Dr. Thomas Gebhart CDU-Bundestagsabgeordneter

»Direkte Demokratie wirkt bremsend«

Interview mit Dr. Thomas Gebhart, CDU-MdB

Dr. Thomas Gebhart hat seine Doktorarbeit zum Thema "Direkte Demokratie und Umweltpolitik in der Schweiz" verfasst. Im Interview mit FreieWelt.net erläutert der CDU-Bundestagsabgeordnete, warum sich direktdemokratische Elemente bremsend auf den politischen Prozess auswirken. Dabei lässt er offen, ob er selbst deren Einführung auf Bundesebene unterstützen würde.

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FreieWelt.net: Dr. Gebhart, können Sie die zentralen Ergebnisse Ihrer Doktorarbeit für unsere Leser einmal zusammenfassend darlegen?

Dr. Thomas Gebhart: Ich habe untersucht, wie sich direktdemokratische Verfahren auf politische Entscheidungen in der Schweiz auswirken und was es bedeuten könnte, wenn man direktdemokratische Elemente auch in Deutschland auf Bundesebene einführen würde. Eine erste zentrale Einsicht lautet, dass unterschiedliche direktdemokratische Verfahren auch unterschiedliche Wirkungen entfalten. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob eine Volksinitiative oder ein obligatorisches Verfassungsreferendum eingeführt wird. Referenden haben zum Beispiel eher eine bremsende Wirkung. Die eigentliche Wirkung des Referendums liegt in dessen mittelbaren Auswirkungen, genauer: in dessen Antizipation durch die politischen Akteure der repräsentativen Demokratie. Parlamentsvorlagen können nur in Kraft treten, wenn das Volk von seiner Vetomöglichkeit keinen Gebrauch macht. Die Einrichtung des fakultativen Referendums hat also ein großes Moment an Unsicherheit in den parlamentarischen Gesetzgebungsprozess gebracht. Aufgrund dieser Eigenschaft hat die Institution des fakultativen Referendums den politischen Entscheidungsprozess grundlegend verändert und wesentlich zur Herausbildung eines Konkordanzsystems beigetragen.

FreieWelt.net: Welche politischen Schlußfolgerungen für Deutschland haben Sie aus diesen Ergebnissen gezogen?

Dr. Thomas Gebhart: Die Einführung direktdemokratischer Elemente wäre für Deutschland eine weitreichende Weichenstellung. Mit tiefgreifenden Folgen für den politischen Prozess und seine Ergebnisse. Es bestünde die Gefahr, dass beispielsweise Volksinitiativen zum Spielball in den Händen der Opposition würden, darauf gerichtet, Entscheidungen der Regierung zu kippen. Eine Politik der kleinen Schritte wäre die Folge. Referenden hätten höchstwahrscheinlich ebenfalls eine bremsende Wirkung auf den politischen Prozess. Die Frage ist, ob man dies politisch möchte.

FreieWelt.net: Auf Ihrer website behaupten Sie, der Kampf der Menschen in der DDR für Freiheit und Demokratie sei für Sie der ausschlaggebende Antrieb gewesen, sich politisch zu engagieren. Inzwischen werden immer mehr Stimmen laut, welche die Bundesrepublik in der Tradition von Arnulf Barings Analyse von 2002 auf dem Weg in eine „DDR light“ sehen. Brauchen wir einen neuen Kampf für Freiheit und Demokratie?

Dr. Thomas Gebhart: Es hat mich tief beeindruckt, wie die Menschen in der DDR für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind. Wir sollten uns immer wieder klar machen, dass die Demokratie ein kostbares Gut ist. Daher gilt es, immer wieder die Bürgerinnen und Bürger zu ermuntern, sich für die Demokratie zu engagieren. Dass wir auf dem Weg in eine DDR light sind, sehe ich nicht.

FreieWelt.net: Seit Ihrer Promotion im Jahr 2002 zieht sich die Beschäftigung mit Umwelt- und Klimapolitik durch Ihre politische Karriere. Warum widmen Sie sich gerade diesem „grünen“ Politikfeld so intensiv und was sind hier Ihre langfristigen Ziele?

Dr. Thomas Gebhart: Die Umwelt- und Klimapolitik ist mir als Christdemokrat ein Kernanliegen. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung und darum, Ökonomie und Ökologie miteinander in Einklang zu bringen. Ich möchte eine nachhaltige Politik, die sowohl die wirtschaftlichen Chancen im Blick hat als auch künftigen Generationen eine intakte Umwelt hinterlässt.

FreieWelt.net: Sie haben auf eine Frage zu EU-Referenden auf Abgeordneten-Check.de folgendes geantwortet: „Ich kann mir dann eine Einführung von Referenden in EU-Angelegenheiten vorstellen, sofern es um die Übertragung von Souveränitätsrechten auf die europäische Ebene geht. Die Einführung des Euro wäre eine solche Übertragung von Souveränitätsrechten gewesen.“ Warum ist ein solches Referendum bei der Euro-Einführung eigentlich unterblieben? Und wann wäre es angesichts weiterer Souveränitätsübertragungen Ihrer Meinung nach an der Zeit, das Versäumte nachzuholen und die Bürger zu beteiligen?

Dr. Thomas Gebhart: Eine solche Volksabstimmung hat es nicht gegeben, da sie unser Grundgesetz nicht vorsieht. Man müsste grundsätzlich entscheiden, unsere Verfassung zu ändern und für solche zukünftigen Fälle eine Abstimmung des Volkes vorzuschreiben.

