Interview mit Birgit Kelle.
Mit Ihrem Blog-Beitrag „Dann mach doch die Bluse zu!“ sorgte die engagierte Publizistin und vierfache Mutter Birgit Kelle für ordentlichen Zündstoff. Nun hat sie mit einem mindestens ebenso feurigen Buch nachgelegt. Im Interview mit FreieWelt.net sprach sie über Sexismus, Emanzipation und Familienpolitik.
FreieWelt.net: Ihr erstes Buch „Dann mach doch die Bluse zu!“ ist soeben erschienen. Den Anstoß dafür gab Ihr gleichnamiger Online-Beitrag u.a. auf The European und FreieWelt.net, mit dem Sie die Sexismus-Debatte rund um Rainer Brüderles Dirndl-Gate entscheidend mitgeprägt haben. Frau Kelle, was ist uns von dieser Debatte neben einigen neuen Herrenwitzen geblieben?
Birgit Kelle: Die Erkenntnis, dass es besser gewesen wäre, wenn an diesem Abend George Clooney an dieser Bar gesessen hätte, dann wäre uns die Debatte vermutlich erspart geblieben. Denn geblieben ist vor allem Verwirrung. Bis heute habe ich niemanden gefunden, der mir Sexismus eindeutig definieren kann und genau da haben wir das Problem: Jede Frau empfindet es anders. Was die eine möglicherweise sogar sucht, ist der nächsten schon zu viel, oder es ist einfach nur der Falsche. Und nicht jeder missglückte Anmachspruch ist gleich Sexismus. Genau genommen ist es genauso sexistisch, jedem Mann gleich zu unterstellen, er habe niedere Motive, nur weil er sich einer Frau nicht in der Art nähert, wie sie es sich erwünscht hat. Oder auch nur, weil er es überhaupt tut. Mir haben unzählige Frauen nach meinem Artikel zur Sexismus-Debatte geschrieben, die mir Recht gaben. Die sich über Komplimente auch heute noch freuen können. Die kein Problem mit Männern haben und sich nicht ständig selbst als klein Opfermäuschen definieren wollen. Sie können also aufatmen meine Herren! Es waren ältere und jüngere Frauen dabei, Mütter, Singlefrauen, berufstätige und Hausfrauen. Selbstbewusste Frauen, die keine Sexismuspolizei an der Bar brauchen und wollen. Schlimm ist ja, dass die echten Fälle von Sexismus schon gar nicht mehr diskutiert werden, weil sie in einer Flut von Banalitäten untergegangen sind. Dafür muss jetzt jeder Mann täglich neu überlegen, ob er einer Kollegin noch ein Kompliment machen darf, oder ob er ihr damit schon zu nahe tritt. Ich kann das nicht als Erfolg verbuchen. Mir haben auch viele Männer geschrieben, die froh waren, dass eine Frau sie öffentlich aus der Sippenhaft entlassen hat, in die sie genommen wurden.
FreieWelt.net: Kristina Schröder brachte es mit dem Titel Ihres ersten Buches auf den Punkt: „Danke, emanzipiert sind wir selber.“ Auch Sie meinen, wir Frauen brauchen keine Gleichstellungspolitik, keine Quoten und keine Emanzipationsbewegung mehr. Was brauchen, was wollen wir Frauen dann?
Birgit Kelle: Dafür müssten Sie mir erstmal sagen, wer denn „die Frauen“ sind. Es gibt kein wir und so viele Meinungen, wie es Frauen gibt. Wir tun nur immer so, als gäbe es die eine richtige Frauenpolitik und das eine richtige Frauenleben. Das Frauenkollektiv ist tot, sollte es jemals existiert haben. Dennoch machen wir in Sachen Frauen- und Familienpolitik nur Einheitsbrei. Meine Interessen sind ganz andere, als beispielweise die einer Frau Schwarzer. Das ist einerseits legitim, zeigt aber auch das Dilemma. Ich stelle fest: Die Frauenbewegung ist einst angetreten, damit wir Frauen uns nicht mehr von den Männern vorschreiben lassen müssen, wie wir zu leben haben. Neuerdings schreiben uns aber andere Frauen vor, wie wir zu leben haben. Und Frauen wie ich, die freiwillig wegen Kindern auf Karriere und finanzielle Unabhängigkeit verzichten, sind in diesem Schema gescheiterte Existenzen. Ich find mein Leben aber großartig. Es sind jetzt also Frauen, die mich als Mutter und langjährige Hausfrau als „Heimchen am Herd“ beleidigen. Es sind Frauen, die mir vorwerfen, ich sei nicht emanzipiert, nur weil ich ihren Lebensentwurf nicht teile. Das ist keine Befreiung, sondern vom Regen in die Traufe. Insofern teile ich die Ansicht von Frau Schröder, dass ich keine Feministinnen brauche, die mir mein Leben erklären und auch keine Gleichstellungsbeauftragten, um meine Ehe zu regeln.
