Zieht euch schon mal warm an!

Muss Familienpolitik der Wirtschaft nützen? Oder den Familien? Wenn wir alle nur noch nach unserer Produktivität als Mensch bewertet werden, dann gute Nacht.

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Eine Zahl wird nicht richtiger, indem man sie häufig genug wiederholt. 200 Milliarden sollen es also angeblich sein, die der Staat in seiner Großzügigkeit jährlich in deutsche Familien investiert. So ist es überall zu lesen, so haben es die Fachleute der Prognos AG aufgelistet, die im Auftrag des Familien- und des Finanzministeriums die Wirksamkeit der familienpolitischen Leistungen überprüfen sollen. Wen interessiert da noch im Kleingedruckten, dass selbst das Familienministerium in seinem eigenen Familienreport aus dem Januar 2013 zugibt, dass die Zahl 200 zu hoch gegriffen ist, und man eigentlich nur 55 Milliarden als originäre Familienleistungen bezeichnen kann. 200 Milliarden klingt einfach besser. Pompös, gewaltig. Man kann glänzen. Frei nach dem Motto: Seht her, so viel tun wir doch für die Familien. Macht sich auch viel besser im internationalen Vergleich und im OECD-Ranking, während wir mit den 55 Milliarden auf den unteren Rängen Platz nehmen müssten.

„Rückgabe von Diebesgut“

200 Milliarden. Darin ist zum Beispiel das Kindergeld dann enthalten, das mit 40 Milliarden zu Buche schlägt. Dabei lässt man in ausdauernder Regelmäßigkeit unter den Tisch fallen, dass diese 40 Milliarden zu nahezu zwei Dritteln aus nichts anderem bestehen, als aus unrechtmäßig zu viel eingezogenen Steuern, mit denen man das Existenzminimum von Kindern besteuert und das Geld anschließend wieder an die Eltern zurückgeben muss. „Rückgabe von Diebesgut“ nennt der Sozialrichter Jürgen Borchert dies folgerichtig.

Oder die kostenlose Mitversicherung von Familienmitgliedern. Eine Leistung, die gar nicht durch den Staat, sondern durch die Versicherten selbst erbracht wird und die auch noch unterm Strich eine gute Rechnung ist. Denn das, was die beitragsfreien Kinder ein paar Jahre lang kosten, zahlen sie anschließend lebenslang und fast fünffach für die Gesundheitsversorgung der älteren Generation. Ein guter Deal, vor allem für Kinderlose.

Nur 55 Milliarden also unterm Strich. Das ist nur ein Viertel dessen, was nun von den Gutachtern bewertet wird und im Übrigen weit realistischer.

Familie als optimierter Produktionsprozess

Viel interessanter ist jedoch die definierte Zielführung dieser Nützlichkeitsüberprüfung aller Familienleistungen. Die Prognos AG berät in der Regel Unternehmen bei der Optimierung ihrer Gewinne. Möglichst wenig investieren, bei maximalem Profit. Mit Sozialstaat oder Nachhaltigkeit hat das nichts zu tun. Erstaunlich also allein schon der Ansatz, dass Familie als Produktionsprozess behandelt wird, den es zu optimieren gilt. Familienpolitik soll also nicht mehr der Familie selbst nützen, sondern dem Staat. Nicht mehr der Familie selbst, sondern der Wirtschaft. Familie soll sich rechnen. Wer also in seiner grenzenlosen Naivität bislang davon ausgegangen ist, dass der Staat Familien um der Familie willen unterstützt, weil wir seine Bürger sind, und wie man so schön sagt „die Zukunft unseres Landes“ groß ziehen, dürfte spätestens jetzt eines Besseren belehrt sein.

Schön ist an dieser Offenheit, dass wir als Familien uns dann wenigsten nicht mehr bedanken müssen für diese großmütigen Almosen. Man erwartet schließlich Leistung im Gegenzug von uns. Und zwar die richtige. Nachwuchsproduktion und Arbeitsleistung. Und das bitte schön gleichzeitig.

