Josef Bordat, Blogger und Publizist

»Christlichen Glauben trotz Morddrohungen bewahren«

Der Blogger und Publizist Josef Bordat erhält Morddrohungen – weil er sich als Christ bekennt. Gegen kritische Anfragen hat er nichts einzuwenden. Aber beim anonymen Täter erkennt er eine totalitäre Denkweise.

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FreieWelt.net: Sie sind ein Blogger, der die Welt vor allem aus katholischer Perspektive betrachtet. In Ihrem Blog beschäftigen Sie sich mit gesellschaftlichen und religiösen Themen – und nun erhalten Sie Morddrohungen. Was ist passiert?

Josef Bordat: Ja, wenn ich das so genau wüsste! Ich blogge seit acht Jahren, in meinem Blog gibt es über 6.000 höchst unterschiedliche Beiträge, die im einzelnen durchaus auch kritisch betrachtet wurden und werden, auch schon mal weit über die Grenzen der Satisfaktionsfähigkeit hinaus. Aber Morddrohungen in einer derart massiven und konkreten Art gab es bisher nicht. Ab Anfang November erhalte ich so etwas nun jedoch andauernd. Anlass war wohl meine ablehnende Haltung gegenüber Gewalt, konkret: meine Kritik an einem Brandanschlag. Ich hatte in einem Blogbeitrag deutlich gemacht, dass Gewalt keine geeignete Form der Auseinandersetzung ist, dass insbesondere auch die Bezugnahme auf Gewissensnot, die bei einem anderen Anschlag erfolgte, nicht gerechtfertigt ist – selbst in meinem Denken nicht, in dem das Gewissen einen sehr prominenten Platz einnimmt. Seitdem erfülle ich wohl die Voraussetzung dafür, Feindbild bestimmter Menschen zu sein. Allein das ist traurig genug.

FreieWelt.net: Bitte schildern Sie mir, wie Sie sich in der Situation gefühlt haben.

Josef Bordat: Zutiefst irritiert, verunsichert, auch verängstigt. Aber vor allem ist da völlige Ratlosigkeit. Man sagt mir deutlich: Du bist nicht wert, dass Du lebst, weil Du sagst, was Du denkst. Das ist verstörend. Das irritiert mich als Mensch, der im Grunde ganz gerne lebt, wie es mich als Philosoph irritiert, der für sein Leben gern denkt. Und als Bürger eines freiheitlichen Rechtsstaats, der bisher davon ausging, dass er sagen darf, was er denkt, irritiert es mich natürlich auch. Ich fühle mich ohnmächtig angesichts der extremen Asymmetrie: Sie wissen viel über mich, ich aber nichts über sie. Ich kann mich nicht wehren, kann sie nicht erreichen. Es ist in einer solchen Situation wichtig, zwei Dinge nicht zu verlieren: den Glauben und den Humor. Und es ist wichtig, Menschen um sich zu haben, die zu einem stehen. Ich darf sagen: Die habe ich.

FreieWelt.net: Wie haben Sie reagiert? Haben Sie beispielsweise Ihr Verhalten geändert?

Josef Bordat: Also, zunächst mal haben wir eine Hausratversicherung abgeschlossen. Ich erzählte meiner Frau von der ersten Morddrohung, in der ein Brandanschlag auf unser Haus angekündigt wurde, und sie meinte, das sei dann wohl nötig.

Publizistisch habe ich zunächst so reagiert, dass ich die Drohmails (nebst Kommentar) veröffentlicht habe. Das hat mir geholfen, die Situation etwas besser zu verarbeiten. Kam wohl auch ganz gut an. Der zentrale Text über die Nichterpressbarkeit wurde im Facebook über 1.000 mal geteilt und bisher schon über 50.000 mal aufgerufen. Das ist für sechs Wochen und ein privates Publikationsprojekt schon ganz ordentlich, denke ich.

Mittlerweile habe ich das Veröffentlichen der Mails eingestellt. Das hat unterschiedliche Gründe. Ob und in welcher Weise ich noch mal öffentlich Bezug nehmen werde, kann ich derzeit nicht sagen. Ideen gibt es einige. Schaun mer mal.

FreieWelt.net: Sind Sie der einzige, der Morddrohungen erhält, oder hat der Täter – vielleicht sind es ja auch mehrere – auch andere bedroht?