 

Das Interview führte Christoph Kramer

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Studer Ralph

Ich bin selber Schweizer und muss, verzeihen Sie einfach sagen, dass Herr Gebhard die Demokratie in ihrem wirklichen Sinne nicht versteht. Mit Demokratie im wirklichen Sinne meine ich eine Demokratie, bei der das Volk aktiv mitwirken kann und nicht einfach Personen für vier Jahre ein Mandat erhalten und diese dann schalten und walten können, wie sie wollen.
Volksinitiativen wirken reformierend, sind eine unentbehrliche Einfluss- und Mitsprachemöglichkeit des Volkes, welches auf Anliegen der Volksseele aufmerksam macht, welche die Politiker manchmal einfach vernachlässigen.
Ein Referendum hat eine bremsende Wirkung, ist aber auch eine wirksame Kontrolle gegenüber dem Parlament, das Gesetze beschliessen kann, deren Stossrichtung vom Volk gar nicht geteilt wird. Lassen wir diese bremsende Wirkung mal in einem anderen Licht sehen: Sie bewahrt die Schweiz auch vor überstürzten Handlungen und unvorsichtigen Massnahmen und die Politiker müssen sich bewusst sein, dass das Volk ihnen auf die Finger schaut und mittels Referendum ein Gesetz zu Fall bringen kann. Ist daran etwas falsch?

Ich frage mich immer wieder auch nach diesem Interview: Haben die Politiker Angst vor dem Volk? Wollen die Politiker ihre Meinung einfach durchsetzen unabhängig von der Volksmeinung? Es ist Zeit, endlich wieder über wirkliche und nicht nur Pseudo-Demokratien zu sprechen....

Gravatar: Georges

Klar wirkt direkte Demokratie bremsend: sie bremst das aus was Politiker wollen aber das Volk NICHT will und bringt das vorran was das Volk will und die Politiker nicht wollen. Da müssten doe Herrschaften sich ja auch überlegen ob die Wahlkampfversprechen auch noch nach der Wahl haltbar sind.

Gravatar: jürgen keßner

Natürlich will die Alternativlos gesteuerte Koalition und d. anderen Politkomiker keine direkte Demokratie. Sie würden dann alle ihre Finanziers verlieren. Keine Parteispenden, keine Lobbyisten Geschenke, keine Kostenlosen Annehmlichkeiten usw........ Und ein Volk, das auf Wahrheiten pocht und auf Nachweis f. d. Nutzen fürs Volk usw...All diese Demokratischen Werte wurden und werden uns immer mehr entzogen
Also alle Formen der " Direkten Demokratie " unterstützen, wo es nur geht. Die ehem. DDR-BÜRGER HABEN GEZEIGT WIE ES GEHT. !!!!!

Gravatar: Erhard

Man sollte sich doch mal das Lebensniveau der Schweizer direkt anschauen. Hier bestehen doch auf basisdemokratischem Weg enorme positive Unterschiede zu Deutschland. Und das wird einfach in diesem Artikel negiert. M.E. besteht doch einzig nur die Gefahr, dass mittelmäßige Politiker durch Verluste Ihrer Lobbyarbeit (das ist m.E. nur eine schöne Umschreibung für Korruption) viel Geld verlieren würden. Manch ein "Politiker" müsste dann wohl endlich wieder arbeiten gehen. das wäre uns allen zu wünschen!

Gravatar: W.N. Muenchen

In vielen Bereichen befinden wir uns bereits in einer "DDR medium". Längst wird ein zäher, fintenreicher Kampf geführt, den maximalen Sozialismus über ein EU-Zentralkomitee durch die Hintertür in Europa einzuführen. Die zahlreichen entstandenen Bürgerrechtsbewegungen gehören zu den Para-llelen der DDR-Endzeit. Auch die Ursachen sind ähnlich, wie etwa die Entfremdung und der Vertrauensschwund zwischen Bevölkerung und Politikern. Nicht zuletzt entstanden durch das intellektuelle und moralische Mittelmaß der „Volksver-treter“, das sich in allen Parteien festgesetzt hat. "Demokratie von unten“ bremst diese nur, ihre Länder in den Abgrund zu führen - das ist richtig -;aber sie können hinterher nicht mehr damit kommen::„Man hätte uns das sagen müssen“.
Herr Dr. Gebhart sollte sich besser mit der Frage befassen, warum seine CDU mit der „alternativlosen“ Kanzlerin trotz dürftiger Auswahl 12 Landtagswahlen in Folge verlor.

Gravatar: TutnichtszurSache

Das Beispiel S21 zeigt, dass auch die Befürworter von direkter Demokratie diese nicht akzeptieren, wenn damit Entscheidungen gegen ihre Interessen getroffen werden.

Ich komme aber immer mehr zur Überzeugung, dass der Entscheidungen am besten über Telefonvotings getroffen werden sollten. Die Gebühr von 0,49¤ je Anruf geht direkt in die Staatskassse.

Da hätte dann wenigstens auch mal die größte Randgruppe in Deutschland (das Volk) die Möglichkeit sich für kleines Geld eine Entscheidung zu kaufen. So eine Art Basislobbyismus.

Gravatar: Frank Martin

Man kann die politischen Fehler auch viel langsamer begehen und so viel Schaden verhüten. Direkte Demokratie kann dabei helfen, dem angemaßten Primat der Politik zu begegnen und so für eine Begrenzung der Macht sorgen. Herr Gebhart scheint diese Erfolgsgeschichte Europas nicht zu kennen.

Gravatar: Petra

Ist dieser CDU-Mann eigentlich ein Demokrat?

Gravatar: Klimax

Direkte Demokratie wirkt bremsend - wundervolle Einsicht, für die gar keine Doktorarbeit nötig gewesen wäre. DESWEGEN wollen wir sie ja! Politik und Politiker müssen gebremst werden. Unverzüglich! Denn Freiheit und Recht müssen endlich wieder atmen können.

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