Interview mit Pieter Cleppe

»Vermögen aus dem Bankensektor abziehen«

Pieter Cleppe ist Leiter des Büros des Think Tanks Open Europe in Brüssel. FreieWelt.net sprach mit ihm über die vom IWF vorgeschlagene Schulden-Steuer von 10% auf Ersparnisse von EU-Bürgern und die Implikationen dieses Vorschlags.

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Lesen Sie die Originalversion des Interviews auf Englisch hier.

FreieWelt.net: Der IWF schlägt in seinem jüngsten "Fiscal Monitor" unter dem Titel „Taxing Times"  eine „Schulden-Steuer“ in Höhe von 10 Prozent auf die Ersparnisse von Bürgern der Eurozone vor. Was würde eine solche Schuldensteuer für ein offenes Europa bedeuten?

Pieter Cleppe: Diese Steuer würde erneut dazu führen, dass die Steuerzahler die Verluste tragen und nicht diejenigen, die die Risiken eingegangen sind und die Gewinne verbucht haben. Sie würde falsche Anreize setzen und wäre ungerecht. Darüber hinaus sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass es sich bei dieser Steuer zwar nur um eine Idee handelt, aber der IWF und die EU ja im Zuge der Eurokrise bereits einen Großteil der Lasten auf die Steuerzahler verlagert haben. So liegen 80 Prozent der griechischen Staatsschulden bei den Steuerzahlern Europas.

Wir sollten auch nicht vergessen, dass der derzeitige geldpolitische Aktionismus – die Erschaffung von Geld aus dem nichts in all ihren Spielarten, die wir in den USA und Europa beobachten – bereits mit einer erheblichen Geldentwertung einhergeht.  Dies gilt insbesondere für die Aktivitäten der amerikanischen Notenbank Federal Reserve. Ein anderer Blickwinkel ist, dass Konsumenten und Investoren von einer deflationären Preisentwicklung profitiert hätten. Fallende Preise hätten zu einer wirtschaftlichen Erholung beigetragen. Dies haben die Notenbanken verhindert, als sie die Geldbasis aufgepumpt habe  und diese nicht in dem Maße schrumpfen konnte, wie dies ohne Eingriffe der Notenbanken der Fall gewesen wäre.

FreieWelt.net: Der IWF sagt, es handele sich nur um einen Vorschlag, keine politische Forderung. Müssen wir das also nicht so ernst nehmen?

Pieter Cleppe: Da der IWF den Vorschlag in einem höchstoffiziellen Dokument vorgebracht hat, kann man sich zurecht Sorgen machen. Eine willkürliche Steuer ist ungerecht. Wenn Sparer ihre Einlagen im Zuge von bail-ins (Beiteiligung von Gläubigern zur Lösung von finanziellen Problemen eines Finanzinstituts – Red.) verlieren würden, wäre die Angelegenheit anders zu bewerten. Schließlich muss sich jeder selbst überlegen, wie er sein Geld anlegt.

FreieWelt.net: Wessen Interessen würde eine solche Steuer dienen? Wer würde davon am meisten profitieren? Wem würde sie am meisten schaden?

Pieter Cleppe: Diese Steuer würde insbesondere vorsichtigen Anlegern schaden, die an den Problemen die geringste Schuld tragen. Freuen würden vor allem diejenigen, die große Risiken eingehen und dann von der „Solidarität“ der Allgemeinheit profitieren.

FreieWelt.net: In Deutschland haben sich zwei SPD-Finanzminister ebenfalls für eine "einmalige Vermögensabgabe" von 10 % ausgesprochen. Warum häufen sich solche Vorschläge gerade jetzt?

Pieter Cleppe: Eine Vermögensabgabe ist traditionelles sozialistisches Gedankengut. Jeder Vorwand kommt den Akteuren gelegen, um sie aus der Mottenkiste hervorzukramen. Krisenzeiten bieten ihnen eine besonders gute Gelegenheit, um ihre alte Agenda voranzutreiben.

FreieWelt.net: Was würden Sie Bürgern raten, die sich gegen eine solche Steuer wehren wollen?

Pieter Cleppe: Wer sich schützen will, muss sein Vermögen aus dem Bankensektor abziehen. Er sollte in Immobilien, Firmenbeteiligungen, Edelmetalle oder sogar in neuen „elektronischen“ Spielarten wie bitcoins investieren. Einige dieser Anlagemöglichkeiten sind äußerst riskant, aber wer sich schützen will, muss höhere Risiken einzugehen. Insbesondere die Armen haben hier schlechte Karten. Sie würde die Schuldensteuer am härtesten treffen, denn umso ärmer man ist, umso weniger kann man sich gegen eine Zwangsenteignung des Sparkontos zur Wehr zu setzen.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: reiner tiroch

Gedankengang!
der IWF will sofortiges Bargeldverbot und 10% von jedem. es ist nur 10% geld im Umlauf. alles Klar?

Gravatar: Freigeist

Schon wieder so ein hauptberuflicher Nachdenker. Haben wir davon nicht schon genug?
Hat er sonst keine Arbeit gefunden?

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