Josef Bordat: Nein, ich bin nicht der einzige. Ich möchte hier keine anderen Personen ins Spiel bringen, weil ich nicht weiß, ob sie das wollen, aber ich weiß aus persönlichem Kontakt, dass mindestens ein anderer Blogger quasi zeit- und wortgleiche Bedrohungen erhalten hat.

FreieWelt.net: Haben Sie eine Erklärung für das Verhalten des Täters?

Josef Bordat: Nein, eigentlich nicht. Man kann ja über alles reden. Man kann Leserbriefe schreiben oder selber bloggen und dann kritisch Bezug nehmen. Man kann mich ja auch – wenn andere Mittel nicht auszureichen scheinen – verklagen. Alles möglich. Es gibt Menschen, die meiner Position sehr kritisch gegenüberstehen, die mir dann eine geharnischte E-Mail schreiben und mit denen ich dann – so es die Zeit zulässt – in einen Schriftwechsel eintrete. Das ist alles möglich, noch bevor man jemanden umbringt.

Es scheint einfach ein Hass in diesen Menschen zu sein, dem man nicht mehr auf sachlicher Ebene begegnen kann. Das Strafrecht sieht ja maximal ein Jahr Haft für Bedrohung vor. Ich denke, dass es wirklich nicht schlecht wäre, wenn Menschen, die anderen Menschen so etwas antun – denn auch die Bedrohung ist bereits eine Tat, die Folgen hat – einmal für ein paar Monate zum Nachdenken kommen. Ohne Zugang zum Internet.

FreieWelt.net: Jemanden mit Mord zu bedrohen, ist kein normales Verhalten. Es zeigt, dass sich dieser Mensch dazu berechtigt fühlt. Was sagt das über den gesellschaftlichen Kontext aus, in dem der Täter agiert?

Josef Bordat: Oh, ja – der oder die Täter halten in diesem asymmetrischen Szenario nicht nur die Zügel in der Hand, haben nicht nur de facto die Macht, nein, sie besitzen scheinbar auch keinerlei Hemmung in ihrem Tun. Sie fühlen sich im Recht. Sie sprechen von »Urteilen«, sie sprechen davon, dass die Vollstreckung von Todesurteilen »gnädigerweise« ausgesetzt wurde (freilich nur, so lange sie es für richtig halten). Also, dagegen war Ludwig XIV. ein konziliarer Basisdemokrat.

Das Entscheidende ist: Ich selber habe in den Augen der Täter die Situation herbeigeführt, schon durch die Tatsache, dass ich katholisch bin und dass ich schreibe. Stein des Anstoßes ist wohl in der Tat, wenn ich die bisherigen Morddrohungen richtig verstehe, dass ich katholisch bin und schreibe. Es scheint diese Kombination zu sein, die irritiert: Ich habe nicht nur einen Glauben, sondern ich spreche auch davon. Wenn ich mich äußern will, dann nicht über meinen Glauben. Den darf ich freilich haben, mich aber nicht dazu äußern. Das hat mit Religionsfreiheit natürlich nur insoweit zu tun, als Gedankenfreiheit gewährt wird. Doch vermutlich auch nur, bis man die technische Möglichkeit hat, Gedanken zu lesen. Also, ich bin gewissermaßen selber Schuld, denn wäre ich nicht katholisch bzw. schriebe ich nicht, müssten sich die edlen Ordnungskräfte nicht die Mühe machen, ständig Urteile zu fällen und ihre Vollstreckung anzudrohen. Sie müssen nun aber gerade so handeln, weil es eben Menschen wie mich gibt. Sie müssen so handeln, um die Welt etwas sauberer und etwas besser zu machen. Ich zwinge sie förmlich dazu!

