Interview der Initiative Christenschutz mit Pater Linus Clovis

»Die Menschen brauchen Wahrheit und Führung«

P. Linus F. Clovis wurde 1950 in den West Indies als ältester von fünf Söhnen geboren. Er emigrierte 1960 nach Großbritannien, wo er Mathematik an der London University studierte und ein Diplom in Pädagogik absolvierte. Nach dem Studium in Rom in Theologie und Kanonischem Recht wurde er 1983 zum Priester geweiht. P. Clovis ist stark im Lebensschutz aktiv und ist bekannter Prediger und Sprecher. Seine Predigten sind auf YouTube zu finden und er hat mehrere CDs zu Glaubensinhalten herausgegeben.

Foto: Initiative Christenschutz
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Christenschutz (CS):  Könnten Sie uns ein wenig über Ihre Arbeit in der Evangelisierung berichten und über einige Herausforderungen?

P. Linus Clovis: Ich lebe in der Karibik auf der Insel St. Lucia, die einst eine katholische Bevölkerung von 95% aufwies. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es einen kontinuierlichen Rückgang. Das ist die Folge vieler Faktoren, vielleicht der größte Einzelfaktor war der amerikanische Einfluss in der Karibik während der 80er und 90er Jahre, als die Befreiungstheologie* verbreitet wurde und die amerikanische Regierung eine Menge protestantischer Sekten finanzierte, die kamen und im Grunde die Kirche in der ganzen Region destabilisierten, besonders in Südamerika, aber auch in Mittelamerika und natürlich in der Karibik. Wir hatten also diesen Zustrom von sehr, sehr antikatholischen Gruppen. Der Klerus war dahingehend das Problem, dass durch ihn viele befreiungstheologische Themen verbreitet wurden. „Black Power“ war im sozialen Bereich ein Problem. Sie führt zu einer Entfremdung des Menschen. Schlussendlich waren und sind das alles Faktoren, die den normalen Menschen, Ehemänner und Ehefrauen, die versuchen ihre Kinder großzuziehen und ein normales Leben zu führen beeinflussen.

CS: Welche Rolle spielt der Klerus in diesen Entwicklungen?

P. Linus Clovis: Ich bin in London aufgewachsen und ausgebildet. Also ich in die Karibik kam, erlebte ich einen Kulturschock, den man eher als „religiösen“ Schock bezeichnen könnte. Die Konflikte, die sich mit dem Klerus hier anbahnten – und zwar innerhalb von nur Wochen – waren erschreckend. Die Ehe sei eine europäische Erfindung, die der Welt aufgezwungen würde, um ein Beispiel zu nennen. Anfangs dachte ich, sie würden Witze machen, bis ich bald feststellen musste, dass sie es Erst meinten. Ich fand das geradezu lächerlich. Abes es war todernst.

Ihre Position, folgerichtig, war, die Ehe abzulehnen. Wir hatten demnach viele Paare, die unverheiratet zusammenlebten. Natürlich folgten eine Menge außerehelich geborener Kinder. Fehlende persönliche Treue. Die Probleme, die aus alledem resultieren, sind bekannt. Es gibt eine Menge Unzufriedenheit unter unseren Männern als Ergebnis. Und das kann ich mit einer gewissen Zuversicht sagen, denn meine erste Aussicht war, in einer Schule zu arbeiten, in der Jungenschule und der katholischen Jungenschule. Durch meine Arbeit in der Schule erkannte ich, dass die einzige Herangehensweise in dieser Sache eine gute Bildung sei. So habe ich in einer katholischen Schule gearbeitet.

CS: Haben Sie von ihrem Bischof Unterstützung in der Glaubensweitergabe und –Erziehung erlebt?

P. Linus Clovis: Der Erzbischof hier war sehr zurückhaltend, wenn es um die Weitergabe des katholischen Glaubens ging. Ich sagte ihm, dass die Kinder, die dort hinkommen, die Jugendlichen und ihre Eltern erwarten, dass ihnen der katholische Glaube beigebracht wird. Er erwiderte: nein, nein, sie kämen nur aus wirtschaftlichen Gründen. Und man bräuchte sich keine Sorgen zu machen. Also sagte ich, so funktioniert das nicht. Der katholische Glaube ist zentral und wichtig. Man kann nicht eine katholische Schule führen und das Christentum nicht lehren. Das war meine erste große Meinungsverschiedenheit mit ihm. Aber damals war ich naiv und ich nahm einfach an, dass alle Bischöfe einfach nur den Glauben verbreiten wollen – zumindest in ihren katholischen Schulen. Leider gibt es einen Mangel an klarem Glaubenszeugnis und die Bischöfe sind da ganz vorne mit dabei. Sie wollen lauwarm sein.

CS: Warum glauben Sie, dass es so ist?

P. Linus Clovis: Auf der ganzen Welt gibt es eine Resistenz gegen Wahrheit und Klarheit. Wir Prediger, aber auch die Medien und öffentliche Stimmen sprechen nicht klar. Alles ist ungenau und sentimental. Die Kirche macht da heutzutage mit. In ihrer ganzen Geschichte gab es immer klare Prediger, Glaubenszeugen und Heilige. Sie konnten diplomatisch sein, aber wussten, was die Wahrheit ist. Im ganzen Mischmasch heute scheint die Wahrheit keine Rolle zu spielen. Ist sie es wert, für sie zu kämpfen? Ich denke, dass ist die zentrale Frage der heutigen Zeit, in der wir leben: Was ist Wahrheit? Es spielt keine Rolle, was meine Wahrheit ist… die Wahrheit wird triumphieren.

