Interview mit Peter Hefner

Wert von gutem Essen vermitteln

Schlechtes Image, falsche Vorwürfe und Schlagwortdebatten - droht die Diktatur der Saatgutkonzerne? In einem exklusiven Interview nimmt der Saatguthersteller Syngenta erstmalig zu den brisanten Themen Stellung.

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Saatguterzeuger besitzen das wohl denkbar schlechteste Image – was sicherlich auch daran liegt, dass diese Konzerne eine extrem “scheue” Außenkommunikation betreiben. Es gibt keine Auskünfte. Auch wohl deshalb der allgemeine Konsens: eine Handvoll gigantischer Konzerne beherrschen den Weltmarkt und zwingen die Landwirte dazu, Erzeugnisse anzubauen, die aus obskuren Genlaboren stammen und nichts mehr mit naturbelassenen Lebensmitteln zu tun haben. Im neuesten Buch zu diesem Thema („Hilfe, unser Essen wird normiert...“ von Clemens G. Arvay) wird diesen Konzernen jetzt vorgeworfen, eine Welt-Hunger-Katastrophe herauf zu beschwören, die auch und vor allem Europa treffen wird. Alles mit freundlicher und lobbymäßig erkaufter Unterstützung aus Brüssel und Straßburg.

FreieWelt.net: Es scheint einen allgemeinen Konsens zu geben, dass Konzerne sich mit der Entwicklung und dem Vertrieb von neuen Saatgutsorten schamlos bereichern und das Kulturgut „Pflanze“ aus reiner Profitgier aussterben lassen. So wirft der Autor Clemens G. Arvay in seinem neuen Buch namentlich Ihrem Konzern vor: „Dies stellt eine gravierende Gefahr für die Ernährungssicherheit künftiger Generationen dar. Mit Klimawandel und Erdölknappheit drohen der Menschheit damit Hungersnöte.“ Es gibt sogar militantere Anklagen. Im Kriminalroman „Die Saat“ findet es die Autorin (Fran Ray) als Abschlussszene sinnstiftend, die Chefin eines Saatgut-Konzerns von einem Eisbären zerreißen zu lassen. Was denken Sie – woher kommt diese mehr als negative Stimmung?

Peter Hefner: Das sind sicherlich sehr komplexe Zusammenhänge, die zu dem Bild geführt haben. Die wichtigere Frage für mich lautet: Stimmt dieses Bild? Wie kaum ein anderer Bereich waren die Pflanzenzüchtung und die hinter ihr stehenden Unternehmen daran beteiligt, die grüne Revolution erfolgreich zu gestalten. Ein Zitat aus dem Buch „The sceptical environmentalist“ von Professor Lomborg mag dies belegen: „Der Anteil hungernder Menschen ist … gesunken. Es sind heute zwei Milliarden mehr, die nicht hungern müssen.“ An diesem Erfolg hat die Pflanzenzüchtung einen wichtigen Anteil. Schon heute stellt sie sich auf kommende Herausforderungen ein, um wichtige Kulturpflanzen fit für den Klimawandel zu machen.

FreieWelt.net: Allgemein wird Ihrem Industriezweig vorgeworfen, ökonomische Abhängigkeiten zu erzeugen: Bäuerinnen und Bauern könnten kein eigenes Saatgut mehr gewinnen und sind damit von der Agroindustrie abhängig.

Peter Hefner: Landwirte erwirtschaften ihren Lebensunterhalt mit dem Ackerbau und merken deshalb recht schnell, was wirtschaftlich sinnvoll ist und was nicht. Danach richten sie ihre Sortenentscheidung aus. Ganz offensichtlich waren die kritisierten Sorten den anderen so überlegen, dass die Landwirte diese in zunehmendem Maße anbauten. Dass sie die Sorten jedes Jahr nachkaufen müssen, ist für sie offensichtlich kein relevantes Argument. Für Kleinbauern gibt es zudem Ausnahmeregelungen. Das mit der Abhängigkeit ist ein altes Argument. Falsche alte Argumente werden aber mit den Jahren nicht richtig, auch nicht, wenn man sie schablonenhaft wiederholt.

