneinander in den Boden gerammt werden, und darüber, wie Balken und Scheren, langen, mit Stroh bedeckten Bäumen. Das Feuer, auf dem sie kochen, steht in der Mitte des Hauses, auf dem nackten Boden. Die Menschen in diesem Land tragen keine Schuhe, weder im Winter noch im Sommer.«

Ab 1849 nahm der Zustrom von Deutschen - sowohl von Siedlern als auch von freien Einwanderern - zu. Im Jahr 1850 kam Karl Anwandter auf der Brigg »Hermann« an und legte für sich und seine Landsleute einen feierlichen Schwur ab: »Wir werden auch so ehrliche und arbeitsreiche Chilenen sein, wie es nur ihre Stärksten wären. In den Reihen unserer neuen Landsleute werden wir unserem Adoptivvaterland gegen jede ausländische Bedrohung mit der gleichen Entschlossenheit und Energie dienen wie derselbe Mann, der verteidigt sein Vaterland, seine Familie und seine Interessen«; so taten 1852 auf dem Schiff »Susann« die fortschrittlichen Menschen von Puerto Montt und die Erschließung des Llanquihue-Seebeckens, neben anderen wichtigen Meilensteinen.

Die spärliche Verbreitung der lokalen Geschichte hat dazu geführt, dass die heutigen Generationen die Bemühungen ihrer Vorgänger vergessen haben und politisch interessierten Interpretationen Platz gemacht haben, die Konflikte in der Bevölkerung fördern. Doch jedes Mal, wenn sie ein gut bearbeitetes Feld, ein gut gebautes Haus oder eine gut ausgebaute Straße sehen, werden sie feststellen, dass der Einfluss dieser Pioniere noch sehr lebendig ist.

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René Fuchslocher wuchs in Osorno auf, wo er auch die Deutsche Schule besuchte. Anschließend studierte er an der Universidad Católica de Chile Jura und machte sein Magister in Steuerrecht an der Universidad Adolfo Ibáñez. Seit fünfzehn Jahren wohnt er in Puerto Montt, wo er mit seinen Geschäftspartnern die Kanzlei Fuchslocher, Bogdanic & Asociados und die Immobilienentwicklungsfirma Alpina gegründet hat. Dazu ist der 43-Jährige Mitglied in verschiedenen Institutionen der deutsch-chilenischen Gemeinschaft: des Deutschen Vereins zu Puerto Montt, der Corporación de Beneficencia Osorno (Deutsche Klinik in Osorno), des Deutschen Turnvereins zu Llanquihue, der Deutschen Schule zu Puerto Montt sowie Vorstandsmitglied von Agrollanquihue A.G. (Verband der Landwirte der Provinz Llanquihue).

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gerhard G.

@ Sarah 28.08.2021 - 10:10

Dieser Satz soll wohl ein Witz sein!
Sie haben es erfasst !!
Die Zwei wurden inChile bestattet weil deren Tochter (mit einem Chilenen verheiratet) dort lebt.

Gravatar: Karl Napp

Unser Vater - geb. Österreicher - war als höherer Staatsbeamter NSDAP - Mitglied gewesen. Bis zum Überfall auf Russland war er überzeugter Anhänger Adolf Hitlers. Etwa bis 1948/1949 erwog er, wie wohl viele ehemalige Nazis, mit seiner Familie nach Chile auszuwandern. Es muss eine richtige Auswanderungswelle nach Chille zu jener Zeit gegeben haben. Die Züge nach Bremerhaven zum Auswandererschiff fuhren vom Frankfurter Hbf ab, an dem wir oft waren und mit Exilanten sprachen.

Gravatar: werner

Wenn man es zulässt wird die Merkel auch bald in den Süden Südamerikas, in ihre Ländereien verschwinden.

Gravatar: Tomislav Securitate

Chile ist das am stärksten europäisch geprägte südamerikanische Land. Man beachte nur die Militärtradition dieses Landes, die ebenfalls auf preußischen Tugenden des 19. Jahrhunderts fußt!

Gravatar: Ekkehardt Fritz Beyer

... „Doch jedes Mal, wenn sie ein gut bearbeitetes Feld, ein gut gebautes Haus oder eine gut ausgebaute Straße sehen, werden sie feststellen, dass der Einfluss dieser Pioniere noch sehr lebendig ist.“ ...

