Zu simplen Verbrechern werden wir sie stempeln

Der deutsche Pressekodex ist eindeutig: Journalisten „nehmen ihre publizistische Aufgabe fair, nach bestem Wissen und Gewissen, unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen wahr. (...)

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Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. (...) Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen (...) sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.“
Die Süddeutsche Zeitung ist in ihrer Artikelüberschrift vom 25. März ebenfalls eindeutig: „Und wieder schwieg Ratzinger“. (Link: www.sueddeutsche.de/politik/776/506942/text/)

Wie ist diese Überschrift zu verstehen? Es gibt nur eine sinnvolle Interpretation: „Der Papst hat geschwiegen (wo er hätte sprechen müssen). Und das war nicht das erste Mal. Im Artikel folgen die Fakten.“ – Doch diese angeblichen „Fakten“ stammen, wie wir im folgenden DPA-Text erfahren, aus einem Bericht der New York Times. Müßte dann die Überschrift nicht heißen: „New York Times erhebt schwere Vorwürfe gegen den Papst“? Ja, das wäre besser, doch würde es nicht genügen. Ohne Schwierigkeiten hätten DPA und Süddeutsche nämlich auch die Stellungnahme des Vatikans gegenüber der New York Times erhalten können, die sogar bequem über das Internet abrufbar ist (Link: www.zenit.org/article-20173). DPA und Süddeutsche haben also gleich zweimal gegen den Pressekodex verstoßen: Sie haben uns erstens eine Überschrift vorgesetzt, die eine Tatsachenbehauptung aufstellt, aber dann nur von unbestätigten Zitaten aus einer fremden Zeitung gefolgt wird. Und sie haben zweitens den nachweislich geringen Aufwand gescheut, die verbreiteten Behauptungen auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen.

Ein wahrheitsgemäßer Bericht hätte mindestens die Darstellungen beider Seiten, also der New York Times und des Vatikans erfordert.
Doch leider ist dies nur ein Beispiel. Ohne Zahl sind die suggestiven oder verleumderischen Titel und Überschriften in Presse, Rundfunk und Fernsehen, die sich geradezu überschlagen, um dann von der nächsten Artikelwelle abgelöst zu werden: „Der Papst muss eines Tages seine Schuld gestehen“, „Wusste der Papst doch mehr ?“ (Tagesschau); „Die Skandale rücken näher“ (Welt Online); „Kardinal Ratzinger hüllte sich in Schweigen“ (Südwest Presse). Und hier geht es nicht um neue Nachrichten, sondern um Behauptungen einer Zeitung, die auf Behauptungen von Anwälten gestützt sind, die wiederum auf Jahrzehnte zurückliegende Ereignisse bezug nehmen.

Wir haben es mit einer Kampagne zu tun, wie wir sie in den letzten Jahren gehäuft erlebt haben. Neben der Dauerkampagne gegen Pius XII. werden in steigender Frequenz und zunehmender Bösartigkeit Kampagnen gegen Benedikt XVI. gefahren: Regensburger Vorlesung: Der Papst greift den Islam an. Reise nach Afrika: Der Papst ist für die AIDS-Toten verantwortlich. Aufhebung der Exkommunikation gegen Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X.: Der Papst unterstützt die Verharmlosung des Holocausts. Et cetera. Hinzu kommen viele weitere Kampagnen und Verunglimpfungen, die sich nicht direkt gegen den Papst, wohl aber gegen die Kirche richten.

Alle haben gemeinsam, daß sie sich mit ein wenig Recherche sofort entkräften lassen. Denn sie beruhen auf Tatsachenverdrehungen, mit Tücke kombinierten Halbwahrheiten oder glatten Lügen. Doch aufgrund der schieren Masse der Attacken kommt man mit den Richtigstellungen gar nicht hinterher. Hinzu kommt, daß die Medien diesen Richtigstellungen ohnehin keinen Raum geben. Dies bedeutet aber, die Medien verschweigen die Wahrheit absichtlich. Das ist erschreckend. Noch erschreckender ist der Gleichklang, der einem aus quasi allen Tageszeitungen sowie Rundfunk- und Fernsehsendern entgegenschallt. Ja, man muß von einer Gleichschaltung sprechen. Im Gegensatz zu den beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts findet diese Gleichschaltung diesmal jedoch freiwillig statt, was geradezu unglaublich ist. Goebbels mußte noch Gewalt androhen und anwenden, um sein Ziel zu erreichen. Unser heutiger Zeitgeist hat dies nicht nötig. Ist denn dieser Vergleich mit dem Nationalsozialismus statthaft? Ja, er drängt sich förmlich auf! Als Beleg mag die Rede von Joseph Goebbels dienen, die er am 28. Mai 1937 in der Berliner Deutschlandhalle gehalten hat. Dort sprach er von „himmelschreienden Skandalen“, einer „allgemein sittlichen Korruption, wie sie die Geschichte der Zivilisation kaum jemals gekannt hat“, „pervertierten und skrupellosen Jugendschändern“ und forderte, daß „diese Sexualpest mit Stumpf und Stiel ausgerottet werden“ müsse. Es folgte eine großangelegte Kampagne der Presse. Hitler selbst hatte schon 1933 geschrieben: „Ich werde bestimmt keine Märtyrer aus ihnen machen. Zu simplen Verbrechern werden wir sie stempeln. Ich werde ihnen die ehrbare Maske vom Gesicht reißen. Und wenn das nicht genügt, werde ich sie lächerlich und verächtlich machen. Filme werde ich schreiben lassen ... wenn ich will, könnte ich die Kirche in wenigen Jahren vernichten“. (Link: www.landesbischof-meiser.de/downloads/Kirchenfrage.pdf) So sollte es denn auch zu medienwirksamen Schauprozessen kommen.

