Zielsprint mit Fallstrick

160 Tage vor der Bundestagswahl riecht alles nach einem erneuten Wahlsieg von Angela Merkel. Jetzt droht der Kanzlerin aber Gefahr aus unerwarteter Richtung.

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Der schon vorhandene Wert eines Gutes lässt sich weiter steigern, indem es sich rar macht. Auch an diesem Wochenende fand Angela Merkel wieder nicht statt. Obgleich unsichtbar, war sie doch auf allen Kanälen und in der Presse präsent. Wie ein Schatten lag die Popularität der Kanzlerin über dem SPD-Parteitag in Augsburg und auch dem Gründungsparteitag der „Alternative für Deutschland“ verlieh die CDU-Bundesvorsitzende den entscheidenden Impuls. Die neue Partei spiegelt schon in ihrem Namen ein zentrales Motto der Merkelschen Politik, die in sich zuspitzenden Krisen dramatische Kehrtwenden und Richtungsentscheidungen gern „alternativlos“ nennt.

Mit 60 Prozent Zustimmung enteilt sie immer weiter ihrem Herausforderer Peer Steinbrück, der es trotz und zugleich wegen verzweifelter Anstrengung und Verbiegung der eigenen Persönlichkeit auf gerade einmal 25 Prozent bringt. 160 Tage vor der Bundestagswahl kann sich die Kanzlerin das Wahlkampfgerangel fast schon aus lichten Höhen anschauen und muss wohl nur noch Tod und Teufel fürchten. Bleibt sie mit ihrer Politik aus dem „Schlafwagen“, wie die Grünen sich mühen, ihre unaufgeregte Art einer zuwartenden und dann sehr dezidierten Entscheidungsfindung zu charakterisieren, einfach an der Macht? Dafür gibt es sieben Gründe:

1. Keine Wechselstimmung im Land

Anders als 1998 nach 16 Jahren Helmut Kohl Kanzleramt gibt es nach acht Jahren Merkel keine Wechselstimmung im Land. Eine alte Weisheit besagt, dass Regierungen nicht gewählt, sondern abgewählt werden. Das Wahlvolk aber scheint seiner Kanzlerin noch nicht überdrüssig zu sein. Merkel sonnt sich nicht in Selbstgefälligkeit, sondern nimmt sich geschickt zurück. Schon wird ihr Politikstil als eher zögerlich, denn auftrumpfend wahrgenommen. Nikolaus Blome, stellvertretender Chefredakteur von „Bild“, bezeichnet sie fast schon bewundernd als „Zauderkünstlerin“.

2. Die Krisen stabilisieren

Mitten in der Strömung wechselt man nicht die Pferde. Der Kanzlerin ist es gelungen zu vermitteln, dass sie in der europäischen Staatsschulden- und Währungskrise den Überblick behält, besonnen agiert und sich zugleich durchzusetzen weiß. Solange die Eurozone nicht implodiert, die Energiepreise in Deutschland nicht explodieren und die Konjunktur nicht zusammenbricht, schaut es aus, als behalte Merkel die Zügel in der Hand.

3. Die Kritik im Ausland hilft

Die Attacken aus Griechenland, Zypern, Spanien und Italien auf die Kanzlerin bewirken eine Solidarisierung. Mit Merkel fühlen sich auch viele Deutsche persönlich angegriffen und durch die permanenten Nazivergleiche diffamiert. Die Menschen wissen, dass deutsches Steuergeld die Länder ökonomisch über Wasser hält, in denen sie für Tugenden wie Sparsamkeit unfair verunglimpft und an den Pranger gestellt werden. Dass die sozialistische Regierung des französischen Präsidenten François Hollande die deutsche Kanzlerin mit dieser Schmähkritik allein lässt, wird als unsolidarisch empfunden und schlägt Wunden.

