Zweiter Akt: Der demokratische Bildungsnotstand

Parteien-Demokratie:
Ein Nekrolog in sieben Akten

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Demokratien lassen es nur in der Gründungsphase zu, dass hoch profilierte Männer wie Andreas Gayk oder Ludwig Erhardt in leitende politische Stellungen gelangen. Die jedoch bald einsetzende zahlenmäßige Ausweitung des Staatsapparats, die Verflechtung von Wirtschaft und politischem Interesse, der persönliche Nutzen, den politiknahe Kräfte aus populistischen Versprechen und der Aufhetzung einer Gruppe gegen die andere ziehen können, sorgen dafür, dass der Auftritt herausragender und integrer Persönlichkeiten bald endet. Die demokratische Verfassung macht es möglich, das Volk zur manipulierbaren Verfügungsmasse der Nutznießer des Systems zu machen, ohne dass dieses den Missbrauch bemerkt. Das Parasitentum kann sich rasch entwickeln, sobald erste wirtschaftliche Erfolge es bezahlbar machen.

Der Publizist Erik von Kuehnelt-Leddihn (gest. 1999) näherte sich der Ursache:
„Demokratie macht aus der Politik ein Sondergebiet, in dem ganz andere Gesetze herrschen als im täglichen Leben. Hier verdrängt eine Ideologie Vernunft, Vorsicht und Erfahrung, mit anderen Worten: den gesunden Menschenverstand. Gut regiert zu werden heißt auch freiheitlich, großzügig und intelligent regiert zu werden.“

In der Demokratie gelangen durch ein System der negativen Auswahl a priori Personen an die Macht, deren Charakter Merkmale der Unreife und Unwahrhaftigkeit aufweist, Personen, die mehr an Macht interessiert sind als am Wohl des Gemeinwesens. Aus der das bürgerliche Recht verhöhnenden 68er-Studentenbewegung erwuchs der BRD ein Außenminister namens Joseph Martin Fischer, von seinen Kumpanen/-innen buhlerisch „Joschka“ genannt. Er kam zu Rang und Ansehen in der Politik, und auf dem Höhepunkt seiner Macht bekleidete er ein so verantwortungsvolles Amt wie das des Bundesaußenministers. Seine Vita verkörpert den Idealtypus des demokratischen Politikers und steht für zahlreiche weitere politische Karrieren im Parteienstaat: Fischer verließ noch vor Beendigung der 10. Klasse 1965 das Gottlieb-Daimler-Gymnasium in Stuttgart-Bad Cannstatt ohne Abschluss und begann in Fellbach eine Lehre als Fotograf, die er 1966 abbrach. Danach arbeitete er vorübergehend als Spielwarenverkäufer, Taxifahrer und später als Minister.

Jemand, der in Deutschland versucht, sich in einem naturwissenschaftlichen Fach zu habilitieren, muss höhere Hürden nehmen, damit er Verantwortung übernehmen kann. Um die Berechtigung zu erhalten, in einem speziellen wissenschaftlichen Fachgebiet, an einer bestimmten Hochschule, vor ein paar ausgewählten Studenten zu lehren, muss er sicherstellen, dass er als Wissenschaftler sein Fach in voller Breite in Forschung und Lehre vertreten kann.

Für den Beruf des demokratischen Politikers, dem nicht nur ein paar Studenten, sondern ein ganzes Volk ausgeliefert ist, braucht es dagegen keinerlei Expertise. Einmal zum Minister ernannt, kann der Erhobene das Ressort nach Geschmack und aktuellem Bedarf wechseln, ohne auch nur die leiseste Kenntnis der Angelegenheit zu besitzen, die er nun öffentlich vertritt. Kaum ins Amt gelangt, sind dementsprechend viele Emporkömmlinge der Häme der Öffentlichkeit ausgesetzt. Die Wähler fragen sich ungeachtet ihrer Wahlentscheidung, wieso ihre Parlamentarier ohne professionelle Betreuung plötzlich so überfordert wirken.