FreieWelt.net: Sie sagen, „niemand kann den Begriff Gender Mainstreaming in zwei vernünftigen Sätzen erklären". Bitte versuchen Sie es doch einmal für uns.
Birgit Kelle: Zwei Sätze sind ambitioniert bei einer derart wirren Ideologie. Aber gut, die Kurzversion: GM geht davon aus, dass unser biologisches Geschlecht völlig unabhängig ist von unserem sozialen, gefühlten Geschlecht – wir uns also aussuchen könnten als Entscheidung, ob wir nun ein Mann oder eine Frau sind und als was wir leben wollen. Es ist die alte Diskussion darüber, wie viel angeboren ist, wie viel anerzogen an dem, wie wir sind. Deswegen sind ja die Feministinnen so begeistert davon, weil sie ganz nach Simone de Beauvoir glauben, wir würden nur durch einseitige Erziehung zu Frauen gemacht, in diese Rolle gezwungen und nicht etwa als solche geboren. Das ist Blödsinn. Jeder, der Kinder hat, der Mädchen und Jungs großgezogen hat, weiß, dass es Dinge gibt, die einfach unterschiedlich sind und die Sie selbst, wenn Sie wollen, nicht verändern können.
FreieWelt.net: Aber was ist so bedrohlich daran?
Birgit Kelle: Bedrohlich ist an der Sache, dass wir neuerdings die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht mehr respektvoll hinnehmen, sondern versuchen zwanghaft zu verleugnen. Das ist dann keine Gleichstellung mehr, sondern Gleichmacherei. Wir versuchen also aus Jungs bessere Mädchen zu machen und versuchen Mädchen für Männerdomänen zu begeistern. Bei GM gibt es kein typisch männlich und kein typisch weiblich mehr, ist ja angeblich nur böswillig und unbedacht anerzogen. Wenn es uns Frauen nutzt, sind wir aber gerne typisch weiblich, selbst die Damen Feministinnen. Andauernd lobt man entsprechend die typisch weiblichen Eigenschaften, wenn es darum geht zu begründen, warum wir Frauen unbedingt mit Quotenhilfe in den Vorstandsetagen der Welt sitzen müssen. Und gleichzeitig spricht man Männern alle negativen aggressiven Eigenschaften zu, die selbstredend nur Männer haben, weil wir Frauen ja lauter sanftmütige Wesen sind. Wenn typisch weiblich uns schadet, soll es also weg, wenn typisch weiblich uns nutzt, nehmen wir es gern. Das ist das klassische Genderparadoxon, das man vermutlich nur nach mehreren Semestern Gender Studies versteht, dafür habe ich aber keine Zeit, ich muss mich um vier Kinder kümmern.
Frauen sind anders, Männer auch, das ist kein Problem, sondern großartig und macht im Übrigen ja auch den Reiz aus. Der durchgegenderte Einheitsmensch ist kein Glücksversprechen, sondern eine Horrorvision.
FreieWelt.net: Sie kritisieren in Ihrem Buch nicht nur die Frauenpolitik, sondern insbesondere auch die Familienpolitik. Was läuft hier verkehrt?
Birgit Kelle: Wir haben die Mehrheit aus den Augen verloren. Wir machen Politik für Alleinerziehende, für Regenbogenfamilien, für Geschiedene, für Patchworkfamilien – aber nicht mehr für die völlig intakte Familie aus Vater, Mutter und Kindern. Wenn Sie Zeitung lesen, könnten Sie meinen, wir lebten in einem Land von Familienversagern. Fakt ist: Über 80 Prozent aller Kinder wachsen in Deutschland bei ihren immer noch verheirateten eigenen Eltern auf. Und das in der Regel auch noch sehr gut. Diese Familien sind die Stütze der Gesellschaft, sie schaffen Stabilität, hier werden die meisten Kinder geboren, die der Staat ja händeringend braucht und will. Natürlich müssen wir uns um alle kümmern, auch um diejenigen, die anders leben wollen oder deren Familien auseinander brechen. Aber wir sollten dabei doch die Mehrheit nicht aus den Augen verlieren. Stattdessen schaffen wir kostenintensiv Familienersatzstücke: Tagesmutter statt Mama zu Hause, mehr Männer in Kitas statt Papa zu Hause, Mehrgenerationenhäuser anstatt Großfamilie, Spielgruppen statt Geschwister, Ernährungskurse statt heimischer Herd, Benimmunterricht in der Schule statt Erziehung, 24-Stunden-Kita statt ein Zuhause. Man sieht es doch, überall wo Familie wegbricht, müssen mühsam neue Strukturen geschaffen werden. Wir brauchen die Familie! Warum nur finanzieren wir ständig Surrogate, anstatt das Original zu fördern?