Wenn der SPD-Kanzlerkandidat just in diesen Momenten zufrieden lächelnd in den Elysée eilt, um sich der Unterstützung des sozialistischen Präsidenten gegen die deutsche Kanzlerin zu vergewissern, erscheint dies befremdlich. Dass die Regierung Hollande mit der Entdeckung schwarzer Kassen beim dies zunächst energisch leugnenden Haushaltsminister soeben ein Waterloo ihrer „neuen ethischen Politik“ erlebt, wird fast als eine gerechte Bestrafung empfunden. Je mehr aus Europa von Deutschland gefordert wird, desto mehr hoffen die Bürger, dass Merkel weiteren Forderungen gegenüber standhält. Steinbrück aber will die Schleusen für deutsches Steuergeld nach Europa sogar noch weiter öffnen und steigert Befürchtungen, dass es zu einer großen Inflation oder einem Währungsschnitt kommen könnte.

4. Steinbrück erscheint autoritär, aber nicht authentisch

Immer wieder versucht Peer Steinbrück in wahlweise schnodderigem oder gereiztem Tonfall, als Besserwisser den Basta-Stil des letzten sozialdemokratischen Kanzlers Gerhard Schröder zu imitieren. Dies aber kommt als ein eher verzweifeltes Pfeifen im Walde rüber. Kumpaneien als Arbeiterführer oder Seniorenheimbesucher werden dem schneidigen Finanzfachmann auch nicht abgenommen. Ebenso wenig trauen die Wähler dem Managertyp Steinbrück eine innere Übereinstimmung mit oder gar Begeisterung für das mit der SPD-Linken und den staatsgläubigen Grünen verabredete Steuererhöhungsprogramm.

5. Kein glaubwürdiges rot-grünes Projekt

Die Erhöhung der Steuern für sogenannte Besserverdiener, Reiche und Vermögende soll einer rot-grünen Bundesregierung die Mittel in die Hand geben, um mehr Gerechtigkeit herstellen und gesellschaftsverändernde Projekte auf den Weg bringen zu können. Die Deutschen aber haben die Nase voll von noch mehr Steuern und argwöhnen zu Recht, dass am Ende des Tages Steuerorgien nicht nur die Reichen, sondern auch den Mittelstand treffen und auch Facharbeiter und Familien in den Kreis der zur Kasse Gebetenen einbeziehen.

h6. 6. Merkel als unideologische Hüterin der sozialen Gerechtigkeit

So kann sich die Kanzlerin als unideologische Hüterin auch der Anliegen der kleinen Leute profilieren. Sie punktet mit dem Argument, dass es Deutschland gut geht und das Land in puncto Arbeitsplätze und Jugendarbeitslosigkeit, Wachstum und Wohlstand als ein Leuchtturm und Hort der Prosperität in Europa erscheint. Mehr Wohlstand für alle aber hat eine brummende Wirtschaft zur Voraussetzung. Steuern lassen sich nur da abgreifen, wo sie zuvor auch erwirtschaftet worden sind. Geschickt hat die Kanzlerin sich auch beim Thema Mindestlohn mit der Debatte über Lohnuntergrenzen oder betreffend eine maßvolle Erhöhung der Einkommenssteuersätze für Spitzenverdiener bewegt. Die Homoehe oder eine noch schärfere Regulierung der Banken sind keine wahlentscheidenden Themen.

7. Deutschland als Modell

Auch in Europa wähnt man die Deutschen in einem nahezu paradiesischen Schlaraffenland und beneidet und bewundert das neue deutsche Wirtschaftswunder. Die schrillen Sirenentöne der impulsiven Claudia Roth erzeugen nicht die Panik, mit der sich Wählermassen ins rot-grüne Lager treiben lassen. Rot-Grün gelingt es nicht, ein Horrorszenario mit wirtschaftlichem Niedergang und Massenverelendung glaubhaft zu inszenieren. Vielmehr jagt die Vorstellung des süffisanten Jürgen Trittin als Bundesfinanzminister nicht nur der berühmten schwäbischen Hausfrau gruselige Schauder über den Rücken.

Der Teflonkanzlerin droht Gefahr aus dem eigenen Lager

Die Rücktritte von Ministerin wie Karl-Theodor zu Guttenberg oder Norbert Röttgens Entlassung als uneinsichtigem NRW-Wahlversager, der unwürdige Abgang von Bundespräsident Christian Wulff und auch die Debatte um die Energiewende und den Wehrdienst verfangen nicht und bleiben nicht an Merkel hängen. Doch der Übermut, mit dem eine parteiinterne Damenriege die zudem juristisch unausgegorene gesetzlich fixierte Frauenquote bei der Besetzung von Aufsichtsräten von Großunternehmen im Verbund mit der Opposition voran treibt, kann für Merkels schwarz-gelbe Koalition unversehens zu einer Zerreißprobe werden.

