Zum Tod von Ronald Coase (1910 - 2013)

Ronald Coase hat sich für seine Ideen viel Zeit gelassen. In mehr als einem Jahrhundert Lebenszeit verfasste der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler nur ein gutes Dutzend Aufsätze, von denen jedoch nur wenige ohne signifikante Wirkung blieben.

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Zwei davon, den einen schrieb er bereits als Student 1937 und den anderen 23 Jahre später, haben in ihrer gedanklichen Schärfe und Einfachheit das Denken vieler Wirtschaftswissenschaftler vom Kopf auf die Füsse gestellt und ihm einen Nobelpreis eingebracht.

In jungen Jahren, politisch noch sehr sozialistischen Ideen angetan, quälte sich Coase zunächst mit der Frage herum, weshalb es nicht möglich war die Wirtschaft Russlands wie ein Unternehmen zu steuern, wo doch auch im Kapitalismus erfolgreiche Konzerne existierten. In seinem Aufsatz The Nature of the Firm legte er daraufhin dar, warum Unternehmen eigentlich in einer Marktwirtschaft existieren. Zwar werden Unternehmen planwirtschaftlich betrieben, doch anders als in kollektiven Wirtschaftssystemen, erfolgt die Kooperation auf freiwilliger Basis. Menschen organisieren sich in Unternehmen, weil allzu dezentrales wirtschaften zu hohe Transaktionskosten verursacht. Ohne diese Kosten der Kommunikation und Vertragskontrolle gäbe es in der Marktwirtschaft keine Unternehmen, jeder würde als selbstständiger Unternehmer mit allen anderen Tauschgeschäfte abschließen. Um Kosten zu senken, wird Marktaustausch durch hierarchische Organisationsstrukturen ersetzt, doch funktioniert das nur bis zu einer bestimmten Unternehmensgröße, ab der fehlender Wettbewerb und ein Mangel an Flexibilität und Innovation tödlich sind. Coase hatte erkannt, dass der Planwirtschaft enge Grenzen gesetzt sind und eben auch eine Erklärung für die Existenz von Unternehmen gegeben, die heute allgemein akzeptiert ist. Nicht nur die Forschung, sondern auch das Management von Unternehmen hat davon profitiert.

Mit seinem Aufsatz The Problem of Social Cost hat Ronald Coase nicht nur das Denken innerhalb der Wirtschaftswissenschaften maßgeblich beeinflusst, sondern auch den Grundstein für einen wahrhaft liberalen Lösungsansatz für viele Umweltprobleme gelegt. War vor der Veröffentlichung der Arbeit jeder Ökonom davon überzeugt, dass wirtschaftliche Aktivitäten externe Effekte erzeugten, die nur durch staatliche Maßnahmen abgebaut werden konnten, stellte Coase klar, dass nicht das Verursacherprinzip der Weisheit letzter Schluss ist, sondern stabile Eigentumsrechte und niedrige Transaktionskosten der Maßstab des umweltpolitischen Handelns sind. Waren bislang alle Ökonomen der Ansicht Arthur Pigous gefolgt, dass Umweltverschmutzung aus wirtschaftlichen Aktivitäten nur durch staatliche Verbote oder zumindest eine dem zusätzlichen Schaden entsprechende Abgabe auf die verschmutzende Produktion reduziert werden könne, hielt ihnen Coase vor, das Problem nur halb durchdacht zu haben. Er beschrieb die Verursachersymmetrie solcher Konflikte, in denen es im Kern um konkurrierende Nutzungsansprüche an knappe Ressourcen ging, weshalb es in einer Welt ohne Transaktionskosten auf eine einvernehmliche Einigung der streitenden Parteien kommen würde. Der eine würde gegen Kompensationszahlungen des anderen seine Aktivitäten reduzieren, wohingegen der andere sich um Geld zu sparen selbst an die veränderte Situation anpassen würde. Der Staat könnte sich grundsätzlich darauf beschränken, Eigentumsrechte an den strittigen Ressourcen zuzuteilen und für deren Schutz zu sorgen. Alles andere würden die Bürger unter sich ausmachen. Wie George Stigler die Geschichte dieser später Coase Theorem genannten ketzerischen Idee beschrieb, brauchte es nur eine Diskussion beim Abendessen, um eine maßgebliche Gruppe liberaler Ökonomen der Universität von Chikago, darunter auch Milton Friedman, ein für alle mal vom Verursacherprinzip Pigous zu heilen.

