Zwischen Wundern, Jubeln und Fremdeln

Nach rund 6 Wochen Pontifikat unseres Papst Franziskus bleibt es immer noch bei dieser Kombination und das wird wohl auch noch ein wenig anhalten.

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Dankenswerterweise dokumentiert kath.net noch immer die täglichen Predigten des Hl. Vaters, die inzwischen zu Perlen herangewachsen sind und von den sonstigen Medien konsequent ignoriert werden. Radio Vatikan ist inzwischen ebenfalls dazu übergegangen, sie zumindest teilweise und kurz zu dokumentieren.

Das Fremdeln mit dem Papst vom anderen Ende der Welt ist aus meiner Sicht ganz logisch, kommt er doch aus einer Welt, die für die meisten Europäer (so auch für mich) auch auf den Mars liegen könnte. Heute bin ich übereinen Beitrag des SWR über den sog. Katakombenpakt und den brasilianischen Bischof Hélder Câmara gestolpert, der vielleicht ein wenig verstehen helfen kann. Nun ist Papst Franziskus keine Kopie von Dom Hélder Câmara, ferner kommt er nicht aus Brasilien sondern aus Argentinien. Bei allen Verschiedenheiten und (was man bei einer Produktion des SWR immer einrechnen muß) eine gewissen idealisierend ideologischen Einfärbung erscheint mir dieser Beitrag doch ganz gut geeignet, bestimmte Hintergründe zur “Option für die Armen” und den Bestrebungen einer “armen Kirche” zu verstehen, die ja auch unseren Papst bewegt.

Eine Kirche, an deren Spitze dem Bischof von Rom kein Staat, keine große Kurie und keine Diplomaten mehr zur Verfügung stehen, war es, von der Dom Hélder träumte. Eine solche Kirche wäre komplett dezentral. Dezentral wäre sie wohl konsequenterweise irgendwann auch in Lehre, Praxis und Liturgie. Es gab diese Fraktion auf dem II. Vatikanischen Konzil, die ja am Ende jenen Katakombenpakt unterzeichnete, in dem sie auch ihre persönliche Armut und Bescheidenheit beschworen. Fairerweise muß man auch erwähnen, daß sich nicht alle Vorstellungen der Katakombenfraktion auf dem II. Vatikanischen Konzil durchgesetzt haben. Wer an das Wirken des Heiligen Geistes auch bei einem Konzil glaubt, muß hier demütig genug sein, anzuerkennen, daß diese Ideen eben nicht gottgewollt sind.

Einer Armut im Sinne des Evangeliums fühlt sich Papst Franziskus durchaus verpflichtet und bemüht sich, sie in seinem Pontifikat konsequent umzusetzen. Da er wohl kaum die vatikanischen Palazzi und den Petersdom auf ebay versteigert wird, bleibt dieser Spagat spannend. Wir haben nun einmal 2000 Jahre Kirchengeschichte auf dem Buckel und seit rund 1700 Jahren in Rom eine bewegte Entwicklung. Kunst- und Bauwerke sind nun einmal da, sie lassen sich nicht mit einem Fingerschnipps entsorgen, auch wenn dies eine Entlastung bedeutete. Mit dem angesammelten Besitz ist Verantwortung gewachsen, wie das immer der Fall ist, wenn Eigentum gebildet wird. Das ist zum einen wertvoll, weil sich die Kirche hier ein Programm der Dokumentation von Weltkultur und Weltgeschichte aufgehalst hat, das seinesgleichen sucht. Die Kosten für die Unterhaltung bezahlt allerdings auch der Papst nicht von seinem (ohnehin nicht vorhandenen) Taschengeld. Lust und Last halten sich im besten Fall die Waage, zumeist überwiegt die Last.

Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Postulat einer Entweltlichung der Kirche ein notwendiges, nichts desto weniger schweres und kompliziertes Bündel geschnürt, das gegenwärtige Papst auf seinem geistlichen Hintergrund nun zu schultern bemüht ist. Ist dies ohnehin schon keine leichte Aufgabe, so ist es zu allem Überfluß nicht die einzige Baustelle. Da ist ja auch noch die Reform der Kurie, da ist die Glaubenskrise in Europa, da sind die jungen aufstrebenden Kirchen in Afrika und Asien. Da ist der Schrei der Postmoderne, die Kirche möge sich doch endlich anpassen, auf den es angemessene Antworten zu finden gilt. (N.B. jede Zeit wollte die Anpassung der Kirche an die Welt, es ist ein ständiger Kampf der Kirche, dem Widerstand zu leisten. – Nix neues unter der Sonne.) Es gilt last not least auch das Papstamt authentisch in das 21. Jahrhundert zu übersetzen. Das ist wahrlich keine Kleinigkeit.

Ein Papst, der in einer Kommunität zu leben wünscht, ist sehr sympatisch. Gäbe es da nicht die lästigen Sicherheitskräfte von Schweizer Garde und Gendarmerie, die nun zunehmend aus dem Gästehaus S. Marta und dem Umfeld einen Sicherheitsbereich machen, wäre das ja noch sympathischer. Die Vatikanischen Gärten sind schon nicht mehr zugänglich für Besucher. Bei der Nähe des Campo Santo zum Gästehaus S. Marta ist es möglicherweise nur noch eine Frage der Zeit, bis dieser nicht mehr zugänglich ist. Licht und Schatten – man muß beides sehen. Vielleicht zieht ja die päpstliche Kommunität doch noch um. Kein Scherz und keine Polemik: Warum sollte der Papst nicht in einer Gemeinschaft leben wollen und können? Das Modell der “Papst als einsamer Monarch über den Wolken” funktioniert scheinbar nicht mehr, möglicherweise mangels sonstiger Monarchen in der Welt. Zum Glück muß ich mir darüber den Kopf nicht zerbrechen, wie das funktionieren kann, das muß der Papst schon selber machen. Doch eines ist klar, es sollte idealerweise nicht so sein, daß den Vatikan die Armut des Papstes teuer zu stehen kommt.

Hat es eigentlich schon mal solche Vergleiche zwischen amtierendem Papst und seinem Vorgänger in der Vergangenheit gegeben, wurde ich kürzlich gefragt. Nein, hat es in dieser Form sicher nicht. Es hat aber in der Vergangenheit nicht diese gewaltige Medienaufmerksamkeit für den Papst und mediale Präsenz des Papstes gegeben. Ferner hat es in der Vergangenheit noch nie solchen kulturellen Bruch zwischen zwei Pontifikaten gegeben.

Eben jenem kulturellen Bruch könnte dieser schon oben genannte Film in der Mediathek der ARD (mit den gebotenen Abstrichen) auf die Spur kommen helfen.

Beitrag erschien zuerst auf: blog.peter-winnemoeller.de

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