Interview mit Marc Friedrich

»Der Crash lässt sich nicht mehr aufhalten«

Die nicht enden wollenden Nachrichten über die Krise von Banken und Staatsfinanzen nähren die Sorge vor einem Crash. Bestseller-Autor Marc Friedrich rät: Bereiten Sie sich darauf vor – jetzt!

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FreieWelt.net: Warum lässt sich der Crash nicht mehr aufhalten?

Marc Friedrich: Weil so viel Geld im System ist wie nie zuvor, unser Finanzsystem eine mathematisch begrenzte Lebensdauer hat und niemand weiß, wie man aus dieser Situation wieder herauskommt.

FreieWelt.net: Aber die Staats- und Regierungschefs arbeiten doch an einer Lösung …

Marc Friedrich: Würde es eine Lösung geben, hätten sie Wolfgang Schäuble oder José Manuel Barroso schon längst stolz präsentiert. Stattdessen werden die Probleme nur mit Milliarden und Billionen an Euros und Dollars in die Zukunft verschoben. Daran sehen wir, wie verzweifelt die Protagonisten sind. Nicht ohne Grund hat EZB-Chef Mario Draghi den Leitzins auf ein historisches Tief gesenkt und sogar Minuszinsen für Banken eingeführt. Wenn es Europa gut gehen würde und die Krise tatsächlich vorbei wäre, müsste er das nicht tun.

Ungedecktes Papiergeld löst keine Probleme

FreieWelt.net: Wo kommt das Geld her?

Marc Friedrich: Zum einen sorgen die Notenbanken mit ihren niedrigen Zinsen für eine unglaubliche Geldflut, um das System am Leben zu erhalten. Die amerikanische Notenbank zum Beispiel hat ihre Bilanz enorm aufgebläht, um die Aktienmärkte und die amerikanische Wirtschaft zu stützen. Dieses Geld vagabundiert in der Welt herum und sucht sich neue, lukrative Anlagemöglichkeiten. Außerdem können die Geschäftsbanken Geld aus dem Nichts schöpfen, das so genannte Giralgeld.

Damit haben wir so viel ungedecktes Papiergeld im System wie nie zuvor, mit dem wir keine Probleme lösen, sondern lediglich teuer Zeit erkaufen. In der Realwirtschaft kommt das Geld nämlich nicht an. Das billige Geld fließt vor allem in die Aktien- und Immobilienmärkte und lässt dort Blasen entstehen, die dann durch immer neue und noch größere Blasen abgelöst werden müssen. Ein destruktiver Teufelskreislauf, bei dem alle nur verlieren können.

FreieWelt.net: Es gibt also zwei Ursachen: eine systemische und eine politische. Dafür müssen doch zwei unterschiedliche Lösungsansätze aufgezeigt werden, oder?

Marc Friedrich: Fakt ist, dass die Politik nicht den Mut hat, aber auch nicht die Möglichkeiten, das System grundsätzlich zu ändern, eine 180-Grad-Kehrtwende zu initiieren. Denn es besteht eine ungesunde Abhängigkeit zwischen der Politik und der Finanzindustrie. Ein Staat finanziert sich einerseits über die Steuereinnahmen der Bürger, anderseits über den Verkauf von Staatsanleihen, also Schuldscheinen. Und wer kauft diese zu 99 Prozent auf? Die Finanzbranche. Der Gläubiger – also die Finanzbranche – diktiert immer, wo es langgeht. Und der Schuldner – also der Staat – muss sich entsprechend verhalten. Frei nach Napoleon: Die Hand, die gibt, steht immer über der Hand, die nimmt.

An dieser Situation hat sich seit 2008 nichts geändert. Es gab zwar vollmundige Versprechen der Politik, dass man die Banken an die Leine nehmen werde. Aber weder die Finanztransaktionssteuer noch Basel III sind realisiert, sondern in die ferne Zukunft verschoben worden. Oder sie wurden durch die Macht der Finanzlobby massiv verwässert. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern, weil die Banken seit 2008 aus den Krisenverursachern zu Krisengewinnern geworden sind. Sie haben sich mit noch mehr billigem Geld vollgesaugt, sind dadurch noch größer und mächtiger geworden und – was ganz wichtig ist – systemrelevanter. Dadurch haben sie ihr Erpressungspotenzial gegenüber den Staaten, aber auch gegenüber den Bürgern bei der nächsten Krise erhöht. Und die kommt so sicher wie das Amen in der Kirche.