Braucht unsere angeblich so christliche(?) Göttin(?) nicht auch darum einen „deutschen Islam: gegen Islamisten und Rassisten“
https://www.vorwaerts.de/artikel/brauchen-deutschen-islam-gegen-islamisten-rassisten,
weil göttlicher(?) Rassismus gegen Weiße auch an der Berliner Humboldt-Uni längst völlig normal scheint???
https://www.tagesspiegel.de/berlin/wir-bitten-weisse-menschen-von-einer-bewerbung-abzusehen-berliner-beratungsstelle-gegen-diskriminierung-ueberarbeitet-anzeige/27552548.html

Gravatar: Hans-Niklas Rolin

Nicht zu vergessen die chilenischen Burschenschaften, die nach deutschem Vorbild deutsche Kultur und Lebensweise weitertragen.

Gravatar: Sarah

@Gerhard G.

"sogar Margot & Erich haben dort ihre letzte Ruhe gefunden"
Dieser Satz soll wohl ein Witz sein!
Das Erz-Kommunisten-Paar steht für Repression, Folter und Tod. - Na, wie "schön", dass sie sich dort in Chile von Ihren Taten ausruhen dürfen.
Wahrhaft ein starker Anreiz in Chile zu leben. Ironie aus!

Leute gibt`s, nicht zu fassen!

Gravatar: P.Feldmann

Danke für dieses Beispiel einer echten kulturellen Bereicherung! Ich kenne nur Chile südlich von Osorno, also u.a. Llanquihue/ Seenlandschaft um den Vulkan Osorno und diese Gegend wirkt wirklich segensreich geordnet und landwirtschaftlichc gepflegt. Die Straßen in gutem Zustand, die Häuser ansehnlich.
Fährt man aber von Osorno einfach nach Westen an den Pazifik, so ist man plötzlich (in atemberaubender landschaftlicher Lage) in verkommenen Mapuche-Dörfern, die ich einmal erlebt habe und daraufhin die Gegend weiträumig meiden werde.
Am Unterschied dieser zwei Szenerien kann man etwas ermessen, wie erheblich der kulturelle Schub für Chile durch die Deutschen Siedler war und ist.

Wenn man nördlich von Osorno Orte wie die Hafenstadt Valdivia aufsucht, so muß dies wohl noch deutlicher werden. Valdivia war bis zu dem Erdbeben der 1960er wohl eines der aufstrebenden industriellen Zentren Südamerikas und bedeutende Hafenstadt. Meines Wissens alles getragen von deutscher Besiedlung.

Heute werden die europäischen Nachfahren der Siedler und Gründer von Minoritäts-Faschisten wie den Mapuche durch gewaltsame Landbesetzungen im gesamten Süden Chiles terrorisiert.

Gravatar: Dieter Boehme

Sehr gut berichtet. Es ist erfreulich, das auch diese positiven Nachrichten ueber Chile nach Deutschland gelangen. Ich lebe selbst bereits 70 Jahre in diesem herzlichen Land und kenne es fast besser als meine Westentasche.

Gravatar: Gerhard G.

Ich war erstaunt wieviel Deutsches noch heute existiert.
Deutsche Schulen sogar ein Deutsches Krankenhaus gibts.
Puerto Mont,Osorno,Frutilar...die Chilenische Schweiz... ich dachte ich bin in den Alpen gelandet ...grüne Wiesen ,alpenländ.Kühe u. Archtektur, Seen ,Berge wie in den Alpen , , in Sichtweite die scheebedeckten Riesen mit einer Rauchfahne . Dazu leckere Steaks und noch leckere Fischgerichte.Auch Eisbein u. Schwarzwälder Kirsch-Torte. Nicht zu vergessen ...in einem Ort das Einwanderer-Denkmal. Diese Leute kamen mit den Einheimischen sehr gut zurecht....arbeiteten Hand in Hand. Ich würde jedem jungen Menschen raten der auswandern will ...geht nach Chile ...ein sehr schönes Land. Und ich hoffe das die Amis nicht den polit. Frieden in diesem Lande gefährden.
Sogar Margot&Erich haben dort ihre letzte Ruhe gefunden.

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