In einer Welt mit Transaktionskosten hat Ronald Coase Idee erhebliche Konsequenzen für die Umweltpolitik. Umweltprobleme sind Transaktionskostenprobleme und entstehen nur, wenn Eigentums- und Nutzungsrechte nicht existieren oder nicht geschützt werden. Also geht es in der Umweltpolitik nicht darum, ein Umweltproblem zu identifizieren, den Schaden zu quantifizieren und einen vermeintlich Verursacher dingfest zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Vielmehr geht es um die Suche nach rechtlichen Regeln, die es den Konfliktparteien möglichst einfach machen gegenseitig handelseinig zu werden. Die liberale Antwort auf den staatlichen Interventionismus der Umweltpolitik war damit gegeben. Nicht mehr Staat, sondern sichereres Eigentum, klare Regeln und Eigenverantwortung sind der Schlüssel zu einer sauberen Umwelt. Beispiele hierfür gibt es inzwischen viele, ob es nun der Handel mit Fischereirechten, Eigentum an seltenen Tieren oder auch der Handel mit Verschmutzungsrechten in der Luftreinhaltung ist. Wer Coase Werk aufmerksam gelesen hat, weiß aber auch, weshalb vermeintlich marktwirtschaftlicher Umweltschutz dann doch nicht funktioniert.

Nicht unerwähnt sollten die Verdienste von Ronald Coase als Wirtschaftshistoriker bleiben, denn auch hier hat er mit so manchem Mythos aufgeräumt. Jahrzehntelang galt der Leuchtturm als Paradebeispiel eines öffentlichen Gutes, dass wegen des Trittbrettfahrerverhaltens der Menschen vom Staat auf Steuerzahlerkosten zur Verfügung zu stellen sei. Bis Ronald Coase in The Lighthouse in Economics nachwies, dass Leuchttürme bis in das neunzehnte Jahrhundert hinein in Großbritannien privat betrieben wurden und die Kosten den Schiffen vom Betreiber in Rechnung gestellt wurden. Wie auch im Falle anderer als öffentliche Güter bezeichneten staatlichen Dienstleistungen, hat der Staat, oft auf Initiative einflussreicher Lobbyisten, erst später das private Angebot verdrängt, nicht selten zum Schaden der Angebotsqualität.

Auch wenn Ronald Coase sich selbst politisch eher bedeckt hielt und anders als etwa Milton Friedman oder Friedrich August von Hayek nie zu einer Galionsfigur der Liberalen wurde, ist sein Werk doch von fundamentaler Bedeutung für den Liberalismus. Er hat die Bedeutung des Eigentums und der privaten Entscheidungsautonomie theoretisch brillant ausgearbeitet und in seiner praktischen Bedeutung beschrieben, er hat uns klar gemacht, dass Kooperation und nicht Konfrontation das Ziel jeder Politik sein sollte. Sein Augenmerk auf die Transaktionskosten gesellschaftlichen Handelns hat klar gemacht, dass das von ihm stets als “blackboard economics” verachtete theoretische Marktmodell realitätsfern ist und daher nicht als Maßstab staatlicher Reparaturen am Wirtschaftsgeschehen taugt. Weil Reibungsverluste nicht nur auf Märkten Realität sind, sondern gerade in öffentlichen Institutionen auf die Spitze getrieben werden, legte er auch den Finger auf die Wunden politischer  Utopien. Er hat Türen zur Realität aufgestoßen, an denen viele vor ihm auf der Jagd nach politischen Visionen einfach vorbeigeeilt sind.

Beitrag erschien zuerst auf: liberalesinstitut.wordpress.com

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