Sven von Storch Allianz für den Rechtsstaat e.V.

"Die Chance, die Wunde zu heilen" - Interview Sven von Storch

Sven von Storch ist Vorsitzender der Allianz für den Rechtsstaat e.V. Seit 1996 setzt sich die Organisation für die Aufklärung des Verfassungsbruchs 1990 und die Wiedergutmachung für die politisch Verfolgten 1945-49 ein. Michail Gorbatschow erklärte 1998 auf einer Veranstaltung der Allianz, es habe keine Vorbedingung für die Deutsche Einheit gegeben. FreieWelt.net sprach mit Sven von Storch über den schwarz-gelben Koalitionsvertrag, der eine Wiedergutmachungsregelung in Aussicht stellt.

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FreieWelt.net: Seit 1996 kämpfen Sie mit der Allianz für den Rechtsstaat e.V. und der Basis der politisch Verfolgten 1945-49 für die Wiedergutmachung und den Rechtsstaat. Wie beurteilen Sie das Ergebnis des Koalitionsvertrages, in dem eine Wiedergutmachung in Aussicht gestellt wird?

Sven von Storch: Wir haben, mit der Unterstützung unserer Basis, die FDP dazu gebracht, eine politische Lösung für die Opfer der so genannten Boden- und Industriereform in ihr Wahlprogramm aufzunehmen und diese auch im Koalitionsvertrag durchzusetzen. Das ist ein großer Erfolg der Allianz, für alle Betroffenen und den deutschen Rechtsstaat. Unser Ziel ist die Verabschiedung einer gerechten Wiedergutmachungsregelung durch den Bundestag. Mit der Aufnahme in den Koalitionsvertrag hat die Bundesregierung offen eingeräumt, dass Handlungsbedarf besteht. Nachdem bereits Michail Gorbatschow und Roman Herzog erklärt haben, dass es keine Sowjetische Vorbedingung für die deutsche Einheit gegeben hat, muss nun die deutsche Regierung offiziell anerkennen, dass es 1990 zum Verfassungsbruch (so die „Zeit“) kam.
 
FreieWelt.net:  Auf der Seite 101 des 124 Seiten langen Vertrages heißt es zu den Enteignungen in der SBZ (1945-49): "Wir werden eine Arbeitsgruppe bilden, die im Hinblick auf die Enteignungen 1945 bis 49 prüfen soll, ob es noch Möglichkeiten gibt, Grundstücke, die sich im Eigentum der öffentlichen Hand befinden, den Betroffenen zum bevorzugten Erwerb anzubieten.“ Ist damit das Ziel schon erreicht?

Sven von Storch: Damit haben wir nun die Grundlage, auf der wir politisch wie juristisch unsere Ziele umsetzen können. Die Bundesrepublik hat nun die Chance die Wunde des Verfassungsbruchs 1990 zu heilen. Gemeinsam mit unserer Basis wird sich die Allianz für den Rechtsstaat an der von der Regierung eingerichteten Arbeitsgruppe aktiv beteiligen, um unseren Beitrag zu einer gerechten Lösung zu leisten.

 

„Einnahmen für den Staat gab es bisher keine“

 

FreieWelt.net: Kann eine Wiedergutmachung dem Aufschwung Ost neue Impulse geben ?

Sven von Storch: Ja, schließlich sind die allermeisten politisch Verfolgten 1945-49 kleine und große Mittelständler, die gerade für den Aufbau Ost dringend notwendig wären. Außerdem hat sich die mit dem  Verkauf der Flächen beauftragte Bodenverwertungs und -verwaltungs GmbH(BVVG) in den vergangenen 20 Jahren lediglich selbst finanziert. Einnahmen für den Staat gab es bisher keine. Durch die Rückkaufsmöglichkeit und die Investitionen der politisch Verfolgten, werden Investitionen angestoßen und unternehmerisches know how sowohl im landwirtschaftlichen Bereich als auch in kleinen und mittelständischen Betrieben in die neuen Bundesländer gebracht. So können zusätzliche Arbeitsplätze und Steuereinnahmen geschaffen werden, wodurch der Staat und die Bürger durch Steuermehreinnahmen profitiert.

 

Schäuble : „25% ohne wenn und aber mit Haus und Hof“

 

FreieWelt.net: Die FDP will nach eigenem Bekunden in der Arbeitsgruppe ihren Bundesparteitagsbeschluss durchsetzen, wonach die politisch Verfolgten ihr Eigentum für 25 Prozent des Wertes zurück erwerben dürften. Allerdings hat die CDU in der Arbeitsgruppe Inneres und Recht gegen die 25-Prozent-Regelung Front gemacht und die Formulierung „bevorzugter Erwerb" durchgesetzt. Der CDU-Innenexperte Bosbach hat bereits geäußert, man habe „bei den Betroffenen damit sehr hohe Erwartungen geweckt, und ich bin nicht sicher, ob wir die alle erfüllen können.“ Das klingt, als wolle die Union bereits den Rückzug antreten?

Sven von Storch: Der Vorsitzende des Arbeitskreises Innen- und Rechtspolitik der FDP-Fraktion Dr. Max Stadler schlug im Namen der FDP die Anwendung der 25-Prozent-Regelung für die politisch Verfolgten 1945-49 vor. Die CDU schien zunächst sehr überrascht, dass die FDP das Thema Bodenreform in die Koalitionsverhandlungen eingebracht hat. Dabei war es immerhin Wolfgang Schäuble, der schon frühzeitig in einer kleinen Runde mit dem damaligen Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) und Otto Graf Lambsdorff (FDP) vorgeschlagen hat, „25% ohne wenn und aber mit Haus und Hof“. Daher verwundert es, wenn Herr Bosbach seinem Parteifreund und Finanzminister zu widersprechen scheint.
Die Bundesrepublik als größter Rechtsstaat Europas muss in der Lage sein, solch gravierende Fehler wie den Verfassungsbruch 1990 einzugestehen und zu korrigieren, sonst verliert der deutsche Rechtsstaat an Glaubwürdigkeit, die er sich in Jahrzehnten nach dem Krieg aufgebaut hat.

Zur Allianz für den Rechtsstaat

Das Interview führte Norman Gutschow

Foto: FreieWelt.Net

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