Der Einwurf, diese Leute hätten ihre Fachberater, greift nicht, denn wenn der Amateurminister bar jeder Tauglichkeit, aber Chef ist und bleiben will, wird er ausschließlich nach politischer Opportunität, also nach persönlichem Vorteil entscheiden. Das ist auch nicht überraschend. Dass der Mensch zu seinem eigenen Vorteil entscheidet, ist viel wahrscheinlicher, als dass er es nicht tut, denn „wer an der Krippe steht, der frisst!“ Für sich selbst zu sorgen ist Voraussetzung, damit man auch für andere sorgen kann. Jedoch, und hier setzt das Problem ein: Ist ein Gemeinwesen so aufgestellt, dass es einer Gruppe von Personen erlaubt ist, sich allein mittels Gesetzesgewalt der Arbeitskraft anderer Menschen zu bedienen, wird das persönliche Nutzdenken auf die Allgemeinheit ausgeweitet.

Ein letztes Mal blitzte 2005 die Hoffnung auf, dass es auch anders gehen könnte: Die Kanzlerkandidatin Frau Dr. Merkel hatte den parteilosen, hochgelehrten Rechtsprofessor Paul Kirchhoff in ihr Schattenkabinett geholt, um in Deutschland überfällige Reformen ins Werk zu setzen. Dem sich durch erhebliche Volksnähe auszeichnenden Kanzlerkandidaten Schröder war es ein Leichtes, Prof. Kirchhoff allein aufgrund seiner fachlichen Reputation als „Heidelberger Professor“ zu diskreditieren. Das kam gut an. Paul Kirchhoff hatte in der durch die Sozialdemokraten aufgeheizten Stimmung gegen das Höherstehende keine Chance. Damit war dann die letzte Möglichkeit für vernünftige Politik vertan. Frau Dr. Merkel hat nie wieder einen Versuch unternommen, hätte sie deshalb doch um Haaresbreite die Wahlen verloren. Ihre Illusion der echten Menschenbeglückung und Weltverbesserung mündete rasch in eine realistischere Sicht der Dinge und ließ sie erkennen, dass sich die Tätigkeit des demokratischen Politikers darauf beschränkt, seine eigene Klientel zu bedienen. Allerdings kann Frau Dr. Merkels nicht hoch genug zu bewertender, aber gescheiterter Ansatz, sachgerecht zu regieren, heute als Zeitpunkt des endgültigen Versagens der Parteien-Demokratie als vernünftige Regierungsform gelten. Es geht ihr und ihrer Regierung heute nur noch um Konkursverschleppung.

Unter den traumatisierenden Wirkungen der Hatz auf seine Person und Existenz verfasste Paul Kirchhoff ein Buch, das unter dem Titel „Das Gesetz der Hydra“ auf den Markt kam. Darin vergleicht er den demokratischen Staat mit der menschenfressenden, vielköpfigen „Lernäischen Schlange“. Dass diese „Hydra" eine mythische Gestalt ausgerechnet der griechischen Odyssee darstellt, muss angesichts der aktuellen Tatsachen als Treppenwitz der Geschichte erscheinen.

So bleibt der Bürger weiterhin hilflos dem infantilen Eifer politischer Dilettanten ausgeliefert. Mangels Intelligenz und bar jeglicher sachlich oder moralisch begründbaren Rechtfertigung neigen zahlreiche „Volksvertreter“ dazu, sich in hemmungsloser Geltungs- und Gestaltungssucht zu ergehen. Deren Auftritte machen schmerzlich bewusst, dass die vernichteten traditionellen Eliten nicht durch Simulanten ersetzt werden können, welche meinen, dass es ausreiche, lesen und schreiben zu können und manchmal ein akademisches Zeugnis vorzulegen. Als in vordemokratischen Zeiten die Deutschen noch als „Volk der Dichter und Denker“ galten, verstanden Politiker ihr Handeln als taktische Staatskunst. Heute wird die Erinnerung daran nur noch achselzuckend im Plusquamperfekt vorgetragen.
Der kolumbianische Philosoph Davila (gest. 1994) meinte resigniert:
„Die Freiheit des Demokraten besteht nicht darin, alles sagen zu können, was er denkt, sondern nicht alles denken zu müssen was er sagt.“

Die Bühne für die Politamateure und ihre Erlösungsdogmen einer planwirtschaftlich orientierten Sozial- und Wirtschaftslehre bieten die GEZ-finanzierten Staatsmedien. Das Volk lauscht dort den hochaktuellen und lebensnotwendigen Nachrichten von der innerstaatlichen Front „kriegerischer“ Auseinandersetzungen, zwischen den sich um die besten Plätze am Futtertrog der Steuermittel prügelnden Anwärtern. Für dieses ekelhafte, die niedrigsten Instinkte des Menschen ansprechende Schauspiel, zahlt das verbliebene Viertel leistungsfähiger Bürger inzwischen den überwiegenden Teil seines erwirtschafteten Einkommens. Und dann wird der Ausgeplünderte und Geknechtete auch noch zum Zuhören und Zuschauen genötigt. Kaum ein Ort, wohin man vor dieser Dauerpropaganda fliehen kann.