Daneben wächst mit der „Alternative für Deutschland“ (AfD) eine Bewegung von vorwiegend ehemaligen CDU-Mitgliedern heran, die der Union bei den Bundestagswahlen entscheidende Prozentpunkte abnehmen kann. Wie einst die Piraten erfährt die neue Partei einen rasanten Zulauf. Ihre Spitzenleute repräsentieren durchweg eine wertkonservative Elite, die im traditionellen Kern der Unionsparteien beheimatet war. Dies zeigt die verwundbare Schwachstelle von Merkel auf, deren unideologisch-pragmatische Ausrichtung in der Union oft als Beliebigkeit ohne tiefere weltanschauliche Verankerung und geistigen Masterplan empfunden wird.

Sollte es der AfD gelingen, sich mit einem breiteren Themenangebot als dem Ausstieg aus dem Euro und dem Wiedereinstieg in die D-Mark zu profilieren und sie eine stimmige Agenda für eine vernünftige Steuerreform, eine kluge Familienpolitik und weitere „Best of“-Elemente (Alard von Kittlitz in FAZ 13.4.2013) aus dem konservativen Wertekanon anbieten sowie sich organisatorisch als seriös erweisen, dann könnte die AfD auch die Fünfprozent-Hürde überspringen und in den Bundestag einziehen. Die Kanzlerin hätte dann einen weiteren schwierigen Koalitionspartner. Dies wäre aber nicht der Teufel und es könnte zwar, es müsste aber nicht ihr politischer Tod sein.

Beitrag erschien zuerst auf: TheEuropean.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

@ Mittelalter

Ja, Sie sagen es: Die Partei der Nichtwähler stellt die größte Fraktion in diesem Lande. Wer die mobilisiert, der gewinnt die politische Macht. Den Altlastenparteien mit ihren ganzen Lügen wird das nicht gelingen. Die Leute haben die Nase gestrichen voll von der Alternativlosigkeit und der politischen Monokultur der Einheitspartei Deutschlands. Wir wurden zum Euro nie gefragt, nun aber werden wir mit der AfD darüber abstimmen und ich sage: "Raus, so schnell als möglich raus aus der Nummer!"

Es gab Europa auch ohne den Euro und erstaunlich ist, dass erst mit dem Euro die Kanzlerette in NS-Uniform durch Europa geistert. Was ist schiefgelaufen? Eigentlich egal, wir müssen den Scherbenhaufen von Schäuble & Bankster zusammenfegen und in einer grundgesetzlich verankerten SOZIALEN MARKTWIRTSCHAFT neue anfangen. Wir hatten Wissen, wir hatten Kinder, wir hatten Familien und wo sind wir heute? Die Dr.-Titel werden gefakt, die demographische Keule erschlägt uns und jede 2. Ehe wird geschieden!!! Soll es "alternativlos" so weitergehen? Will uns eine Horde Kinderloser erklären wie wir leben sollen? Mir reichts und wenn die AfD morgen zur Massendemo ruft, dann werde ich die Nacht über telefonieren, um so viele wie möglich zu aktivieren!

Gravatar: Mittelalter

@ Richard Schütze

Einigen Dingen schenken Sie etwas zu wenig Beachtung.
In Meinungsumfragen vor dem Möchtegern-Kavallerie-Obristen und Möchtegern-Chef der 7. Kavallerie Steinbrück zu liegen, dies ist m. E. relativ einsichtig.

Was Sie aber vergessen, dies ist die Wahlbeteiligung und das Wahlverhalten. Bei der letzten Bundestagswahl hatte die FDP nur so viele Stimmen erhalten, weil viele enttäuschte Leute nicht die Union, sondern die Gelben gewählt hatten. Was werden diese Leute im Herbst wählen? Die Alternative oder den alternativlosen Merkel-Tatort, ein Tatort, der mit Sicherheit zu Armut, Not und Elend führen wird!

