René Röspel Bundestagsabgeordneter (SPD)

Haushaltspolitik war richtig - Interview mit René Röspel (SPD)

René Röspel (SPD) ist seit 1998 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Hagen-Ennepe-Ruhr-Kreis. Der Vater von vier Kindern ist studierter Biologe. Er ist Vorsitzender des Ethik-Beirats des Deutschen Bundestages und stellvertretender Sprecher für Forschung der SPD-Fraktion. FreieWelt.Net sprach mit René Röspel über Steuern, soziale Sicherungssysteme und mögliche perspektiven der SPD nach der Bundestagswahl.

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FreieWelt.Net: Durch die Mehrwertsteuererhöhung in der Zeit der großen Koalition sind die Bürger stärker belastet worden. Viele Bürger fürchten weitere Belastungen nach der Bundestagswahl. Welche steuerliche Belastung halten Sie für akzeptabel und wo sehen sie die Grenze der steuerlichen Belastbarkeit – sowohl in Hinblick auf die oberen als auch auf die unteren Einkommen?

Röspel: Ich sehe in den nächsten (vielen) Jahren keinen Spielraum für Steuersenkungen. Hingegen brauchen wir sogar mehr Investitionen in Bildung und Forschung und für die Kommunen. Zudem befürchte ich, dass wir im Herbst eine deutliche Erhöhung der Arbeitslosenzahlen erleben werden. Dies wird auch den Bundeshaushalt und die Sozialkassen belasten (mal ganz abgesehen von den menschlichen Tragödien, die sich bei jedem Arbeitsplatzverlust abspielen). Wir müssen daher offen darüber diskutieren, wie wir diese Herausforderungen meistern können. Klar ist für mich: starke Schultern werden in Zukunft mehr tragen müssen. Die unteren Einkommen tragen bereits jetzt gerade bei den Sozialversicherungsabgaben große Lasten und sind oft auch existenzieller von der Krise betroffen. Deshalb setze ich mich für einen höheren Spitzensteuersatz bei höheren Einkommen und eine Erhöhung der Erbschaftssteuer ein. Der Bildungssoli der SPD ist ein richtiger Ansatz.

FreieWelt.Net: Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder wurden im Zuge der Agenda 2010 Schritte zur Sanierung der sozialen Sicherungssysteme unternommen. Franz Müntefering hat gegen große politische Widerstände die Rente mit 67 durchgesetzt. Stehen Sie zu diesen Reformen oder wollen Sie diese nach der Wahl zurücknehmen?

Röspel:
Ich glaube, dass mit dem Gesetz zur „Rente mit 67“ der zweite Schritt vor dem ersten gemacht worden ist. Viele werden in einigen Jahren länger arbeiten können als 65. Aber Voraussetzung für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit ist die Schaffung von Arbeitsbedingungen, die es älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern möglich macht, länger zu arbeiten. Arbeitsplätze müssen gesundheitsfördernd gestaltet sein, altersgerechte Arbeitszeitmodelle und der gleitende Übergang in den Ruhestand müssen weiter entwickelt werden. Der Schlüssel zu längerer Beschäftigung liegt in fortlaufender Weiterbildung der Beschäftigten. Erst wenn solche Stellschrauben aus den Bereichen Arbeitsschutz und Qualifizierung gedreht werden und am Arbeitsmarkt wirken, kann über Modelle nachgedacht werden, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Der Druck auf Veränderungen ist vom Gesetzgeber aus dem Gesamtsystem herausgenommen und auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konzentriert worden. Das halte ich für falsch. Die „Rente mit 67“ sollte daher ausgesetzt werden, bis oben genannte Bedingungen vorliegen.

FreieWelt.Net: Die Haushaltssanierung war ein Kernbestand der Politik von Finanzminister Peer Steinbrück. In Folge der Finanzkrise ist die Neuverschuldung jedoch enorm gestiegen. Sind Sie dafür, die Konsolidierungspolitik nach den Bundestagswahlen wieder aufzunehmen? Welche Sparmaßnahmen können auf der Ausgabenseite umgesetzt werden?

