Volker Wissing Vorsitzender des Bundestags-Finanzausschusses

"Niedrigere Steuern stimulieren die Konjunktur" - Interview mit Volker Wissing

Während Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kurzfristigen Änderungen des Steuersystems eine Absage erteilt halt, hält der Koalitionspartner FDP an dieser Forderung fest.  Vor allem soll die kalte Progression bei der Einkommensteuer abgebaut werden.  Auch die Ausgaben des Staates sollten zurückgeführt werden.  Diese Maßnahmen würden die Konjunktur stimulieren, Arbeitsplätze schaffen und so Aufschwung und Schuldenabbau ermöglichen, meint der Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags und finanzpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Dr. Volker Wissing, im Interview mit FreieWelt.net.

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FreieWelt.net:  Die FDP will die kalte Progression bei der Einkommensteuer abbauen.  Warum aber sollte ein millionenschwerer Manager nicht einen höheren Prozentsatz seines Einkommens abführen als beispielsweise eine Krankenschwester?  Ihm bleibt schließlich dennoch ein weit höheres Einkommen und er profitiert auch von ihrer Arbeit.
   
Volker Wissing: Die kalte Progression beschreibt den Effekt, dass aufgrund des linear-progressiven Tarifverlaufs ein höheres Einkommen auch zu höheren Steuern führt. Das heißt, dass die Lohnerhöhung quasi mit einer Steuermehrbelastung einhergeht. Bei der Bekämpfung der kalten Progression geht es nicht um eine Steuersenkung, es geht darum, das Steuersystem so zu gestalten, dass eine Lohnerhöhung zunächst einmal vor allem den Beschäftigten und nicht dem Finanzminister zugutekommt. Andere Länder haben in ihrem Einkommenssteuersystem, etwa über einen automatischen Inflationsausgleich oder eine flexible Tarifgestaltung, Vorkehrungen getroffen, um diesen Effekt zu umgehen. Das sollte auch in Deutschland möglich sein.
   
FreieWelt.net:  Gleichzeitig belastet aber die soeben von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Gesundheitsreform durch die höheren Beiträge die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen. Warum wird der Mittelstand nicht dort entlastet?
   
Volker Wissing: In Anbetracht des medizinischen Fortschritts sowie des demographischen Wandels werden auf das Gesundheitssystem langfristig und dann leider auch dauerhaft steigende Ausgaben zukommen. Da Eingriffe in den Leistungsumfang nur sehr begrenzt möglich sind, sind steigende Beiträge die Folge dieser Entwicklung. Die Bundesregierung hat mit der Einstieg in die Kopfpauschale erstmals die Weichen so gestellt, dass steigende Krankenversicherungsbeiträge nicht zwangsläufig höhere Lohnnebenkosten und damit mehr Arbeitslosigkeit bedeuten. Auch wenn diese Entlastung noch nicht beim Mittelstand angekommen ist, so wird sie bei diesem in Zukunft für deutlich geringere Belastungen sorgen.
   
FreieWelt.net:  Wo noch könnte der Staat Ausgaben einsparen?
   
Volker Wissing: Wirksame Sparmaßnahmen müssen an den größten Ausgabenposten ansetzen, das ist neben dem Haushalt für Arbeit und Soziales auch der Schuldendienst. Das Sparpaket der Bundesregierung hat diesem Sachverhalt Rechnung getragen, indem sie auch vor Kürzungen im Sozialbereich nicht zurückgeschreckt ist.  Wichtig ist, dass wir darauf achten, dass die Staatsverschuldung nicht weiter aus dem Ruder läuft. Wenn wir heute bereits Jahr für Jahr, den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern rund 40 Mrd. Euro abnehmen müssen, ohne dass damit irgendwelche Staatsleistungen finanziert, sondern lediglich die Forderungen der Finanzmärkte bedient werden, kann das unseren Staat in eine Legitimationskrise führen. Die Einhaltung der Schuldenbremse wird mittel- bis langfristig eine Reduktion der Staatsverschuldung mit sich bringen und den Haushalt entlasten.
   
FreieWelt.net: Niedrigere Steuern, weniger Ausgaben und trotzdem keine Verschlechterung der Infrastruktur. Ist das nicht unrealistisch?
   
Volker Wissing: Die Politik der Bundesregierung hat deutlich gezeigt, dass es möglich ist. Wir haben die Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes entlastet und damit einen wichtigen Impuls für die Konjunktur gesetzt, der zu einer höheren Beschäftigung, damit zu geringeren Sozialausgaben und sogar zu steigenden Steuereinnahmen geführt hat.
   
Weniger Ausgaben sind eine Voraussetzung dafür, dass die Steuern gesenkt werden. Niedrigere Steuern stimulieren die Konjunktur, schaffen damit Arbeitsplätze und führen im Endeffekt, wie der derzeitige Aufschwung beweist, sogar zu einem höheren Steueraufkommen. Es war und ist richtig, wofür die FDP in die letzte Bundestagswahl gezogen ist - und gewählt wurde.
   
FreieWelt.net:   Ab wann ist mit einer Umsetzung der FDP-Vorhaben zu rechnen?
   
