FreieWelt.net: Sie waren elf Jahre lang Pressesprecher des deutschen Zweiges von KIRCHE IN NOT. Welche Erfahrungen aus dieser Zeit haben Sie besonders beeindruckt?
Michael Ragg: Tapfere Ordensfrauen, die sich in Rio oder Sao Paolo um Viertel kümmern, in die sich schon lange keine Polizei mehr hinein traut; ein alter chinesischer Priester, der nach zwanzig Jahren Schlägen und Hunger in Maos Gulag als heiterer, warmherziger Diener Gottes den Menschen das Antlitz Christi zeigt; eine Rentnerin aus Berlin, die sich nicht damit abfinden will, dass im Zentrum der Hauptstadt eine katholische Kirche aufgegeben wird; viele einfache Menschen, die sich von dem Päckchen, das sie selbst zu tragen haben, nicht abhalten lassen, Päckchen für andere zu packen, denen es schlechter geht.
Generell ist meine Erfahrung, dass wir im deutschen Sprachraum immer noch auf einer Insel der Seligen leben und ganz zu Unrecht glauben, wir könnten diesen Status durch moralische Beliebigkeit und ohne entschiedenen Einsatz für unsere Werte aufrechterhalten.
FreieWelt.net: Wo ist die Not der Kirche am Größten?
Michael Ragg: Geistlich gesehen ist die Not am größten in Westeuropa, wo längst unterhöhlte Strukturen verdecken, dass Klerus und Gläubige noch nicht entfernt auf die kommende Auseinandersetzung um die Zukunft des christlich geprägten Europas vorbereitet sind. Dabei brauchte es ja hier nur etwas mehr gesundes Selbstbewusstsein und Zivilcourage, um denen Rückhalt zu geben, die unseren Nachkommen eine lebenswerte Welt erhalten wollen. Anderswo leidet die Kirche unter Verfolgung, am schlimmsten in Nordkorea und in
Saudi-Arabien. Die meisten Todesopfer sind derzeit wohl im Norden Nigerias zu beklagen.
In China erleben wir gerade, wie aus den Opfern Zigtausender Märtyrer das Christentum
kraftvoll aufersteht – stärker denn je in der chinesischen Geschichte. Dort ist für mich derzeit der Ort der größten Hoffnung für die Kirche.
FreieWelt.net: Was hat Sie bewogen, sich mit der Domspatz-Agentur für Öffentlichkeitsarbeit selbstständig zu machen?
Michael Ragg: Der Wunsch, noch freier zu sein, um meine Kenntnisse, Erfahrungen und Beziehungen
dort einzusetzen, wo es nottut.
FreieWelt.net: In welcher Form beeinflusst Ihr christlicher Glaube Ihr unternehmerisches Handeln?
Michael Ragg: Mein Glaube gibt mir den Maßstab, zu entscheiden, welche Projekte mein Unternehmen vorrangig anpacken soll: Wert-volles zu tun ist wichtiger als die materielle Werte anzuhäufen. Das aus Erfahrung gewonnene Vertrauen in Gottes Nähe und Führung gibt mir Gelassenheit und den Mut, neue Wege zu gehen. Bei Rückschlägen vertraue ich erst recht auf Gottes Führung und versuche, den Sinn hinter allem zu entdecken.
Michael Ragg bei Kathpedia.com
Das Interview führte Fabian Heinzel
(Foto: Michael Ragg/kathpedia.com )
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