Doch aus den angekündigten 6000 Fällen wurden nur 58 Anklagen. Daraus gingen dann 36 Freisprüche hervor. Doch darüber durfte die Presse nicht berichten. Heute dürfte die Presse darüber berichten, daß die Zahl von Mißbräuchen pro katholischem Priester minimal ist im Vergleich zur Zahl von Mißbräuchen pro Mann im allgemeinen. Stattdessen wird der Eindruck erweckt, es handle sich um ein spezielles Problem der Kirche. Und der Zölibat, der natürlich auch Hitler ein Dorn im Auge war, wird verantwortlich gemacht.

Was motiviert die Journalisten heute? Bei der Masse ist vielleicht ein Hang zum Opportunismus und vorauseilendem Gehorsam entscheidend. Anderen mag schlicht das Interesse an der Wahrheit fehlen. Sie wollten eben „was mit Medien“ machen und sind Journalisten geworden. Nun schreiben sie Agenturtexte ab. Entscheidend sind aber die Chefredakteure. Sie laden die größte Schuld auf sich. Denn sie verantworten, was passiert und können sich nicht damit herausreden, in einem Terrorregime keine Wahl gehabt zu haben.

Der Verdacht drängt sich auf, daß zwischen den Beweggründen eines Dr. Goebbels und denjenigen unserer heutigen Chefredakteure durchaus Parallelen bestehen. In beiden Fällen wurde die katholische Kirche als Hemmschuh auf dem Weg zu einer neuen, idealisierten Gesellschaftsform identifiziert. War es damals der National-Sozialismus, so ist es heute eine erträumte gottlose Neue Weltordnung, deren globalisierte Bürokratie funktionierende Familien und freie, Ihrer eigenen Würde bewußte Individuen nicht gebrauchen kann.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Z. Klimowa

Die Presse hat ihre eigene, oft unerbittliche Gesetzmäßigkeit. Das erleben nicht nur Kirchenoberhäupter. Politiker, Zumwinkels, Sportler, viele, die im Rampenlicht stehen, auch Medienschaffende selbst. Dass auch in diesen Fällen oft nicht fair gearbeitet wird, ist ebenso zutreffend. Dafür gibt es einen Presserat, und notfalls auch Gerichte.

Gravatar: Vinzent Sperling

Lieber Phaeno,
ich habe keine besonders hohe Meinung vom heutigen allgemeinen Bildungsstand in Deutschland. Allerdings halte ich einen Hinweis darauf, wer in der Zeit des National-Sozialismus der Presse Verbote erteilt hat, wirklich für unnötig. (Nein, es war nicht die Heinrich-Böll-Stiftung.)
In bezug auf Ihren zweiten Kritikpunkt möchte ich Sie einladen, einmal über den Unterschied zwischen einem Vergleich und einer Gleichsetzung nachzudenken. Danach lesen Sie meinen Text bitte noch einmal.
Ebenfalls möchte ich nun SIE bitten, konkret darzulegen, welcher Manipulationsmethoden sich "kirchliche Kreise" Ihres Erachtens denn bedienen.

Gravatar: Phaeno

Nun Herr Sperling, wenn Sie schon über Manipulatuion durch die Presse schreiben, sollten Sie sich selbst solcher Methoden enthalten. Wenn Sie schreiben, dass die Presse über das Verhältnis von Anklagen und Freisprüchen nicht schreiben DURFTE, sollten Sie auch Ross und Reiter nenen und mitteilen, wer das denn verboten hatte. Ihre Gleichsetzungen der heutigen Presse mit den Methoden der NS-Herrschaft ist schlicht unerträglich und entspricht den Manipulationsmethoden der kirchlichen Kreise.

Gravatar: Lorenz Gadient

Vielen Dank für Ihren Artikel. Sie sprechen mir aus dem Herzen - und tischen handfeste Fakten auf. Das ist hilfreich für die Diskussion, in die ich mich gelegentlich auch einschalten will. Dass gegen die Kirche Kampf geführt wird, muss jetzt auch dem Letzten gedämmert haben...
Machen Sie weiter so!

Gesegnete Ostern - Lorenz Gadient, Klinikpfarrer in Ingolstadt

Gravatar: Pauline

Sehr geehrter Herr Sperling,
vielen Dank für Ihren erhellenden Beitrag.
Ich wusste nicht, dass es solch einen Pressekodex gibt.
Ich bin fest davon überzeugt, dass die Kirche das Übel des Missbrauchs an der Wurzel aussreissen wird.
Ist es möglich, dass Sie diesen Artikel an alle Chefredakteure schicken, als Rundschreiben. Wem der Schuh dann passt, der wird ihn sich anziehen, und ein Höllengeheul loslassen.
Wir brauchen viele mutige Menschen die auch dieses "Vergehen" in den Medien anprangern.

ich wusste nicht, dass es solch einen
Pressecodex gibt.

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