FreieWelt.net: Das von Ihnen produzierte Hochleistungssaatgut bringe nur unter standardisierten Bedingungen hohe Erträge. Dazu sei der Einsatz fossiler Brennstoffe nötig, die aber in Zukunft nicht mehr wie im derzeitigen Ausmaß zur Verfügung stehen werden. Viele Pflanzenkulturen würden nur noch indoor und oft sogar ohne Erde geführt. Chemikalien, Kunstdünger und Pestizide gehörten damit notwendigerweise und selbstverständlich zur modernen Pflanzenproduktion.

Peter Hefner: Als Pflanzenzüchter stellen wir das Saatgut zur Verfügung, das nachgefragt wird. Mehr und mehr rücken Züchtungsziele in den Vordergrund, um auch unter widrigen Bedingungen vernünftige Erträge zu erwirtschaften. Als Beispiele nenne ich Trockenheitstoleranz und Nährstoffeffizienz. Im Rahmen unseres Good Growth Plans wollen wir die Landwirtschaft produktiver machen, ohne mehr Ressourcen zu verbrauchen: „Grow more from less“.

FreieWelt.net: Stichwort: Gametozide, also Gifte zur chemischen Kastration der Mutterpflanzen. Diese Chemikalien sind in Deutschland, Österreich und der Schweiz nicht zugelassen. Solches Hybridsaatgut wird angeblich deshalb stets im Ausland produziert. Darüber hinaus sei davon auszugehen, „dass die Eltern- und Großelternpflanzen der meisten konventionellen und

vieler Biohybriden mit Pestiziden und Kunstdünger behandelt worden sind.“ (Clemens G. Arvay).

Peter Hefner: Es macht überhaupt keinen Sinn, Sorten außerhalb der Region zu züchten und anzubauen, in der sie nachher vermarktet werden. Sie müssen ja an die regionalen Gegebenheiten angepasst sein. Pflanzenschutzmittel werden auch im Bioanbau eingesetzt. Es ist nicht hilfreich, eine Schlagwortdebatte zu führen. Würden wir auf Pflanzenschutz und Düngung verzichten, müssten wir dramatische Einbrüche bei den Erträgen in Kauf nehmen. Alleine bei Weizen würden dann jährlich etwa 200 Millionen Tonnen fehlen.

FreieWelt.net: NMS-Verfahren: Die Pflanzen enthalten als kleines „Extra“ gleich ein zusätzliches Gen eingebaut, das sie gegen bestimmte Pestizide resistent macht. Damit würden die Saatgutkonzerne nicht nur das Monopol auf die Pflanzen sondern auch auf die dafür notwendigen Pflanzenschutzmittel besitzen.

Peter Hefner: Es ist eine Tatsache, dass herbizid-resistente Pflanzen, etwa Soja, weltweit im Anbau wachsen. Landwirte profitieren offensichtlich von dieser Technologie in einem solchen Maße, dass sie diese vermehrt einsetzen. So lange es eine Nachfrage hierfür gibt, wird es auch ein Angebot geben. Oder umgekehrt: ohne Nachfrage kein Angebot. Das ist Marktwirtschaft, nicht Monopol.