Im Ernst: Es tauchen in den Drohmails geradezu schulbuchmäßig die Metaphern des Totalitarismus auf, der ja von dem Bewusstsein geprägt ist, Lebensrecht zu- und absprechen zu können, so, wie es eben zur eigenen Auffassung passt. Insoweit befinden sich die Täter in einem totalitären Kontext, sei es nun Links- oder Rechtsextremismus oder auch Islamismus. Wenn diese mir schreiben, ich sei »katholischer Dreck«, der »beseitigt« gehört, dann liegt dem ja exakt die Vorstellung von »Säuberung« zugrunde, die Hitler und Stalin miteinander teilten – freilich bezogen auf jeweils andere Personengruppen. Entscheidend ist aber gerade die Entpersonalisierung der zu Vernichtenden, aus der die Vernichtung als logische Konsequenz erwächst. Daher sind die Personengruppen letztlich austauschbar. Das verbindende Prinzip bleibt bestehen: Der Vernichtung geht die Entmenschlichung voraus. Also: Was bitte soll man mit »katholischem Dreck« denn sonst machen, wenn nicht »beseitigen«? Das ist eine kranke Logik, aber auch eine kranke Logik ist eine Logik. Es ist die Logik des Totalitarismus.

FreieWelt.net: Es fragt sich jetzt, wie es in Zukunft weitergeht. Was geschieht mit Ihnen? Auf was müssen sich andere katholische Blogger einstellen – oder sind auch evangelische Blogger oder überhaupt Christen, die sich öffentlich äußern, in Gefahr?

Josef Bordat: Dass sich Christen in Europa zunehmend für ihren Glauben rechtfertigen müssen, ist ja an sich nicht schlecht, wenn es denn in einem zivilisierten Diskurs passiert, in dem Menschen zunächst einmal gewaltlos und dann vielleicht sogar respektvoll miteinander ins Gespräch kommen. Kritische Fragen können Anlass sein, den eigenen Glauben zu durchdringen, tiefer zu gehen bei der Suche nach Antworten. Eine Volkskirche, wo jeder am Sonntag zum Gottesdienst geht, weil das halt so üblich ist, hemmt eher die Glaubensvertiefung. So habe ich das zumindest erfahren. Ich kenne ja beides: das katholische Dorf am Niederrhein und die atheistisch-religionspluralistische Großstadt im Osten. Zum christlichen Glauben im eigentlichen Sinne kam ich erst in Berlin. Das dazu.

Ich denke, dass mit den gesellschaftlichen Veränderungen hin zu einem immer restriktiveren Säkularismus, der durchaus als Kulturkampf in Erscheinung tritt, vermehrt auch extreme Formen von Religions- und Kirchenkritik auftreten werden (die dann freilich keine Kritik im engeren Sinne mehr sind). Das wird man dann auch empirisch nachweisen können, an der Zahl der beschmierten Kirchenwände oder auch an der Zahl der eingeschüchterten christlichen Bloggerinnen und Blogger. Vielleicht wird ja irgendwann der Punkt erreicht, an dem man sich als schreibender Christ fragen muss, was man eigentlich falsch macht, wenn man nicht beschimpft und bedroht wird.

Wie es mit mir bzw. mit Jobo72 weitergeht, ist noch nicht entschieden. Es ist unter diesen Umständen weder leicht noch angenehm, der publizistischen Alltagsarbeit nachzukommen. Es ist grundsätzlich die Frage, was glücklich macht: die Sicherheit, die durch Gehorsam dem Unrecht gegenüber erlangt wird oder die Freiheit, verbunden mit dem Risiko, Opfer des Unrechts zu werden. Ich bin nicht der erste Mensch, der diese Frage zur Beantwortung vorgelegt bekommt. Und wohl leider auch nicht der letzte.

Jetzt kommt aber erst mal Weihnachten und der Jahreswechsel. Einige Texte kommen in jedem Fall noch, weil sie schon geplant und eingestellt sind. Auch mein neues Buch zum Credo wird im Februar planmäßig erscheinen. Ich hoffe, die Täter sehen darüber hinweg. Gnädigerweise.

FreieWelt.net: Danke für das Interview.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn das...
In dieser Zeit ohne Sicherheit...Muss jeder für sich und seine Familie entscheiden...
Hilf dir selbst dann hilft dir Gott-Nur durch singen und beten wird nichts verändert..
Da Migranten nicht bestraft werden kann man auch keinen deutschen Bürger für die selben Delikte bestrafen...Es gibt immer noch den Internationalen Gerichtshof.

Gravatar: Joachim Datko

Vorab: Es gibt keinen Gott, es gibt keine Götter.

Streng gläubigen Menschen empfehle ich zu überprüfen, wie sie zu "ihrem" Glauben gekommen sind.

