Sven von Storch Allianz für den Rechtsstaat e.V.

Bodenreform: Wege zur Wiedergutmachung Interview Sven von Storch

Die Allianz für den Rechtsstaat setzt sich unter anderem für für den Rechtsstaat und die Erhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien ein. Einen besonderen Schwerpunkt wird auf die sogenannte "Bodenreform 1945-49" gelegt, den "Verfassungsbruch 1990" (Die Zeit) durch die Regierung Kohl-Schäuble, auch genannt "Das Deutsche Watergate" (FAZ). Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag wird in zwei Punkten die Verbesserung der Lage des Flächenerwerbs für Alteigentümer und die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Erarbeitung einer Wiedergutmachunglösung in Aussicht gestellt. FreieWelt.Net sprach mit dem Vorsitzenden der Allianz für den Rechtsstaat, Sven von Storch, über den aktuellen Stand.

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FreieWelt.net: Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen (AfA) Albrecht Wendenburg hat vor wenigen Tagen in einer Presseerklärung der Allianz für den Rechtsstaat vorgeworfen, daß Sie die beiden Punkte des Koalitionsvertrages, nämlich zum einen die Verbesserung der Lage des Flächenerwerbs für Alteigentümer und die Wiedergutmachung analog der 25-Prozent-Rückkauf-Regelung durcheinander bringen. Was ist da dran?

Sven von Storch: Im 10-Punkte-Katalog der AfA verfolgt diese, wie sie es selbst nennt, die ihr „maßgeblichen Forderungen“. Im entscheidenden ersten Punkt heißt es: „Begünstigter Kaufpreis für landwirtschaftliche Flächen, Wiederinkraftsetzung der alten Kaufpreisregelung“. Die Botschaft an die Politik heißt also: Wir, die Betroffenen, sind mit „ein wenig mehr“ zufrieden. Dieses Signal jetzt zu setzten, ist falsch, denn es stehen nun Verhandlungen bevor, die weit über diese alte Kaufpreisregelung hinausgehen müssen.
Die AfA verfolgt mit ihrem 10-Punkte-Katalog nicht die Wiedergutmachung der gesamten entrechteten Bürger durch den Verfassungsbruch 1990. Die AfA sucht damit lediglich eine geringe Verbesserung für einen kleinen Teil der  Betroffenen in der Landwirtschaft, die bisher als Wiedereinrichter vor Ort sind, zu erreichen. Sie steht mir ihrer Forderung nicht für die Wiedergutmachung der gesamten politisch Verfolgten 1945-49, sondern grenzt die große Mehrheit aus und stellt dazu noch eine Forderung auf, die deutlich hinter der steht, die wir bei der FDP durchgesetzt haben.

Der Alleingang wird auch für die kleine Gruppe schädlich sein. Sie verabschiedet sich von der weitergehenden Forderung von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sowie der gesamten FDP nach der 25-Prozent-Rückkauf-Regelung für alle Betroffenen und sondert sich ab. Sie würde ihre Verhandlungsposition schwächen, wenn sie sich von der gesamten politisch relevanten Gruppe der politisch Verfolgten 45-49 trennt. Damit würde die AfA der politisch kraftvollen Allianz zwischen den Wiedereinrichtern und dem Großteil der politisch Verfolgten, die bis heute ihrer Heimat fern bleiben mußten, sowie den rechtsstaatlichen Kräften in Deutschland schaden. Diese haben durch ihre beispielhafte Zusammenarbeit mit uns in den vergangenen Jahren ermöglicht, dass es zu der FDP-Forderung kam (25-Prozent-Rückkaufregelung plus Verbesserung der Lage der Alteigentümer vor Ort) und daß diese in den Koalitionsvertrag eingebracht wurde. Die AfA muß sich der Forderung zur 25-Prozent-Rückkauf-Regelung anschließen und unterstützen. Sie darf dem Wiedergutmachungsprozeß nicht durch ihre Minimalforderung in den Rücken fallen.

FreieWelt.Net: Was ist die politische Wirkung des 10-Punkte-Kataloges?

Sven von Storch:
Der sogenannte 10-Punkte-Katalog spielt denjenigen in der Union in die Hände, die die 25-Prozent-Rückkauf-Regelung vom Tisch haben wollen. Es wird damit der Eindruck erweckt, daß durch die Erfüllung des 10-Punkte-Katalogs die Forderung nach Wiedergutmachung der politisch Verfolgten 45-49 befriedigt wird. Mit diesem 10-Punkte-Katalog, vor allem durch Punkt 1, fällt man dem aktuellen Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberg (FDP) in den Rücken, die beide versuchen, die Forderung nach der 25-Prozent-Rückkauf-Regelung für alle Betroffenen zu ermöglichen.
Wie schnell die Forderung des 10-Punkte-Kataloges politisch falsch umgedeutet wird, sieht man im Brief an Wolfgang Schäuble von Christian Wulff (unter der Überschrift: Wulff wünscht „Rechstfrieden für die Bodenreformopfer“ in der FAZ vom 21.12.2009). Christian Wulff macht sich darin die Forderung der AfA zu eigen und schreibt, daß dadurch „den Opfern menschenrechtswidriger Verfolgung und Enteignung … noch ein gewisses Maß an Gerechtigkeit und Wiedergutmachung“ zukommen kann, WENN SCHON „keine vollständige Restitution mehr möglich ist“. Die Botschaft dieser Forderung, die nun in den politischen Diskurs hineingekommen ist, steht einerseits weit hinter der Forderung der 25-Prozent-Rückkauf-Regelung von Frau Leutheusser-Schnarrenberger und der FDP zurück und anderseits führt sie die Aufmerksamkeit bei der Suche nach einer gerechten Lösung in der Wiedergutmachungsfrage für alle Betroffenen und den Rechtsstaat vom Kern der Sache weg und verläßt den aktuellen Verhandlungsstand der Koalitionsvereinbarung. Das schadet der Verhandlungsposition der politisch Verfolgten sehr. Nur ein kleiner Kreis wird – mit einer Minimalforderung - in den Fokus der Wiedergutmachung gebracht, der große Rest der Betroffenen wird dafür geopfert.
Nun werden einige Leute versuchen, der Öffentlichkeit glauben zu machen, daß man mit der Erfüllung des 10-Punkte-Kataloges das Thema Wiedergutmachung endgültig politisch erledigt hat. Durch einen weiteren Alleingang der AfA, sowie aus der daraus folgenden Spaltung im Erscheinungsbild der Wiedergutmachungskräfte gegenüber den gegenwärtig politisch Verantwortlichen, würde auch die AfA Verhandlungsstärke verlieren und sich politisch isolieren. Es liegt daher im Interesse auch der AfA zur Durchsetzung der weiteren neun Punkte des 10-Punkte-Kataloges, sich klar und deutlich hinter die 25-Prozent-Rückkauf-Forderung zu stellen.

FreieWelt.Net: Ministerpräsident Christian Wulff fordert in seinem Brief an Wolfgang Schäuble, daß „wir den Opfern menschenrechtswidriger Verfolgung und Enteignung doch noch ein gewisses Maß an Gerechtigkeit und Wiedergutmachung zukommen lassen müssen, wenn schon keine vollständige Restitution mehr möglich ist“. Reicht das?

