Carlos A. Gebauer Rechtsanwalt

Kindergartenpflicht und Politik - Interview Carlos A. Gebauer

FreieWelt.net sprach mit dem bekannten Duisburger Rechtsanwalt und Publizisten Carlos A. Gebauer über die geplante Einführung einer Kindergartenpflicht, die Wirksamkeit des Grundgesetzes und das Gutmenschentum der bürgerlichen Parteien.

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FreieWelt.net: Herr Gebauer, fallen Ihnen ein paar gute Argumente für die Einführung einer staatlichen Kindergartenpflicht in Deutschland ein?

Carlos A. Gebauer:
Nein. Nicht eins. Jedenfalls ist der oft bemühte "Schutzbedarf" des schwachen Kindes kein Argument für diesen weiteren staatlichen Zwang. Viele alte Menschen sind auch "schutzbedürftig". Führen wir deswegen eine staatliche Altersheimpflicht ein? Mein Eindruck ist eher: Der Gesetzgeber traut sich nicht zu, ein Gesetz zu formulieren, das die wirklich Hilfebedürftigen beim Namen nennt. Das wäre wahrscheinlich politisch völlig unkorrekt. Deswegen werden vorsorglich gleich alle in die Pflicht genommen, damit die richtigen jedenfalls dabei sind. Interessanterweise sagt das Bundesverfassungsgericht übrigens immer wieder, das "eine Massnahme, die im Verhältnis zu der Situation, der sie Herr werden will, tatsächlich und eindeutig unangemessen ist", nicht verfassungsgemäß ist (BVerfGE 70, 93 [97]; 62, 189 [192] und jüngst 2 BvR 941/08).

FreieWelt.net: Herr Gebauer, Sie sind Rechtsanwalt. Wenn wir es richtig sehen, wäre durch eine generelle gesetzliche Pflicht zum Kindergartenbesuch ein wichtiges Grundrecht verletzt, nämlich das Elternrecht auf Erziehung der Kinder in Artikel 6 des Grundgesetzes. Gibt es denn eine realistische Möglichkeit für die Befürworter der Kindergartenpflicht, diese grundgesetzliche Hürde zu umgehen?

Carlos A. Gebauer:
In Deutschland kann heute praktisch jedes Grundrecht in seiner Wirksamkeit auf Null reduziert werden. Auch das der elterlichen Erziehungsrechte (und -pflichten). Denn in unserer Verfassungsrhetorik haben wir uns tragischerweise angewöhnt, den sogenannten "überragenden Interessen des Allgemeinwohls" den Vorrang vor allem anderen einzuräumen. Wer diese "überragenden Allgemeinwohlinteressen" irgendwie populär definieren kann, kann alles durchsetzen. Der Trick ist immer derselbe: Man muss nur etwas finden, gegen das scheinbar niemand billigerweise etwas entgegnen kann. Dann rechtfertigt der Kampf gegen den Hunger in der Welt alle Militäreinsätze, der Kampf gegen den Terror jede Beschränkung der Persönlichkeitsrechte, der Kampf gegen Diskriminierung jeden Eingriff in private Entscheidungsfreiheiten, der Kampf gegen die Gier jede geldpolitische Maßnahme und zuletzt der Großeinsatz für das Weltklima jede Bewegungseinschränkung. Jeder, der leise Zweifel anmeldet, ist gleich Menschenverächter, Terrorunterstützer, Rassist, Drogenbaron und Geldwäscher oder Ökosau. Die Väter des Grundgesetzes hatten diese Gefahr des allzuständigen Staates übrigens gesehen und ausdrücklich verboten, Grundrechte in ihrem, wie sie es nannten, "Wesensgehalt" anzugreifen. Diese Schutzvorschrift läuft heute - offen gesagt - völlig leer. Verfassungsrechtlich bin ich Pessimist. Wer protestieren will, muss auf der Akzeptanzebene argumentieren.

FreieWelt.net: Gefordert wird die Kindergartenpflicht von der CDU und ansatzweise auch von der FDP. Was ist Ihrer Meinung nach der Grund dafür, dass sich gerade die "bürgerlichen Parteien" dafür stark machen?

Carlos A. Gebauer:
Die sogenannten bürgerlichen Parteien haben sich weitgehend in die argumentative Defesive drängen lassen. Sie meinen, mit ihrem legislativen Gutmenschentum den notorischen Umverteilern der politischen Gegenseite Paroli bieten zu müssen. Das ist natürlich völlig falsch. Es macht jede Unterscheidbarkeit kaputt. Der Wähler weiß nicht mehr, wer eigentlich wofür steht. Also kann er auch auch gar nicht "wählen", weil alles dasselbe ist. Aus "Duellen" werden "Duette", das ist symptomatisch für diese Angleichungsprozesse.
Der Wähler hat keine Wahl mehr zwischen den Parteien, die sich allesamt überbieten, ihm das Leben - angeblich - immer noch bequemer zu machen. Die Entlastung von der vermeintlichen Qual, Kinder betreuen zu müssen, ist scheinbar zu populär, als dass auch diese Parteien davon noch Astand halten wollten.

FreieWelt.net: Die Bestrebungen nach einer Kindergartenpflicht stehen nicht isoliert. Auch auf anderen Baustellen wird an der "staatlichen Lufthoheit über den Kinderbetten" und der Aushebelung der Elternrechte gearbeitet, ich nenne nur die Stichworte "Krippenplatzausbau" und "Kinderrechte in der Verfassung". Wie weit wird die Politik gehen?

Carlos A. Gebauer:
Die Politik wird so weit gehen, wie wir sie gehen lassen.

Das Interview führt Christoph Kramer

Foto: Carlos A. Gebauer

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