In der Regel wurden streng religiöse Menschen in der Kindheit indoktriniert. Selbst Herr Joseph Ratzinger, katholischer Professor, ist nicht durch eigene Überlegung Christ geworden, sondern durch Indoktrination von klein auf. Er hätte unter solchen Umständen wohl auch jede andere Religion für das Gelbe vom Ei gehalten, wenn sie ihm eingetrichtert worden wäre.

Joachim Datko - Physiker, Philosoph

Gravatar: H.von Bugenhagen

Na ist denn dass...
Jemand der als Christ zum Islam wechselt,muss sehr Gute Gründe haben.Aber auch hier müssen Grenzen eingehalten werden.Eine gefährliche Grauzone für den Wechsler die nahe am Abgrund stehen.

Gravatar: H.von Bugenhagen

Ich wurde schon mal von sieben Einbrechern in meinem Hotel in der Nacht geweckt,die Polizei sagte mir am Telefon ich soll sie festhalten bis sie da sind.Hatte aber nur eine Eisenstange und ein Fleischer Messen und bin auf sie wütend schreiend zu gerannt,,Sie verschwanden,,Ich sagte dann beim eintreffen der Polizei ,,ich hätte nur die Möglichkeit gehabt sie fest zu halten wen sie nach einem zusammen treffen nicht mehr geatmet hätten,,Großes Schweigen.

Gravatar: Alfred

Lieber Herr Bordat,
auch ich wünsche ihnen - fröhliche Weihnachten. Und wie ich in diesem Zusammenhang auf "Gehalt" komme, wird mir immer ein Rätsel bleiben. Danke für ihre Richtigstellung.

Lieber Herr Feldmann,
Sie sehen die augenblickliche politische Lagen meines Erachtens schon ganz richtig. Nur schauen Sie doch ins Geschichtsbuch, dann werden auch Sie vielleicht feststellen können, dass der katholische Heiligenschein kein Deut besser ist als die BRD-Politiker der Gegenwart.

Gravatar: Kati

Es bringt sowieso nichts über verschiedene Religionen zu streiten!
Leute, ich möchte hier an dieser Stelle mal auf die Kommentare bei ,,Terra Herz" aufmerksam machen zum Thema Weltfrieden=

Kommentar zu: Ein Zeichen setzen für den Frieden | 21. Dezember 2015 von E.L.

Gravatar: Thomas Rießler

Dies hört sich für mich nach einer Spam-Mail an. Wenn etwas Ähnliches an mich geschickt worden wäre, wäre es bei dieser Absender-Adresse wohl im Spamverdacht-Ordner gelandet und ungelesen gelöscht worden. Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, sich Gedanken darüber zu machen. Ähnliche Mails sind auch schon vor Ihrem Fall an den katholischen Blog „Katholische Post“ verschickt worden, ohne dort allzu viel Aufmerksamkeit erregt zu haben. Aus meiner Sicht sollten Sie sich eher mal überlegen, was das Bloggen über christliche Themen in turbulenten Zeiten bedeutet und ob dies „Ihr Ding“ ist.

Gravatar: Erich

Was ich nicht verstehe. Bei jedem Surfen wird doch die IPS-Spur hinterlassen im Web, die man zurückverfolgen kann. Ist das bei Emails nicht der Fall? Gibt es da keinerlei technische Möglichkeiten ausfindigen zu machen, von welchem Computer aus die Emails abgegangen sind, rsp. wem die Emailadresse zugeordnet werden kann?

Gravatar: Wolfgang Prabel

Sehr geehrter Herr Bordat,
wenn bei mir jemand gedroht hat, habe ich am nächsten Tag immer Einträge über Schußwaffenfreiheit, große Hunde und ähnliches gepostet. Und dann war Ruhe im Karton. Kaufen Sie sich einen Pickup und eine Armbrust und machen Sie Einträge dazu.
Goethe dazu: Allen Gewalten zum Trotz sich verhalten, nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen, rufet die Arme der Götter herbei.
Naja ein Gott reicht uns natürlich!

Gravatar: P.Feldmann

@Alfred 22.12.2015 - 11:55

Sie unterstützen also die hier beschriebenen Morddrohungen?

Auch wenn Sie das nicht tun und Sie sich nur (sehr sehr) ungeschickt ausdrücken, dann ist Ihre Wirklichkeitswahrnehmung mehr als hochneurotisch!
Man könnte sie aber auch als schlicht verhetzend ansehen.

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