Völlig außen vor bleibt bei all diesen Rechenbeispielen der Gewinn, den der Staat durch unsere Kinder erzielt. Denn auch hier gilt: Der Staat will nicht deswegen die Geburtenrate erhöhen, damit wir glücklicher werden und uns an unseren Kindern freuen – sondern weil er sie braucht, um den Wohlstand und die Sozialversicherungssysteme unseres Landes zu sichern. Weil bereits verschiedene Institute ausgerechnet haben, dass der Staat nach Abzug aller Investitionskosten aus jedem Kind einen Gewinn von rund 70.000 Euro im Laufe seines Lebens erzielt. Kein Wort davon in dem Gutachten der Prognos AG, das nur die Kosten bewertet, nicht aber, was Familie und sogar Kinder leisten. Unredlich ist demnach noch das freundlichste Wort, das man zu dieser Studie finden kann.

Prinzip „Brutkasten“

Ob staatliche Gelder wirken, weiß man nur, wenn man dafür ein Ziel definiert hat. Denn ob eine familienpolitische Maßnahme zielführend ist, hängt davon ab, was man sich und vor allem für wen davon verspricht. Es ist reine Definitionssache. Genauso gut könnte man etwa den Etat des Verteidigungsministeriums auf seine Wirksamkeit in der Familienpolitik hin untersuchen. Wäre sinnlos und hätte verheerende Ergebnisse. Denn der Verteidigungsetat soll der Verteidigung unseres Landes dienen und nicht das Bruttosozialprodukt erhöhen. Auch soll es die Geburtenrate nicht erhöhen, es dezimiert allerhöchstens im Kriegsfall die Zahl unserer Söhne und inzwischen auch Töchter. Also völlig kontraproduktiv für die Familie. Es erscheint also aberwitzig, den Verteidigungsetat nicht einzig und allein auf seine Verteidigungsleistung hin zu überprüfen. Warum also überprüft man jetzt neuerdings den Familienetat auf seine Wirtschaftstauglichkeit, anstatt auf seine Familienfreundlichkeit hin?

Vielleicht, weil man die Ergebnisse gar nicht hören will und sich manche Zielsetzungen der Familienpolitik auch noch widersprechen. So soll laut Gutachten einerseits die Geburtenrate erhöht werden, aber auch die Erwerbstätigkeit der Mütter. Gleichzeitig versteht sich. Das eine steht dem anderen natürlicherweise im Weg und läuft auf das Prinzip „Brutkasten“ hinaus. Der Mutterbauch als erste kurze Station im Optimierungsprozess des Lebens. Die Mütter anschließend so schnell wie möglich in die Produktion, die Kinder in die Krippe. Nur so kann Gleichzeitigkeit realisiert werden. Es wundert also nicht, dass auch die Wirtschaftsexperten in ihrem vorläufigen Bericht jedes direkte Geld an Eltern für schlecht, aber jeden Cent, der in Institutionen und Sachleistungen fließt, als gut bewerten. Fragt man jedoch die Eltern, was sie wollen, schätzen sie vor allem direktes, bares Geld und weniger die Institutionen. Aber wer will das schon hören?

Wer keine Steuern zahlt, ist unnütz

Ist das Tor jedoch einmal offen, Sozialleistungen nur noch mit erbrachter Gegenleistung aufgerechnet werden, sollten noch viele Menschen mehr in unserem Land schon einmal in Hab-Acht-Stellung gehen. Wenn also in diesem Gutachten die kostenlose Mitversicherung von erziehenden Müttern als „besonders unwirksam“ in Bezug auf Familie bewertet wird, mit der Begründung, die Mütter wären dann ja nicht erwerbstätig, zeigt sich sehr eindeutig, dass der Mensch hier nur noch mit seiner Leistungsfähigkeit für den Staat bewertet wird. Wer keine Steuern zahlt, ist unnütz.