Risiken bei der Vergewaltigung der Gesellschaft tragen demokratische Politiker nicht. Stattdessen werden ihnen Denkmäler gesetzt, in Form von nach ihnen benannten Gesetzen (z.B. Hartz). Die Kommunisten und Gewerkschafter haben ausnahmsweise recht: Hartz IV muss weg – und zwar ersatzlos.

Das demokratische Gebaren des maximalen Herumregierens in minimaler Qualität ist nicht nur eine Zumutung, Ehrverletzung und intellektuelle Beleidigung, sondern auch extrem teuer.
Die Bürger wehren sich tapfer und trickreich durch Steuervermeidung, Schwarzarbeit, Wahlenthaltung, Auswanderung und mittels der Weigerung, „Kinder in diese Welt zu setzen“.

Aber auch diese Alternativen sollen jetzt durch die totale Weltdemokratie verbaut werden. Sie wird am Hindukusch bereits verteidigt.

 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: fea ancalima

EKL spricht in seinen Werken gerne von klaren, aber falschen Ideen. Zum Beispiel das vorschnelle Vernknüfen von Demokratie und Freiheit. δῆμος heißt eigentlich nicht neutral Volk, sondern Pöbel. Nicht sehr schmeichelhaft, was? Im Lateinischen müsste man plebs sagen. Da gibt es eine Seite namens monarchieliga, die einige Aufsätze von KL online gestellt hat. (Der Betreiber ist ein Sedisvakantist, bitte nicht wundern und nicht alles soo ernst nehmen.) KLs Ideen wurden später von Hans-Hermann Hoppe weiterentwickelt.
Überhaupt: Wie konnte es nach den ewigen Nie-Wieder-Beteuerungen überhaupt zu einer Renaissance des Rechtspositivismus kommen?

Gravatar: bitbuerster

Chapeau! Ich habe schon lange keine dermaßen politisch unkorrekte, weil präzise und ungeschminkte Kolumne gelesen.
Meine eigene Analyse ist kaum anders ausgefallen und so habe ich vor einigen Jahren schon Deutschland den Rücken gekehrt, um in die Schweiz auszuwandern.
Dort ist das Prinzip der direkten Basisemokratie verwirklicht. Und da das Volk der einzige Regent ist, der nicht wiedergewählt werden will, stellt diese Art der Demokratie die einzige Garantie dagegen dar, dass der Staat zur Beute von Lobbyisten wird: Ansonsten ist der Systemfehler jeder Form von "Politokratie" ja immer, dass ein Politiker dermaßen viele Verpflichtungen eingehen muss, um in Amt und Würden zu kommen, dass er hernach seine gesamte erste Regierungszeit damit verbringt, all diese Verpflichtungen bedienen zu müssen. Die zweite Hälfte besteht dann daraus, all jene Verpflichtungen überzuerfüllen, um sich nach Ende seiner Politzeit in einen gutdotierten Vorstandsposten entsorgen lassen zu können.
-Mithin: Lasst uns sehen, ob nach der nächsten Revolution genügend Konsens besteht, um in der nächsten deutschen Republik eine mündige Basisdemokratie zu errichten.
-Sprach ich von "Revolution"? Ja, diese wird kommen. Allerdings muss es erst noch viel schlechter werden, bevor es wieder besser werden kann. Das Ignorieren von demografischer Entwicklung, Migrationsproblemen, Verteilungsungerechtigkeit und exzessiver Staatsverschuldung gräbt aber jeden Tag das Grab eine Schippe tiefer.

Gravatar: Tobias

Susanne, was ist dein Gegenvorschlag?
Denkst du, dass sch durch "demokratische Mitbestimmung" eine Veränderung herbeiwählen lässt? Lass dir gesagt sein: Der Karren muss komplett vor die Wand fahren, bevor sich irgend etwas bewegt.

Gravatar: Susanne

Verstehe ich diesen Blog richtig, dass sich sein Verfasser für eine Revolution oder einen Putsch ausspricht? Solche Art von Reden hörte man in den zwanziger Jahren in Münchner Bierkellern. Wo es geändet hat sollte jeder wissen.

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