Interview mit Peter Vlemmix

»Euromania« in Brüssel

Im Interview spricht der holländische Filmmacher Peter Vlemmix über seinen Film »Euromania«. Vlemmix sieht in der EU einen schädlichen, undemokratischen Apparat, der vor allem Großkonzernen nützt.

Veröffentlicht:
von

FreieWelt.net: Wie kamen Sie auf die Idee, eine EU-kritische Dokumentation zu produzieren?

Vlemmix: Mir ist immer mehr aufgefallen, dass sich die EU in Angelegenheiten meiner Stadt und meines Landes einmischt; und mehr noch zu diesen Angelegenheiten Regeln und Gesetze erlässt. Sie mischt sich in die niederländische Energiepolitik und in unser Strafrecht ein. Vergangene Woche hat Brüssel uns verboten, unsere eigenen Wahlergebnisse auszuzählen  - wir mussten bis Sonntag warten. Diese Entwicklung stelle ich in Frage und als Filmmacher ist es meine Aufgabe, Antworten zu suchen. Daher habe ich mich zu diesem Projekt entschlossen.

FreieWelt.net: Kritiker der EU werden schnell als Nationalisten diskreditiert. Andererseits kritisieren Nationalisten tatsächlich meist die EU. Wo ordnen Sie sich ein? Sind Sie Nationalist?

Vlemmix: Viele Mörder verwenden Messer. Doch ist jeder, der ein Messer besitzt, deshalb ein Mörder? Nein, ich bin kein Nationalist, kein Faschist und kein Populist! Was ich bin, ist überrascht. Ich bin überrascht von dem Heiligenschein, der die EU umgibt, von der Idee, dass es die EU sei, die für uns Frieden, Stabilität und Demokratie schafft, wie es das Nobelpreiskomitee behauptet hat. Wenn sie sich intensiv mit der EU auseinandersetzen, wie ich es in den letzten achtzehn Monaten getan habe, erkennen sie, wie wenig die Realität in der EU mit diesen Idealen zu tun hat. Derzeit ist die EU ein ständig expandierendes, weitgehend undemokratisches Gebilde, das den Großkonzernen nützt, und eine gescheiterte gemeinsame Währung.

youtu.be/cO4Ayo4mYZg

FreieWelt.net: Und es wachsen viele junge Menschen im Glauben an diese Ideale auf: In dem Glauben, dass Freiheit, Frieden, offene Grenzen und freier Handel großartige Errungenschaften eines geeinten Europas sind. Schließlich wird ein scheinbar anonymer Apparat in Brüssel mit diesen Errungenschaften verknüpft und behauptet, ihm sei für diese Segnungen zu danken. Da stellt sich die Frage, wie viel Brüssel tatsächlich damit zu tun hat?

Vlemmix: Lassen sie uns diese Errungenschaften Stück für Stück durchgehen. Offene Grenzen: wenn Sie als Afrikaner versuchen, nach Europa einzureisen, werden sie feststellen, wie offen die Grenzen sind. Zugegeben, Bürger der Mitgliedsstaaten können ein wenig bequemer innerhalb der EU reisen, doch dies steht in keinem Verhältnis zu dem Preis, den wir dafür zahlen. Wir haben unsere Souveränität größtenteils verloren. Wir sind nicht mehr in der Lage, unsere eigenen Länder zu regieren.  Frieden: Der Frieden in Europa hat nichts mit der EU zu tun. Das ist ein Mythos. Die Nato ist für den Frieden in Europa sehr viel wichtiger als die EU. Wir erfreuen uns des Friedens, oder besser der Abwesenheit von Kriegen – auch wenn es hier und da welche gab – weil die Amerikaner uns beschützen.  Freiheit. Welche Freiheit? Für mich ist das Neusprech. Ich weiß nicht, was gemeint ist.  Freihandel: Ein weiterer Mythos. Wir müssen uns nicht in einen gemeinsamen Harnisch zwängen, um miteinander Geschäfte zu machen. Wir könnten ohne weiteres als souveräne Staaten, Handelsabkommen schließen. Die Schweiz fährt mit ihren bilateralen Handelsabkommen besser, als jedes Land in der EU.