Wenn man es genauer betrachtet, pressen wir ja bereits Kinder in diese optimierten Lebensläufe, die nur dazu dienen, sie möglichst schnell zur steuerzahlenden Klasse zu machen. Bildung schon ab 12 Monaten, spielen war gestern. Anschließend des Turbo-Abi und ein verkürzter Bachelor-Studiengang. Schnell, schnell, es eilt! Ich hätte nie gedacht, dass mir Waldorfschulen einmal sympathisch erscheinen. Doch inzwischen ist man schon fast dankbar, wenn ein Kind mit sechs Jahren noch seinen Namen tanzt, anstatt Chinesisch zu üben.

Folgt man einmal diesen Nützlichkeitsüberlegungen im sozialstaatlichen Bereich, müssten wir konsequenter Weise auch andere Sozialleistungen darauf hin überprüfen, ob sie der Wirtschaft und nicht etwa dem Menschen nützen. Was ist mit der Unterstützung von Arbeitslosen? Wofür noch? Man müsste sie sofort und komplett abschaffen, denn sie nützt der Wirtschaft nicht, ganz im Gegenteil, sie verfestigt ja die Arbeitslosigkeit. Dabei könnte man doch all diese Menschen so wunderbar im Niedriglohnsektor ausbeuten. In der Begutachtung der Familienleistungen wird aber genau so argumentiert. Da steht, dass Dinge wie das Betreuungsgeld oder die kostenlose Mitversicherung von Ehefrauen schädlich sind, weil die Frauen dann keinen Anreiz haben, sich gefälligst dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen.

Was ist mit kranken Menschen? Unnütz? Sie kosten nur Geld und leisten nichts. Was ist mit älteren Menschen? Auch unnütz? Was ist mit behinderten Menschen. Brauchen wir sie noch? Sie alle verursachen nur Kosten im Optimierungsprozess ohne Aussicht auf finanzielle Einnahmen. Sie alle können sich schon mal warm anziehen, wenn sich dieses Prinzip einmal flächendeckend durchsetzt.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf TheEuropean.de.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Karin Weber

In der Zusammenfassung offenbart sich uns allen doch folgendes Bild:

Familien braucht der Staat nur zur Reproduktion von billigen Arbeitskräften. Alles was über diese dafür notwendigen Investitionen hinausgeht, soll gekappt werden. Die Bürger sollen sich also nur kurz zum „Paarungsprozess“ zusammenfinden und danach als Konsumenten u. Arbeitssklaven wieder im Arbeitsprozess abtauchen. Sollten es demnächst mal eine künstliche Gebärmutter geben, wird selbst das Zusammentreffen von Menschen noch verhindert.

Das derzeitige Lagebild widerspiegelt doch haargenau meine vorhergehende Zusammenfassung. Hier also weiterhin von einer „Familienpolitik“ zu sprechen, ist faktisch der blanke Hohn. Angelagert an diesen Gesamtprozess sind jede Menge parasitäre Strukturen (Politik, Juristen etc.), die sich an diesem Trog gleich mit besinnungslos fressen. Man beachte, dass die Justiz über das Familienrecht diese familiären Strukturen effizient zerschlägt. In diesem Zusammenhang ist also besser von „Familienbestattung“ zu sprechen.

Kann sich unter diesen globalen Rahmenbedingungen (Anmerkung: 2 Säulen der Gewaltenteilung –> Politik & Justiz) überhaupt jemals etwas ändern? Ist diese Politik, ist diese Justiz überhaupt reformierbar? Aus meiner Sicht ein klares Nein.

Ich sehe in der derzeitig politischen Landschaft nur wenige Parteien und Bewegungen, die sich wirklich für Familien einsetzen. Genau denen gilt es im September 2013 unsere Stimme zu geben und diese damit der derzeitigen politischen Klasse zu entziehen. Nicht wählen zu gehen, stärkt die Einheitspartei Deutschland. Ich wähle deshalb: http://www.familien-partei.de/

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