Politiker denken in kurzen Rhythmen

FreieWelt.net: Sind unsere Politiker also abhängig oder gar Marionetten der Finanzindustrie?

Marc Friedrich: Wenn wir alle Puzzleteile zu einem Gesamtbild zusammensetzen, kommt man zu zwei Schlussfolgerungen: Erstens gibt es diese fatale Abhängigkeit – Herr Ackermann hat zum Beispiel seinen 60. Geburtstag auf Kosten des Steuerzahlers im Bundeskanzleramt gefeiert; das war ein ganz klares Signal, wer Herr im Hause ist. Zudem ist die Finanzindustrie die einzige legale Branche, die außerhalb von Recht und Gesetz steht und weiterhin tun und lassen kann, was sie will, ohne wirklich ernsthafte Konsequenzen befürchten zu müssen. Chapeau! Zweitens haben wir in unseren Gesprächen mit Politikern erfahren, dass uns einerseits viel Ratlosigkeit entgegenschlägt, andererseits aber auch ein erschreckendes Maß an Dogmatismus und Fanatismus, wenn es um die Verteidigung des Euro geht.

Meine Prognose ist: Die werden das Ding durchziehen bis zum bitteren Schluss – mit allen damit verbunden Kollateralschäden. Politiker denken in kurzen Rhythmen, von einer Wahl zur anderen. Die werden am Status quo nichts ändern, weil sie Nutznießer und Profiteure des Systems sind. Aus diesem Grund brauchen wir offensichtlich erst ein katastrophales Ereignis, damit die Politiker, aber auch die Finanzindustrie gezwungen sind, den Wandel herbeizuführen.

FreieWelt.net: Aber ein Crash ist doch überhaupt nicht erstrebenswert, weil es uns dann allen schlechter geht. Insofern handeln doch auch die Politiker verantwortungsvoll, die versuchen, diesen Crash aufzuhalten.

Marc Friedrich: Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was konkret passiert, wenn es zum Crash kommt. Ich habe das in Argentinien erlebt, aber Argentinien ist ein kleines, unbedeutendes Land.

Für uns liegen die Dinge anders. Durch die Globalisierung sind wir heute eng miteinander verbunden. Lehman war lediglich die viertgrößte Investmentbank der Welt mit einer Bilanzsumme von gerade einmal 600 Milliarden Euro – und wir spüren die Auswirkungen der Pleite bis heute. Die Deutsche Bank hat inzwischen eine Bilanzsumme von 2 Billionen Euro – was, wenn die umkippt? Was, wenn Japan seine Schulden nicht mehr bedienen kann oder es in Südeuropa einen Bank run gibt oder die Arbeitslosen auf die Straße gehen, weil sie ihr Recht auf Zukunft einfordern? Wenn das Schattenbankensystem in China implodiert? Wenn in der Ukraine ein Krieg ausbricht?

Wenn ein Ereignis dieser Art eintritt, kann es ganz schnell zu einem Dominoeffekt kommen, bei dem das komplette Finanzsystem heruntergefahren wird, das noch nie so fragil war wie heute. Es ist deshalb besser, es kontrolliert herunterzufahren. Der Point of no Return ist übrigens schon erreicht. Der Crash wird kommen, die Frage ist lediglich, wann.

FreieWelt.net: Wie sieht ein kontrollierter Crash aus?

Marc Friedrich: Es gibt viele Ansätze, um aus der gegenwärtigen verfahrenen Lage wieder herauszukommen. Am wichtigsten ist jetzt die Abkehr von der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken und das Verbot der Geldschöpfung durch die privaten Banken. Die müssen außerdem schrumpfen, ihre Eigenkapitalquote erhöhen und strenger überwacht werden. Wir müssen zurückkehren zu einer gedeckten Währung und müssen raus aus dem Euro. Am Ende wird man aber auch ganz konkret über eine Art Marshallplan für die Krisenstaaten in Europa nachdenken müssen.