Dann die vielen Menschen, die aus Gründen der rationalen Ignoranz und mangelnder Alternativen der Wahlfarce ferngeblieben sind – bewusst wurde Wahlfarce geschrieben; denn die 5%-Hürde wirkt psychologisch mindestens wie 15% und ist mitverantwortlich dafür, dass die etablierten Parteien diesen Staat als Beute unter sich aufgeteilt haben, da neue Gruppierungen busher immer - z. B. mit der Antifa-Keule – zerrieben werden konnten. Nun, mindestens drei Dutzend bewusste Nichtwähler und auch vorsätzlich Ungültig-Wähler kenne ich in meinem persönlichen Umfeld. Von denen spielen zwei Dutzend mit dem Gedanken, doch im Herbst wieder etwas zu wählen – nämlich die Alternative.

Mein lieber Herr Schütze, wenn dies viele aus den Gruppen der Nichtwähler und Vorsätzlich-Ungültig-Wähler so machen werden, was dann mit Frau Merkel?
Gerade die Unionsparteien haben sich doch immer geradezu ausgezeichnet intolerant zu ihren Wahl-Verlierern verhalten!
Oder wird die Frau Merkel dann wieder in eine Koalition mit der SPD bilden? Also egal mit wem, Hauptsache an der Macht!

Gravatar: Karin Weber

Der Eindruck, dass Merkel übermäßigen Rückenhalt in der Bevölkerung hat, schließe ich mich keinesfalls an. Wer zu diesen „geschönten Meinungsumfragen“ beiträgt, erschließt sich mir nicht. Vermutlich werden nur die befragt, die von deren Politik profitieren. Die Masse aber hat die Nase einfach voll. Der Autor möge nur mal die Kommentare bei T-Online zu Beträgen über die Klimakanzlerin lesen. Das sind nur die, die es durch die Zensur geschafft haben und sprechen weiß Gott eine andere Sprache. Die CDU ist völlig fertig. Wenn Merkel über Nacht ins Koma fallen würde, dann wäre die Partei einfach nur da. Was Merkel macht, ruiniert unser Land und da spiele ich nicht nur auf deren Freundschaft zu Alice Schwarzer an. Ich finde, der „Rock“ der nicht durch Deutschland ging, reicht nun. Es wird Zeit, dass der Mief hier verschwindet. Aus diesem Grund finde ich auch die AfD ein MUSS für jeden Wähler. Dies jasagenden Pappnasen im Parlament werden doch von der Herrin nur noch als „Demokratiedarsteller“ gehalten. Insofern stimme ich der Rede von Prof. Lucke/AfD vollkommen zu.

Wir werden nach Merkels Abgang uns mit dem schweren Erbe befassen müssen. Ich prophezeie bereits jetzt voraus, dass auch die CDU sich unter dem Druck der Wähler und der Erkenntnis, an der Macht nicht mehr beteiligt zu sein, sich ein es nahen Tages selbst zerfleischen werden. Ganze Landesverbände werden geschlossen in die Altenheime einrücken, genau dahin, woher bis her die Wähler von Merkels Familienpolitik kamen. Merkel weiß das nur zu gut.

Die große Gefahr die jetzt für die AfD entsteht wäre wieder ein geschickter Coup der Chamäleon-Kanzlerin, die in Ermangelung eigener Ideen alternativlos das Konzept der AfD übernimmt und sich als deren Erfinder präsentiert. Die weiß ganz sicher, dass ihr und Schäubles Euro-Wahn dieses Land an die Kante gespült hat. Aus der Nummer muss sie geschickt wie immer irgendwie rauskommen. Die AfD sollte sich von dieser Frau distanzieren und klar herausstellen, dass es ohne Merkels Alternativlosigkeit nie eine AfD gegeben hätte.

PS: Bitte macht hier keine Werbung für diese Klimakanzlerin Merkel. Mittlerweile wissen wir, dass neben der Lohnlüge auch die Klimalüge nur erstunken und erlogen war. So schafft man "Wachstum" .....

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