FreieWelt.net: Sie behaupten, die EU leide unter einem Demokratiedefizit, aber das EU-Parlament wird gewählt, und die Mitglieder der EU-Kommission werden von gewählten Regierungen ernannt. Wie kann man hier von einem Demokratiedefizit sprechen?

Vlemmix: Das EU-Parlament ist mit Abstand das schwächste Regierungsorgan in Brüssel. Es kann die EU-Kommission weder ernennen, noch absetzen. Es kann keine Gesetze einbringen. Es fehlt ihm oft an Zugang zu wichtigen Dokumenten und es hat kein Recht, Untersuchungsausschusse einzuberufen. Was die EU-Kommission angeht: Das unsere Regierungen einen Großteil ihrer Kompetenzen an eine neue Institution abtreten und dann Personen ernennen, um sie zu leiten, ist tatsächlich nicht weniger als ein Bruch des Gesellschaftsvertrages. Da wird eine neue Herrscherklasse installiert, die sich um eine öffentliche Kontrolle nicht sorgen muss. Dies ist unter keinen Umständen demokratisch.

FreieWelt.net: Die Mehrzahl aller in Deutschland verabschiedeten Gesetze kommt, wie auch bei anderen EU-Staaten, aus Brüssel. Der »Otto Normalverbraucher« hat oft keine Ahnung, wer diese Gesetze eigentlich schreibt. Was haben Sie im Zuge ihrer Recherchen über die Menschen gelernt, die die EU-Gesetzgebung leiten?  

Vlemmix: Nicht viel, da mein Fokus ein anderer war. Ich habe mich nicht damit beschäftigt, wer die Gesetze und Verordnungen entwickelt, sondern welche Mechanismen diesem Prozess zugrunde liegen und wie die Konsequenzen aussehen.

FreieWelt.net:  Einer ihrer Erkenntnisse ist, dass die EU vor allem großen Konzernen und dem Lobbyismus nützt. Inwiefern?

Vlemmix: In Brüssel tummeln sich an einem normalen Arbeitstag 15.000 bis 30.000 Lobbyisten. Alle multinationalen Konzerne unterhalten dort Büros. Die machen das nicht zum Spaß sondern, weil es sich für sie auszahlt. Es gibt viele Bespiele für die Schlagkraft dieser Truppe. Es gibt Gesetze, die eins zu eins aus der Feder von Lobbyisten stammen. Man beobachtet Lobbyisten, die zur EU-Kommission wechseln und Kommissionmitglieder unter die Lobbyisten gehen. In Brüssel geht es zu wie bei einer Drehtür. Bestimmte Dinge sind nur in Brüssel möglich. So werden strengere Regeln gegen Lobbyismus  verhindert. In der Arbeitsgruppe, die neue Bankenregeln entwickelt, um zu verhindern, dass Banken weiterhin gigantische Risiken mit hochspekulativen Produkten eingehen, sitzen Vertreter von Goldman Sachs der Deutschen Bank. Man kann sich denken, wie viel diese Arbeitsgruppe am System des Kasinokapitalismus ändern will, nämlich nichts.

FreieWelt.net:  Um zum Schluss zu kommen: was ist ihre Vision für Europa und welche Rolle spielt die EU darin?

Vlemmix: Ich hoffe inständig auf eine Rückkehr des gesunden Menschenverstandes. Wenn es nach mir ginge, würden wir die EU noch heute auflösen. Denn wir brauchen sie nicht. Derzeit richtet die EU sehr viel mehr Schaden an, als dass sie Nutzen stiftet.

FreieWelt.net: Wie danken für das Gespräch. 

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang