Jürgen Liminski Deutschlandfunk

Benedikt XVI. steht für Religion der Vernunft

Jürgen Liminski war Ressortleiter Außenpolitik bei der Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ und später bei der Zeitung „DieWelt“ in gleicher Funktion tätig. Derzeit arbeitet er als Redakteur beim Deutschlandfunk und leitet das Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.  (IDAF). FreieWelt.net sprach mit dem Nahost-Experten über die Reise Benedikts XVI. in das Heilige Land.

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FreieWelt.net: Herr Liminski, viele Beobachter sprechen von der „schwierigsten Reise“ Benedikts XVI. seit seiner Wahl zum Papst. Stimmt das?
 
Jürgen Liminski: Papst Benedikt hat bisher im Vergleich zu seinem Vorgänger wenig Reisen unternommen. Aber auch für Johannes Paul II oder jeden Papst vor Benedikt wäre dies eine außerordentlich schwierige Reise, weshalb ihm etliche Kardinäle auch abgeraten haben, die Reise zum jetzigen Zeitpunkt zu unternehmen. Aber es ist, wie man hört, sein persönlicher Wunsch gewesen, jetzt und nicht später in den Nahen Osten und ins Heilige Land zu reisen. Man kann sich schon fragen, warum der Papst gerade jetzt diese Reise unternimmt, gerade jetzt, wo man in Israel sich ernsthaft Gedanken macht über einen Militärschlag gegen die Nuklearanlagen Irans, gerade jetzt, da eine neue Regierung in Israel die eh schon mageren Fortschritte im Friedensprozess infrage zu stellen droht, gerade jetzt, da die Palästinenser in ihren Gesprächen mit Israel ebenso festgefahren sind wie untereinander, gerade jetzt, da Vorwürfe gegen Benedikt XVI. und die katholische Kirche noch frisch im Gedächtnis stehen, Stichworte wären Williamsen und die Pius-Brüder oder auch der Seligsprechungsprozess von Pius XII, und schließlich gerade jetzt, da auch das Verhältnis des Vatikan zu der muslimischen Welt nicht frei von Spannungen ist, Stichworte hier wären die Christenverfolgung im Irak oder die zähen Gespräche mit der Türkei über den Bau einer kleinen Kirche oder auch die Nachwirkungen der Regensburger Rede. Angesichts der Fülle solch ungelöster Probleme und Fragen würde wohl kaum ein Politiker die Reise nach Jordanien, Israel und in die palästinensische Autonomiegebiete unternehmen. Und schon gar nicht einer, der eigentlich außer dem moralischen Gewicht politisch nichts zu bieten hat. Insofern ist dies sicher die schwierigste Reise Benedikts seit seiner Wahl vor vier Jahren.
 
 
FreieWelt.net: Welche Auswirkungen sind von dieser Reise zu erhoffen für das Verhältnis zu Israel und dem Judentum?
 
Jürgen Liminski: Der Papst kommt, wie er sagt, als Pilger des Friedens. Es ist nach der Reise von Paul VI 1964 die erste Reise eines Staatsoberhauptes des Vatikan nach Israel, die Anerkennung des Staates Israel erfolgte erst 1993. Er betritt als Staatsoberhaupt also neues Terrain. Aber als Oberhaupt der Katholiken nicht. Denn sowohl sein Vorgänger als auch er selbst haben dem katholisch-jüdischen Verhältnis immer hohen Stellenwert eingeräumt. Beide sprechen von den Juden als den älteren Brüdern des Christentums. Beide waren in Auschwitz, beide haben viele Synagogen besucht, zum Beispiel Johannes Paul in Rom, Benedikt in Köln. Zu den Stationen dieser Reise gehört auch ein Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem. Das dürfte einer der heikelsten oder spannendsten Momente der Reise sein. Pater Gumpel, der Berichterstatter für den Seligsprechungsprozess von Pius XII. hat verlangt, daß zuerst das Bild von Pius XII. aus dem Saal der Schande in Yad Vashem entfernt werde, sonst könne Benedikt die Gedenkstätte nicht besuchen. Benedikt besucht sie trotzdem, allerdings wird er den Saal der Schande nicht betreten. Er lässt diese Frage offen, nicht aber die Frage der Solidarität und Verbundenheit mit den Juden und dem Judentum. Es kann auch gar nicht anders sein, die ersten zentralen Gestalten des Christentums waren Juden: Jesus selbst, dann seine Mutter Maria, schließlich Petrus und Paulus und die Apostel. Da steht Benedikt in einer Linie mit seinen Vorgängern, alle Päpste des vergangenen Jahrhunderts waren Freunde der Juden. Kritisch ist die Frage Jerusalem. Aber da handelt es sich wieder um eine politische, diplomatische Frage. Theologisch betrachtet gibt es da wieder kein Problem: Paul VI. hat Jerusalem bei seinem Besuch vor 45 Jahren als Oase des Friedens und des Gebetes, als Stätte der Begegnung bezeichnet. Von Hauptstadt war nicht die Rede, aber man weiß, daß dies politisch gesehen ein Streitthema ist. Ich denke, man wird die politischen Streitfragen weitgehend ausklammern.

FreieWelt.net: Wie wird die Nahostreise des Papstes in der muslimischen Welt wahrgenommen?
 
Jürgen Liminski: Ein großes Problem der Region ist, dass der Fanatismus so stark ist. Der französische Orientalist Ernest Renan hat in diesem Zusammenhang gern von dem eisernen Ring um den Geist islamisch-arabischer Menschen gesprochen. Aber man darf wohl sagen, daß der Ring um den Geist der radikalen Juden auch rostfrei ist. Zwischen beiden stehen die arabischen Christen. Übrigens auch staatsrechtlich. Radikale Juden wollen ohne Staat auskommen, für orthodoxe Muslime gibt es die Trennung zwischen Staat und Religion nicht. Deshalb ist es für die Muslime auch schwierig, die Reden und Gesten des Papstes als nicht-politische Reden und Gesten wahrzunehmen. Ihnen werden die Worte des Heiligen Vaters zur Würde und Bedeutung der Frau, die er in Amman gesprochen hat, nicht gefallen. In Amman konnte er es sagen, weil der Monarch dort relativ aufgeklärt ist. Bei der Hamas und der Hisbollah aber wird das wie eine Kriegserklärung empfunden. Überhaupt wird die Reise des Papstes in diese Region von radikalen Muslimen als Affront gesehen, um nicht zu sagen als Kreuzzug. Die anderen warten, bis er wieder weg ist. Er bedeutet ihnen nichts. Schon gar nicht sehen sie in ihm einen Vermittler oder einen Akteur bei den politischen Prozessen.
 
FreieWelt.net: Welche Bedeutung hat der Papstbesuch für die Christen im Heiligen Land?
 
Jürgen Liminski: Eine hohe. Er kommt als Pilger auch und gerade zu ihnen. Und sie hoffen, dass der Besuch das Augenmerk der Weltöffentlichkeit auf diese bedrängte Minderheit in der islamischen Welt richtet. Sie wird übrigens auch von israelischer Seite bedrängt, jedenfalls in manchen Gebieten, etwa in Bethlehem. Die Erwartungen der Christen sind groß. Es gibt gerade mal 170.000 Christen in Israel und den Gebieten der palästinensischen Autonomie. Die Minderheit ist vom Exodus bedroht. Der Besuch des Papstes könnte einen Prozess der Bewusstseinsbildung über die Lage dieser Minderheit auslösen und darauf setzen die bedrängten Christen. Konkrete Hilfen erwarten sie wohl kaum.

FreieWelt.net: In jüngster Zeit gab es immer wieder heftige Angriffe gegen Benedikt XVI. in den Medien. Müssen wir wieder mit ähnlichen Attacken rechnen? Wo liegen die neuralgischen Punkte der Reise?
 
Jürgen Liminski: Es ist schon erstaunlich, mit welcher Ignoranz seit Monaten über kirchliche Sachverhalte berichtet wird. Man muß wohl damit rechnen, dass dies bei den Berichten über die Nahostreise des Papstes auch der Fall sein wird. Dahinter stehen Ressentiments, Vorurteile gegenüber der katholischen Kirche im Allgemeinen und gegenüber diesem Papst im besonderen. Neuralgische Punkte könnten der Besuch in Yad Vashem sein oder der Besuch in Bethlehem. Ich bin ziemlich sicher, dass wieder Sätze aus dem Zusammenhang gerissen, entstellt und dann entsprechend kommentiert werden. Alles andere wäre eine Überraschung. Dabei gibt diese Reise doch zumindest der Hoffnung Raum, daß die Vernunft ein paar Fortschritte auch in dieser Region macht. Denn dieser Papst steht ja wie kaum ein anderer für eine Religion der Vernunft. Nur so lässt sich vermutlich auch das religiöse Grundbuchdenken – „unser Land, Allahs Land, Eretz Israel“ - in der Region überwinden.

das Interview führte Christoph Kramer

Internetseite des Instituts für Demographie, Allgemeinwohl und Familie e.V.  (IDAF): I-daf.org

 

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