Interview mit Sabrina P. Ramet

»Mit Miro Cerar geht Slowenien in eine gute Richtung«

In Slowenien ist bei der Wahl am letzten Sonntag überraschend Miro Cerar als Sieger hervorgegangen. Sabrina P. Ramet kennt ihn persönlich. Die Balkan-Expertin sagt: Er wird die Aufgabe meistern.

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FreieWelt.net: Die Partei Miro Cerars ist erst vor wenigen Monaten gegründet worden, hat aber bei der Wahl am Wochenende mit einem Drittel der Wählerstimmen ein sensationell gutes Ergebnis erzielt. Wie ist das zu erklären?

Sabrina P. Ramet: Wenn man bedenkt, dass Wähler in der jüngsten Zeit auch in anderen europäischen Ländern für neugegründete Parteien gestimmt haben – zum Beispiel die Piraten in Deutschland, die 2,2 Prozent bei der Wahl im September 2013 gewonnen haben –, ist das nicht so überraschend. In Slowenien haben außerdem zwei andere neue Parteien die Vier-Prozent-Hürde übersprungen: die Vereinigte Linke mit 6 Prozent und die neue Partei der bisherigen Regierungschefin Alenka Bratusek mit 4,5 Prozent. Noch überraschender ist vielleicht, dass die Slowenischen Demokraten (SDS), deren Vorsitzender Janez Janša im Gefängnis sitzt, immer noch 20 Prozent der Stimmen erhalten konnte.

FreieWelt.net: Mit welchem Programm beziehungsweise welchen Versprechungen hat die SMC um Stimmen geworben?

Sabrina P. Ramet: Die größten ökonomischen Probleme in Slowenien sind das Defizit, schwache Banken und die hohe Arbeitslosigkeit. Auch das Gesundheitssystem hat Probleme; es kommt beispielsweise zu langen Verzögerungen, bis man behandelt wird. Cerar hat angekündigt, dass hier seine Prioritäten liegen werden und dass er dabei die Ziele und Vorgaben der EU respektieren wird.

FreieWelt.net: Cerars Partei ist die Stranka Mira Cerarja (SMC). Ist sie etwa nach dem Parteichef benannt? Wenn ja, wäre das doch ungewöhnlich, oder?

Sabrina P. Ramet: Der Name der Partei soll – wie bei der Partei Janusz Palikot in Polen – die Integrität und Kompetenz Cerars unterstreichen. Ich selbst habe Cerar zwei Mal getroffen – das erste Mal vor ungefähr zwanzig Jahren, für eine lange Unterhaltung – und sehe ihn als einen Mann von hoher Integrität, der sehr kompetent ist. Mit einem Wort: Er ist ernst zu nehmen.

FreieWelt.net: Wo würden Sie die SMC auf dem Parteienspektrum verorten?

Sabrina P. Ramet: In der Mitte oder der linken Mitte.

FreieWelt.net: Vor welchen Herausforderungen steht Cerar jetzt und welche davon sollte er als erstes angehen?

Sabrina P. Ramet: Außer den ökonomischen Problemen und den Problemen im Gesundheitssystem sind zu erwähnen: erstens die Kontroversen in Verbindung mit neugegründeten privaten Universitäten und mit der Finanzierung der Universität Ljubljanas, zweitens die Sorgen bezüglich der Pensionen und drittens die Umweltpolitik.

FreieWelt.net: Von der oppositionellen SDS hört man, sie wolle die Parlamentsarbeit boykottieren, weil das Wahlergebnis nicht korrekt zustande gekommen sei. Wie stabil ist das slowenische politische System?

Sabrina P. Ramet: Das slowenische politische System ist während der ersten 14 oder 15 Jahre nach der ersten freien Wahl im Jahr 1990 immer stabil gewesen, wenn auch polarisiert. Die heutigen Probleme haben ihre Wurzeln in Korruption, Skandalen und einer schlechten Verwaltung. Ich bin überzeugt, dass sich Slowenien mit dem Sieg Miro Cerars in eine gute, bessere Richtung entwickelt.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Interview.

Sabrina P. Ramet ist Autorin des Buchs »Die drei Jugoslawien: Eine Geschichte der Staatsbildungen und ihre Probleme«, München: Oldenbourg-Verlag, 2011.

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