FreieWelt.net: In wenigen Wochen ist Bundestagswahl. Was sollte eine neue Regierung mit Blick auf die von Ihnen geäußerte Kritik an der aktuellen Frauen- und Familienpolitik als erstes tun? Was müsste geschehen, damit sich etwas ändert?
Birgit Kelle: Ich schlage vor, einfach mal alle unerledigten Bundesverfassungsurteile umzusetzen, die zur Unterstützung der ganz normalen Familien in Deutschland gefällt wurden, aber leider nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen. So etwa das Urteil, das dem Staat verbietet, das Existenzminimum von Kindern zu besteuern. Es ist 23 Jahre alt, nicht umgesetzt. Stattdessen zahlt man den Eltern ein Teil des widerrechtlich eingezogenen Geldes in Form von Kindergeld zurück und verkauft das auch noch als „Familienförderung“. Eine Frechheit. Oder das „Trümmerfrauenurteil“ aus dem Jahr 1992, das eine angemessene Berücksichtigung der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung forderte, weil es eine Benachteiligung der Familien sei, „wenn die Kindererziehung mit Einbußen bei der späteren Rente bezahlt wird, obwohl Kinder die Voraussetzung dafür sind, dass die Rentenversicherung überlebt“. Man sollte den Satz golden einrahmen. Allein wenn man das umsetzen würde, würde sich die finanzielle Situation von Müttern radikal ändern. Sie würden endlich dafür belohnt, dass sie Zeit in die Kindererziehung investiert haben. Bis heute werden sie aber dafür bestraft. Es ist eine Schande, dass wir es noch nicht einmal geschafft, dass den Frauen, die vor 1992 Kinder entbunden haben, gleich viel Rente ausgezahlt wird, wie den Frauen, die später entbunden haben.
Auf der unerledigten Liste steht auch nach wie vor das „Kinderbetreuungsurteil“ aus dem Jahr 1998 das den Familien nicht nur die Wahlfreiheit bei der Ausgestaltung ihres Familienlebens zusicherte, sondern den Staat dazu verpflichtete, alle Entscheidung der Eltern „in ihren tatsächlichen Voraussetzungen“ zu fördern. Umgesetzt würde es bedeuten, der Staat dürfte gar nicht mehr einseitig nur noch die Krippenpolitik subventionieren, er müsste in gleicher Höhe jede Familie unterstützen – also ein Betreuungsgeld auszahlen, dass den Kosten eines Krippenplatzes entspricht – derzeit im Schnitt 1.200 Euro im Monat pro Kind. Umgesetzt: Nein. Stattdessen speist man die Eltern mit 150 Euro ab.
Gebt den Familien endlich, was ihnen zusteht – lasst ihnen die Freiheit und das Geld, um ihr Leben selbst zu organisieren – mehr will ich gar nicht.
FreieWelt.net: Herzlichen Dank für das Gespräch!
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
GM spielt im realen Leben keine Rolle. Dort stehen andere Probleme an, die gelöst werden müssen. Persönlich lasse ich mir von ein paar Links-Grünen nicht vorschreiben, wie ich mich gegenüber dem anderen Geschlecht zu verhalten habe. Zieht eine Frau beispielsweise enge Hosen bei einer guten Figur an, muß sie mit Blicken und Komplimenten rechnen. Ebenso unpassend angezogene Frauen mit Kritik. Auch sind die Rollen von Männer und Frauen aus biologischen Gründen ganz klar verteilt. Bestimmte Aufgaben können Männer besser lösen, andere Frauen besser. Dies wurde z.B. gut am Girlsday ersichtlich, der auf ganzer Linie gescheitert ist. Er trug nicht wie erhofft von Links-Grünen dazu bei, mehr Frauen für technische Berufe zu interessieren.