CS: Christen verlassen sich auf ihre Bischöfe, um diese Wahrheit zu lehren und zu verbreiten. Was halten Sie davon?

P. Linus Clovis: Der „normale“ Christ – evangelisch oder katholisch – fühlt sich von seinen Hirten im Stich gelassen, glaube ich. Die Bischöfe sehen die Wölfe kommen, aber sie fordern sie nicht heraus. Entweder fliehen sie, schweigen, oder versuchen sogar, sich mit dem Wolf anzufreunden.

Ich gebe ihnen eine konkretes Beispiel: Als in der Karibik die Abtreibungsfrage heiß diskutiert wurde – was vorauszusehen war – hatte ich mich argumentativ und öffentlich darauf vorbereitet. Es hat ungefähr fünf Jahre gedauert, bis die Abtreibung eingeführt wurde. Aber was war geschehen? Alles wurde heimlich gemacht. Die Regierung hat es heimlich in das Strafgesetzbuch aufgenommen. Als ich davon Wind bekam, war ich wütend und meine unmittelbare Reaktion war, zu meinem Bischof zu gehen, um ihn um Rat zu fragen. Später fand ich heraus, dass der Erzbischof mit der Regierung unter einer Decke steckte. Er wusste davon. Er wusste, dass die perfide Strategie geplant war. Und er hatte zugestimmt, dass die Kirche nichts dazu sagen würde.

Ich ging zu ihm, um mit ihm gegen dieses Gesetz zu stimmen, aber musste dann feststellen, dass er nicht gegen dieses Gesetz kämpfen will, sondern sogar zugestimmt hat.

CS: Worauf soll man sich also als Christ verlassen können?

P. Linus Clovis: Auf unsere Hirten sicherlich nicht. Wenn man eine moralische Grundausbildung hat, dann kann man in der Lage sein, zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Die Mittel stehen einem zur Verfügung. Und wenn man regelmäßig von der Kanzel oder durch Hirtenbriefe Verstärkung bekommt, dann darf man sich freuen. Wenn nicht, dann muss man selber dafür kämpfen.  Wenn der Bischof ist, sehr gut! Wenn er nicht hilft: machen sie sich nichts daraus, das ist seine Sache.

CS: Also ohne Anführer kämpfen?

P. Linus Clovis: Nein, nicht ganz. Wir sind keine Inseln. Menschen brauchen Führung, weil wir in und für eine Gemeinschaft geboren sind. Und deshalb brauchen wir einen Anführer, jemand charismatisch ist und konstant. Was wirklich fehlt, ist ein charismatischer Leader, der das Evangelium verkündet. Es gibt schon einige davon, man muss sie nur ausfindig machen. Ich selber kenne einige. Die Grundlage ist das, was die Kirche immer gelehrt hat und die ganzen Beispiele aus der Geschichte, die wir kennen. Was hat sich geändert? Nichts. Menschen wollen die Wahrheit gelehrt bekommen und erkennen starke Führer. Sie wollen nicht in die Irre geführt werden. Lassen wir uns nicht einschüchtern.

CS: In der heutigen Situation, was sollen wir tun?

P. Linus Clovis: Wir leben in einer Welt der Angst. Die Menschen haben Angst. Wovor eigentlich? Sie können es selbst nicht sagen. Vor dem Tod? Ja, vielleicht. Wir alle sollten bi zu einem gewissen Grad Angst vor dem eigenen Tod haben. Auch vor dem Tod derjenigen, die uns nahestehen. Für viele ist der Tod nur theoretisch. Aber wenn jemand stirbt, der einem nahe steht, ist es nicht mehr theoretisch. Plötzlich ist man ein Teil davon. Und deshalb haben die Leute Angst.

Die Art und Weise, wie die Medien die Epidemie, die Pandemie dargestellt haben, ist von einer angstschürenden Art. Man wiederholt unentwegt, dass Tausende, Hunderttausende von Menschen in Krankenhäusern zu Tode ersticken und dass es nichts zu tun gibt, außer dem Impfstoff. Aber die Menschen, die in den Krankenhäusern liegen, sind isoliert. Sie sind alleine. Wie können sie und ihre Angehörigen den Tod also bewältigen?

Als wegen der Pandemie die Messen verboten wurden, habe ich kurzerhand meine Predigt (die letzte vor der Kirchenschließung) geändert. Ich fragte meine Gemeinde, ob es jemanden gäbe, der nicht sterben werde? Wer nicht sterben wird, hebe die Hand. Ich sagte: „Oh, also weiß jeder, dass er sterben wird? Sehr gut. Was macht es für einen Unterschied, ob man stirbt? Heute, nächste Woche, nächster Monat, nächstes Jahr, in 10 Jahren, was macht das für einen Unterschied?“ Ich sagte, solange wir das Leben Christi leben, wir leben im Leben des Glaubens, ist es egal, wann wir sterben, denn Gott ist mit uns und wir alle haben ein Verfallsdatum. Diese Hoffnung macht den Unterschied. Habt keine Angst. Ich konzentriere mich nur darauf: Habt keine Angst, es gibt nichts, wovor ihr euch fürchten müsst. Gott ist mit uns, wenn wir Christen sind, das müssen wir glauben.

CS: Pater Linus, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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