Nicht zuletzt sollte jeder einzelne in sich gehen und sich fragen, wie sein persönlicher Lebensstil ist: Jeder sollte sich fragen, was er kauft, mit welcher Bank er Geschäfte macht oder wo er sein Geld investiert.

Wir brauchen Geld, das den Menschen dient

FreieWelt.net: Wollen Sie den Kapitalismus abschaffen?

Marc Friedrich: Nein, ganz im Gegenteil: Wir sollten ihn reinstallieren. 2008 haben alle Regierungen weltweit den Kapitalismus an der Garderobe abgegeben. Die Notenbank der USA hat seit 2008 an 85 Prozent aller Handelstage in die Aktienmärkte eingegriffen, Unternehmen wurden verstaatlicht, Aktionäre enteignet – auch in Deutschland, wie bei der Commerzbank und der Hypo Real Estate – und Gesetze verabschiedet, die mit Kapitalismus und Demokratie nichts mehr zu tun haben. Hätte man die Märkte damals einfach in Ruhe gelassen, dann hätten wir unsere heutigen Probleme nicht. Wir haben heute keinen Kapitalismus mehr, sondern ein Mix aus Planwirtschaft, Etatismus und Sozialismus. Wie diese Systeme geendet sind, ist aus der Vergangenheit allgemein bekannt.

FreieWelt.net: Sie gehen von einzelnen konkreten Maßnahmen aus, werden dann aber grundsätzlich und kritisieren das gegenwärtige Geldsystem. Was ist daran falsch?

Marc Friedrich: Wir benötigen ein Geld, das funktioniert und den Menschen dient. Für mich ist Geld, das man ständig retten muss, kein Geld. In der Vergangenheit hat das Geldsystem funktioniert, weil die Währungen gedeckt waren. Der Goldstandard hat jahrelang funktioniert. Euro, Pfund und Dollar sind nicht gedeckt, so dass dieses Fiat money ausschließlich auf Vertrauen beruht. Doch Vertrauen ist ein fragiles Fundament für Geld, und vor allem wird dieses Vertrauen von oberster Stelle – von Politik und Notenbanken – ständig mit Füßen getreten.

Der Euro ist gerade einmal süße 13 Jahre alt, wurde aber schon mehrfach reanimiert, aus der Todeszone herausbugsiert und seitdem künstlich mit Liquiditätsspritzen der Notenbanken am Leben erhalten. Der Euro wird in die Geschichtsbücher der Volkswirtschaftslehre als gescheitertes Währungsexperiment mit enormen Kollateralschäden eingehen.

FreieWelt.net: Vielleicht sollten wir die Politiker, die uns die Krise eingebrockt haben, abwählen?

Marc Friedrich: Bei der letzten Wahl hatte man die Wahl zwischen Pest und Cholera und anderen schrecklichen Leiden. Alle Parteien jeglicher Couleur dienen einem Finanzsystem, das ungerecht und destruktiv ist, und deshalb fühle ich mich nirgends mehr vertreten, weder in Brüssel noch in Berlin. Da wird alles getan, aber nicht das, was die Bevölkerung will. 70 Prozent der Deutschen waren gegen die Einführung des ESM – trotzdem wurde er durchgeboxt. Wir erleben seit 2008 am laufenden Band Gesetzesbrüche von oberster Stelle und von denen, die die Gesetze selber gemacht haben – die aber nicht geahndet werden. Bei der EU sind auch viele an der Macht, die nicht demokratisch legitimiert wurden – Draghi habe ich ebenfalls nicht gewählt.

Die Euro-Rettung hat also mit Demokratie nichts mehr zu tun. Die Demokratie ist der Hauptverlierer dieser Krise. Das macht mir als überzeugtem Demokraten große Sorgen.

FreieWelt.net: Haben wir ein Elitenproblem?

Marc Friedrich: Ja, und deshalb brauchen wir eine Basisdemokratie wie in der Schweiz. Im Moment entscheiden wir alle vier Jahre, wer in den Bundestag kommt, aber dann machen viele, was sie wollen. Die Bürger sollten über wichtige Projekte mitentscheiden und Politiker sollten jederzeit abgewählt werden können, wenn man sie der Lüge überführt. Von oben wird es keinen Wandel zum Besseren hin geben. Die politische Umwälzung und der notwendige Wandel kann nur von unten kommen, wie 1789 in Paris oder 1989 in Leipzig. Und es werden nur wenige Stunden sein, in denen alles entschieden wird.