Sven von Storch:
Ich begrüße die Position des niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU); der sich in die Findung einer Wiedergutmachungslösung „gern einbringen möchte“. Daß er sich bei den Betroffenen im Wort sieht und ihm die Problematik sehr wichtig ist, ehrt ihn. Aber Ministerpräsident Wulff sollte sich nicht auf die Minimalforderung der AfA und damit nur auf die Unterstützung für eine kleine Gruppe festlegen, sondern er sollte sich die Wiedergutmachung aller politisch Verfolgten zu Herzen nehmen, ansonsten grenzt er die Mehrheit vom Wiedergutmachungsprozeß aus. Die FDP hat bereits in ihrem Wahlprogramm eine weitergehende Lösung anvisiert. Justizstaatssekretär Max Stadler (FDP) hat bereits früh die 25-Prozent-Regelung für die Betroffenen vorgeschlagen. Die jetzige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat diesen Vorschlag auf dem Bundeswahlparteitag der Freidemokraten ins Programm setzen können. Frau Leutheusser-Schnarrenberger war es auch, die in den Koalitionsverhandlungen - zur Überraschung von Wolfgang Schäuble - erreichen konnte, daß es eine Arbeitsgruppe der Regierung geben wird, die über eine Wiedergutmachungslösung befindet. Die FDP steht weiterhin im Wort, die 25-Prozent-Rückkauf-Lösung durchzusetzen. Es wäre wünschenswert, daß Ministerpräsident Wulff sich hinter Frau Leutheusser-Schnarrenberger stellt und die FDP-Forderung sich zu eigen macht und sie unterstützt. Damit könnte er nicht nur für eine kleine Gruppe, sondern für die Gesamtheit der Betroffenen und den Rechtsstaat eine gerechte Lösung schaffen.

FreieWelt.Net: Was gilt es jetzt zu tun? Welche Strategien sind jetzt für die Betroffenen wichtig?

Sven von Storch:
In den vergangen Wochen und Monaten haben wir viele unterstützende Schreiben erhalten von Betroffenen und Verbänden, sowie eine Menge an Telefonaten und Gesprächen geführt, um unsere Arbeit und die nächsten Schritte eng miteinander abzustimmen, so dass wir als eine politische Kraft wirken können. Dies hat bisher gut geklappt. Das werden wir in Zukunft weiter tun. Heute morgen haben wir ein Schreiben an Herrn Wendenburg versendet und ihn dazu eingeladen, uns zu treffen, so daß wir den bevorstehenden Weg abstimmen können, um die Chance, die wir zusammen mit unserer Basis erarbeitet haben, zu nutzen.
Darüberhinaus dürfen wir die moralische Verantwortung für die Korrektur des Verfassungsbruchs 1990, die in einer gerechten Wiedergutmachung liegt, keinesfalls aus den Augen lassen. Wir müssen wie bisher zusammen mit unserer Basis die Forderung der 25-Prozent-Rückkauf-Regelung und deren Befürworter unterstützen, sowie diese Forderung in der Arbeitsgruppe durchsetzen. Wer dies nicht unterstützt oder davon abweicht, schadet den Interessen der politisch Verfolgten.

Der Koalitionsvertrag der schwarz-gelben Koalition spiegelt das Wahlprogramm der FDP mit der 25-Prozent-Rückkauf-Regelung wider, der Weg ist offen, was wir jetzt daraus machen ist unsere Sache. Politisch ist also alles möglich. Es hängt von der Entschlossenheit und der Einheit als politische Kraft ab, ob es zu einem Erfolg der Wiedergutmachung für alle politisch Verfolgten 1945-49 kommt.

 

Foto: Sven von Storch und Michail Gorbatschow. Entscheidendes Gespräch vor der öffentlichen Bekundung, dass es keine sowjetische Vorbedingung für die Deutsche Einheit gegeben hat. Berlin, ICC, 1. März 1998./Allianz für den Rechststaat e.V.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Freigeist

Betonen sollte man, dass es sträflich versäumt wurde, allen Immobilienverkäufen nach der Wende eine Sonder-Steuer aufzuerlegen um die Deutsche Einheit zu finanzieren. Da man dies versäumte türmen sich aktuell enorme Staatschulden auf.
Die Deutsche Einheit war sehr sehr teuer.

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