Volker Wissing: Die FDP ist Teil einer Koalition und es ist der Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben, dass wir uns an vielen Stellen, wie z.B. in der Gemeindefinanzreform, ein energischeres Vorgehen des Finanzministers wünschen. Der Koalitionsvertrag bezieht sich auf den gesamten Zeitraum dieser Legislaturperiode. Ich hoffe sehr, dass es uns in diesem Zeitrahmen gelingen wird, die Weichen für eine steuerliche Entlastung und den Einstieg in eine Steuerreform zu stellen. Die FDP hat auf die Reform der Gewerbesteuer gedrängt, wir haben dafür gesorgt, dass die Überarbeitung der ermäßigten Umsatzsteuersätze auf der politischen Tagesordnung bleiben und wir werden auch in den anderen Punkten in der Koalition weiter Druck machen.

FreieWelt.net: Herr Dr. Wissing, herzlichen Dank für dieses Interview!


Das Interview führte Fabian Heinzel   

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Meistersinger

Steuern sind Eingriffe in die Freiheit -in das Eigentum, und das ist grundgesetzlich geschützt.

In Deutschland sind die meisten Bürger sich gar nicht bewußt, wie hoch die Steuern und Abgaben tatsächlich sind. Nehmen Sie also einmal an, die Steuern- und Abgabenlast sind 100 %. Dann verteilen die Staatsorgane diese 100 % auf mittelbare Erhebung und auf unmittelbare Erhebung (ESt, USt, GewSt, GrdSt, Sozialabgaben etc.) Der Bürger nimmt also nur die unmittelbaren Steuern und Abgaben war. Bereits Arbeitnehmer erleben diesen Eingriff. So beträgt die Steuer und Abgabenlast bei 2000 ¤ Brutto rund 32 %. Auf diese 2000 ¤ legt der Arbeitgeber noch einmal rund 500 ¤ (AG-SV-Beiträge) drauf, so daß 2.500 ¤ Lohn dem Arbeitnehmer lediglich 1362,00 ¤ = ca. 55 % bescheren. Weihnacht(en) (-sgelder) wird wieder ein Freudenfest für den Finanzminister. Unternehmern geht es nicht besser.

Aber wie hoch sind die mittelbaren Steuern und Abgaben. Sie liegen bei ca. noch einmal 40 % vom Einkommen. Also liegt die Gesamtbelastung an Steuern und Abgaben bei ca. 75 % bis 83 % des Einkommens (bezogen auf den Mittelstand).

Wo bleibt da eigentlich noch die Freiheit und das geschützte Eigentum? Eigentlich könnte man doch das gesamte Einkommen und Vermgöen dem Staat belassen und der Staat sorgt für den Bürger - so wie in China, der UdSSR und auch der DDR.

Dann arbeiten wir alle so ca. 6 Stunden täglich, haben 32 Tage Urlaub im Jahr und brauchen uns über Freiheit und Eigentum keine Sorgen mehr zu machen. Wir erkennen dann als Volk vielleicht das, was wir tatsächlich sind. Eine beliebig zu manipulierende Masse, die wie die Ameisen arbeiten und sich ständig erklären läßt, daß es nicht reicht. Man könnte das auch ketzerisch als Sklaverei bezeichnen.

Gravatar: Meier

Grundsätzlich ist es konjunkturbelebend, wenn die Steuern niedrig sind.
Darum verlegten viele Unternehmen ihren Steuersitz z.B. nach Irland und die wollen die Iren auch nicht durch höhere Steuern vergraulen.
Bei der Einkommensteuer ist ein linearer Verlauf sicherlich eine Entlastung für die Mehrheit der Steuerpflichtigen. Genau darum scheuten alle Finazminister davor zurück und machten "Galerietamtam" mit Spitzen- bzw. Reichensteuer. Nur, die Wohlhabenden, sie lassen sich nicht einsperren und abkassieren, denn die Grenzen sind offen und ihre Steuern in Ländern mit verhältnismäßig moderatem Steuersatz, mit samt ihrem Wohlstand willkommen.
Wenn man in der BRD, statt die wuchernde Staatsquote einzuschränken aber weiter politisch aus dem Vollen schöpfen will, nimmt man den Leuten Geld weg das ihnen im Konsum fehlt.
Allein die sofortige Abschaffung des EEG wäre ein zig Milliarden Konjunkturanschub, da die Zwangssubventionierung von Windrädern und Photovoltaiganlagen die Stromverbraucher entlasten würde.
Diese Entlastung käme vorallem denen zugute, die sich weder den "Hybrid vorm Haus" und den "subvetionierten Ferrarie auf dem Dach" als spekulatives Image-Zeitgeistschmankerl auf Kosten der ärmeren Nachbarn finanzieren lassen und in Dämstoff- und Ökofonds spekulieren können.
Aber gerade da ist die Politik ja in völliger Lobbyistenabhängigkeit dabei die Bevölkerung hinters Licht zu führen und auszunehmen.

Gravatar: Gladstone

Die USA und GB sind nicht wegen der Politik der 80er und 90er Jahren so marode, sondern wegen der Politik ab der Jahrtausendwende.

Gravatar: Freigeist

Die USA haben sich als Gesellschaft reihenweisen Steuersenkungen ruiniert. Dort fallen schon marode Brücken in sich zusammen. In Deutschland sollte man zuerst zu einer Steuervereinfachung kommen. Danach sollte man zwei Steuerjahre abwarten, bis die Veranlagungsdaten verfügbar sind und dann Steuersenkungen prüfen. Kein Mensch dieser Erdenwelt kann im Voraus korrekt errechnen, wie sich in der Praxis Steuervereinfachungen auswirken.
Ich hatte mit Abschlüssen zu tun und weiss genau, wovon ich schreibe.

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