FreieWelt.net: Vielen Dank für das Gespräch.

Marc Friedrich hat soeben mit Matthias Weik das Buch »Der Crash ist die Lösung. Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten« veröffentlicht. Es ist im Eichborn-Verlag erschienen und kostet 19,99 Euro.

Weik_Friedrich_Crash-Cover

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das...
Ein Crash ist nur ein Blechschaden,hoffen wir mal es kostet nicht zu viele Leben.

Gravatar: Stefan Wehmeier

Was ist die "Finanzkrise"?

"Der Sparer erzeugt mehr Ware, als er selbst kauft, und der Überschuss wird von den Unternehmern mit dem Geld der Sparkassen gekauft und zu neuen Realkapitalien verarbeitet. Aber die Sparer geben das Geld nicht her ohne Zins, und die Unternehmer können keinen Zins bezahlen, wenn das, was sie bauen, nicht wenigstens den gleichen Zins einbringt, den die Sparer fordern. Wird aber eine Zeitlang an der Vermehrung der Häuser, Werkstätten, Schiffe usw. gearbeitet, so fällt naturgemäß der Zins dieser Dinge. Dann können die Unternehmer den von den Sparern geforderten Zins nicht zahlen. Das Geld bleibt in den Sparkassen liegen, und da gerade mit diesem Geld die Warenüberschüsse der Sparer gekauft werden, so fehlt für diese jetzt der Absatz, und die Preise gehen zurück. Die Krise ist da."

Silvio Gesell ("Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld", 1916)

Zwanzig Jahre später bezeichnete der "Jahrhundertökonom" John Maynard Keynes in seiner "Allgemeinen Theorie (der Beschäftigung der Politik)" dieses Phänomen, das sich zwangsläufig aus der Verwendung von hortbarem Geld mit Wertaufbewahrungs(un)funktion (Zinsgeld) ergibt, als "Liquiditätsfalle" – und beschrieb zwei Mittel, um sie hinauszuzögern: Erhöhung der Staatsverschuldung mit Ausgabe des Geldes für Projekte, die den Zinsfuß nicht senken (Löcher graben und wieder zuschaufeln, Kriegsrüstung, etc.), und Geldmengenausweitung.

Um aus der Liquiditätsfalle herauszukommen, gibt es bei der weiteren Verwendung von Zinsgeld nur eine Möglichkeit: Eine umfassende Sachkapitalzerstörung muss den Zinsfuß anheben. Diese früher sehr beliebte "Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln" konnte jedoch nur solange der "Vater aller Dinge" sein, wie es noch keine Atomwaffen gab!

Was ist Politik?

"Im Grunde ist Politik nichts anderes als der Kampf zwischen den Zinsbeziehern, den Nutznießern des Geld- und Bodenmonopols, einerseits und den Werktätigen, die den Zins bezahlen müssen, andererseits."

Otto Valentin ("Warum alle bisherige Politik versagen musste", 1949)

Was nun?

"Ich finde die Zivilisation ist eine gute Idee. Nur sollte endlich mal jemand anfangen, sie auszuprobieren."

Sir Arthur Charles Clarke (1917 - 2008)

Der längst überfällige, eigentliche Beginn der menschlichen Zivilisation setzt die Überwindung der Religion voraus, die den Kulturmenschen "wahnsinnig genug" für ein darum bis heute fehlerhaftes Geld machte, lange bevor diese seitdem grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung wissenschaftlich erforscht war:

http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/11/einfuhrung-in-die-wahrheit.html

Gravatar: Hadesfades

Eines der besseren und informativen Interviews.

Gravatar: Felicita72

Ein sehr gelungenes Interview. Dies ist das beste was ich seit langer Zeit zum Thema gelesen habe. Ich bin auf das Buch gespannt.

Gravatar: Thorsten

Vielen herzlichen Dank für das ausführliche und informative Interview. Leider stimme ich in fast allen Punkten mit Herrn Friedrich überein.

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