FreieWelt.net: „Ohne samenfeste Sorten überleben wir den Klimawandel nicht“ – im Interview erläutert diesen Prozess der britische Pflanzengenetiker Ben Gable: „Ich sage das als Pflanzengenetiker: Hybriden stammen von degenerierten Inzuchtlinien ab. Sie haben Unmengen an schlechten Genen in sich. Würde man versuchen, Samen von Hybriden wieder zu verwenden, kämen in der nächsten Generation verschiedene unbrauchbare Pflanzen heraus.“

Peter Hefner: Unsere Erfahrungen können das nicht bestätigen. Im Gegenteil: Hybridpflanzen sind in der Regel vitaler und bilden ein dichteres Wurzelwerk aus. Auf den Punkt gebracht, sie kommen mit widrigen Bedingungen besser zurecht. Deshalb werden sie von den Landwirten auch verstärkt nachgefragt. Dass die Pflanzen in der nächsten Generation aufspalten, wusste schon Mendel. Die Landwirte scheint dies nicht zu stören, denn sie kaufen jedes Jahr ihr Wunschsaatgut zu.

FreieWelt.net: Ihr Unternehmen ist u.a. am internationalen Saatgut-Tresor Svalbard Global Seed Vault beteiligt. Wenn „alte“ Sorten wieder gebraucht würden, greifen wir einfach auf die gebunkerten Samen zurück. Der Vorwurf: Solche Genbanken sind nicht dazu geeignet, die Vernichtung des Menschheitserbes „Kulturpflanzenvielfalt“ zu verhindern. Die wichtigste Tätigkeit der Genbanken bestehe ausschließlich in der Analyse des genetischen Materials.

Peter Hefner: Ich denke, dass es gut und vernünftig ist, alte Sorten zu bewahren. Was daran schlecht sein soll, erschließt sich mir nicht. Dass solche Sorten nicht mehr im Anbau sind, hat etwas mit nicht vorhandener Nachfrage zu tun.

FreieWelt.net: „Die Kinder werden nicht mehr wissen, wie eine Tomate geschmeckt hat, oder ein Apfel. Alles wird anders schmecken.“ - behauptet Karl Otrok, der ehemalige Produktionsdirektor beim Saatgutkonzern Pioneer.

Peter Hefner: Da das Zitat in keinem Zusammenhang steht, kann ich dazu nichts sagen. Wenn das so einträfe, wäre das schlimm. Aus meinen Kontakten zu den Züchtungskollegen weiß ich aber, dass es heute vor allem darum geht, geschmackvolle Gemüsesorten auf den Markt zu

bringen. Gerade Syngenta hat sich auf die Fahnen geschrieben, dass „Tomate wieder nach Tomate schmeckt“. Ich bin deshalb guter Hoffnung, dass das Zitat nicht eintreffen wird. Es ist allerdings unser aller Aufgabe, unseren Kindern den Wert von gutem Essen weiter zu vermitteln.

Peter Hefner, Media Relations & Public Affairs Pressesprecher Syngenta Agro GmbH, ist verheiratet und Vater zweier (fast) erwachsener Kinder. Nach seinem Studium der Agrarwissenschaften begann er seine berufliche Laufbahn im britischen Unternehmen ICI als Produktentwickler. Im darauf folgenden Unternehmen Zeneca Agro GmbH wechselte er in das Marketing, wo er zum Schluß für die Koordination der Marketingaktivitäten verantwortlich war und die Pressearbeit aufbaute. Bei Syngenta übt er die Funktion des Pressesprechers aus und arbeitet in der Kommunikation.

Syngenta ist weltweit einer der größten Konzerne im Agrargeschäft und der erste, der sich ausschließlich auf diesen Wirtschaftssektor konzentriert. Das Unternehmen ist in der Sparte Pflanzenschutz (Syngenta Crop Protection) Marktführer und in der Sparte „kommerzielles Saatgut“ (Syngenta Seeds) auf Platz drei. Der Umsatz 2013 (2012) betrug 14,7 (14,2) Milliarden US-Dollar. Syngenta beschäftigt derzeit 28'150 Mitarbeiter in über 90 Ländern. (Quelle: Wikipedia)

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das...
Wer steht schon auf Gen manipulierte Ware oder Geklontes Fleisch...Wann fangen wir an Fische zu klonen ??? nach dem Menschen Klon...

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