Röspel:
Die Haushaltspolitik meines Genossen Peer Steinbrück war richtig. Immerhin hätte es ohne die Finanzkrise 2011 einen ausgeglichenen Haushalt gegeben. Minister Steinbrück hat dabei aber auch gezeigt, dass Haushaltskonsolidierung nicht Einschnitte in Sozialausgaben bedeuten muss und trotzdem höhere Investitionen in Bildung und Forschung möglich sind. Genauso war es aber auch richtig, in der jetzigen Krise Geld in die Hand zu nehmen, um aus dieser wieder herauszukommen. Die Begrenzung und der Abbau der Staatsschulden muss nach der Finanzkrise wieder aufgenommen werden.

Wenn ich mir „meinen Haushalt“, als Forschungspolitiker ist dies der des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF); anschaue, dann würde ich gerne zum Beispiel auf die Kosten für die Stilllegung und den Rückbau kerntechnischer Versuchs- und Demonstrationsanlagen verzichten. Für den nächsten Haushaltsentwurf sind dafür 217 Millionen Euro pro Jahr eingeplant! Und diese Ausgaben werden noch mindestens bis in Jahr 2035 anfallen. Meiner Meinung nach sollte dies nicht der Staat, sondern die Atomindustrie bezahlen, zum Beispiel über eine Brennelementsteuer. Und so gibt es ins jedem Ressort Kürzungs- bzw. Refinanzierungsmöglichkeiten. (Am liebsten wäre mir übrigens eine Kürzung des Verteidigungshaushalts.)

FreieWelt.Net: Nach den bisherigen demoskopischen Erhebungen, sieht es so aus, dass eine SPD geführte Regierung nur mit einer Ampelkoalition oder einer Koalition mit der Linkspartei möglich wäre. Die Koalition mit der Linkspartei wird von der SPD kategorisch ausgeschlossen. Wo sehen Sie die politischen Gemeinsamkeiten einer Koalition aus SPD, Grünen und FDP? Wäre eine Ampel-Koalition aus ihrer Sicht die bessere Alternative gegenüber einer Großen Koalition?

Röspel:
Die Koalitionsfrage wird sich erst nach der Wahl stellen. Das ist die (für einige bittere) Erfahrung aus 2005. Dann werden in Gesprächen die Gemeinsamkeiten geprüft und Kompromisse geschlossen werden müssen. Wegen der Verweigerung der FDP war 2005 nur die Große Koalition möglich. Sie sollte eine Ausnahme bleiben. Aber gerade in einer Großen Koalition ist die Einigung auf gemeinsame Positionen sehr schwer. Mit jedem weiteren Partner wird auch der gemeinsame Nenner immer kleiner. Dreierkoalitionen mit so unterschiedlichen Partnern wie SPD, Grüne und FDP scheinen deshalb noch schwerer handhabbar zu sein.

Grundlegende inhaltliche Überschneidungen mit der FDP gibt es sicherlich im Bereich der Freiheits- und Bürgerechte. Bei allen anderen Bereichen würde es sehr schwierig werden. In meinem Arbeitsbereich, der Forschungspolitik, gibt es nur wenig inhaltliche Überschneidungen. Ob bei Stammzellforschung, Agro-Gentechnik, Nanotechnologie, Atomkraft oder Fusionsforschung, überall priorisieren wir als Sozialdemokraten anders als die FDP. Mit den Grünen gibt es hingegen in fast allen aufgezählten Bereichen große inhaltliche Übereinstimmung. Im Bereich Bildung sind die FDP- und SPD-Positionen noch weiter von einander entfernt als im Forschungsbereich. So will die FDP zum Beispiel das BAföG abschaffen. Dies ist mit der SPD nicht zu machen. Mit den Grünen haben wir in der gemeinsamen Koalition in diesem Bereich hingegen gut zusammen gearbeitet.

Unser Ziel ist und bleibt es wieder stärkste politische Kraft in Deutschland zu werden. Mein Wunschpartner bleiben die Grünen, weil nur mit ihnen das Projekt einer nachhaltigen Politik umgesetzt werden kann.

Zur Internet-Präsenz von René Röspel: Roespel.de

Das Interview führte Gerard Bökenkamp

Foto: Theo Hermann/ddp

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