Zensur? Zensur!

Nicht jede unterdrückte Information stellt eine Zensur dar. Wenn der WDR aber eine Sendung in die „Giftküche“ verbannt, ist der Begriff angemessen.

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„Das ist Zensur!“ – diesen Vorwurf kann ich ehrlich gesagt schon nicht mehr hören, weil er in den meisten Fällen so plakativ wie falsch ist. Da werden Kommentare bei Spiegel-Online bearbeitet oder gar nicht erst frei geschaltet – „Zensur!“ – Da berichtet der Focus mit den Worten vom „Protzbischof“ gegen die Kirche, und kein Wort über den pädophilen Untergrund bei den Grünen – „Zensur!“ Man liest in den einschlägigen Medien von FAZ über Welt bis TAZ nicht das, was man gerne lesen würde, sieht seine Meinung nicht wiedergegeben – „Zensur!“

Man kann über die Moderation in Online-Foren oder in den Kommentarbereichen der Zeitungen ja durchaus unterschiedlicher Ansicht sein: Zensur ist das noch lange nicht! Um das zu verstehen, muss man aber mal kurz einen Blick in den entsprechenden Verfassungstext tun, der hier immer wieder strapaziert wird:

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Art 5 

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Juristen unter meinen Lesern mögen mich korrigieren, aber nur weil ich niemanden finde, der meine Meinung veröffentlichungswert findet, heißt das noch lange nicht, dass ich Opfer der Zensur geworden bin. Natürlich ist es ein unbefriedigender Zustand, wenn die Medienlandschaft in Deutschland in einen recht schmalen Denkkorridor eingebunden ist. Aber Zensur ist es nicht, wenn meine Meinung nicht zur Geltung kommt. Möglicherweise ist meine Einstellung ja tatsächlich zu abstrus oder einfach nicht (finanziellen) Erfolg versprechend für ein privates Nachrichtenmagazin. Nicht schön, aber kein Verfassungsbruch! Und jeder hat heute die Möglichkeit, auch noch den größten Unsinn im Internet, in sozialen Medien oder Blogs zu verbreiten. Das unterliegt so gut wie keiner Beschränkung, so lange man damit nicht gegen andere Gesetze verstößt, die andere Menschen vor Beleidigungen oder gegen Hetze schützen sollen.

An diesen Rändern wird es dann in der Tat kritisch: Es gibt in Deutschland aufgrund unserer Geschichte, Meinungen, die eben nicht einfach so gesagt oder geschrieben werden dürfen: Den Holocaust zu leugnen, nationalsozialistische Symbole zu zeigen, das – so der allgemeine Konsens schon bei den Vätern des Grundgesetzes – sollte nicht erlaubt sein. Darüber kann man immer mal wieder streiten, scheint für die meisten Menschen aber auch kein konkretes Problem darzustellen, sondern eher ein theoretisches: Darf man solche Meinungsäußerungen verbieten und sie unter Strafe stellen, sollte man sie nicht besser ausdiskutieren und die Vertreter argumentativ widerlegen? Ich selbst werde in dieser Hinsicht jedenfalls nicht begrenzt und wohl meine Leser – hoffenzlich – wohl auch nicht.

Darum stellt sich vor dem Hintergrund, was gerade mit einer Sendung der Talkshow-Reihe „hart aber fair“ geschehen soll, die gleiche Frage: Ist das Verbannen der Sendung aus der Mediathek und die Zusage, die Sendung nicht mehr zu zeigen, wirklich Zensur? Ich würde mich an einer Stelle festlegen: Der gleiche Vorgang bei RTL würde keine Zensur darstellen! Würde sich ein privater Sender aus Furcht um einen Einbruch bei Zuschauerzahlen gegen eine Weiterverbreitung eines Beitrags entscheiden, wer könnte es denen verbieten? Eine Meinung verbreiten zu dürfen heißt ja nicht, sie auch verbreiten zu müssen! Niemand kann einen privaten Sender zwingen (oder sollte ihn nicht zwingen dürfen, hier gibt es leider auch gesetzliche Ausnahmeregelungen), eine Meinung wiederzugeben, die er für nicht erfolgversprechend oder schlicht nicht zum Sender-Image passend hält.

Das sieht allerdings bei einem öffentlich-rechtlichen Sender ganz anders aus. Die haben die umfassende Information der Zuschauer quasi ins eigene Stammbuch geschrieben. Finanziert durch die Gelder von Zwangsgebührenzahlern, beeinflusst durch die Entscheidungsgremien wird hier mit politischer Information bis hin zum „Infotainment“ tatsächlich Politik gemacht. Der Vorwurf des „Staatsfunks“ steht dabei immer im Raum, oft aus oben beschriebenen Gründen nicht belastbar, aber der Anspruch an einen solchen Sender muss doch ein anderer sein. Jeder, so der GG-Text, sollte sich „aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert unterrichten“ können – was, wenn nicht ein öffentlich-rechtlicher Sender sollte denn als allgemein zugängliche Quelle gelten?

Und jetzt gefällt einigen Frauenverbänden das Ergebnis – oder besser die Außenwirkung – einer Talkshow zum Thema Gender Mainstreaming nicht. Die Beschwerde geht in die Richtung, es sei sexistisch argumentiert worden und der Moderator habe es an der nötigen Neutralität missen lassen. Wenn ich ehrlich bin, hat mir die Sendung auch nicht besonders gut gefallen, allerdings aus anderen Gründen: Mir fehlte generell die Ernsthaftigkeit, die bei diesem Thema der Massenindoktrination mit einem unwissenschaftlichen und demokratisch nicht legitimierten „Querschnittsthema“ notwendig gewesen wäre. Dazu mag auch die Auswahl der Gesprächspartner beigetragen haben: Die an sich sympathische Schauspielerin Sophia Thomalla legte durchaus auch einige Kuriositäten offen, ihr Dauerflirt mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki verstärkte aber den Eindruck des Boulevardthemas. Dass die „andere Seite“, Anton Hofreiter, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Grüne und Anne Wizorek, derart schwach argumentierte, dass man sich mit ihren Thesen kaum auseinandersetzen konnte, hat der Sendung auch nicht sonderlich auf die Beine geholfen.

Wenn also heute die Qualität der Sendung bemängelt wird, kann ich dem schon was abgewinnen, auch wenn ich das grundsätzliche Fazit durchaus teile, nachdem es sich beim Gender Mainstreaming um ein undemokratisches Vehikel der Politik und Indoktrination handelt. Darum die Sendung aber aus der Mediathek löschen? Dieter Horky, Mitglied des Rundfunkrates, des Gremiums, das für die getroffene Entscheidung verantwortlich zeichnet, wird im Focus wie folgt treffend zitiert:

„Aber das ist kein Grund, die Sendung aus der Mediathek zu nehmen. Wenn es um schlechte Sendungen geht, dann müsste der WDR viele Sendungen aus der Mediathek entfernen. Aber das gilt für alle Sender.“

Es geht aber eben auch nicht um die Qualität der Sendung sondern um die daraus ablesbaren Ergebnisse. Offenbar ist das Streichen der Sendung aus der ARD-Mediathek der Versuch sicherzustellen, dass die dort ausgestauschten Informationen nicht weiter verwendet werden können. Und das von einem zwangsfinanzierten und parteipolitisch beeinflussten Sender! Natürlich ist das wiederum ein untauglicher Versuch, denn in Zeiten von Internet und youtube ist dieser Versuch zum Scheitern verurteilt. Und auch, dass sich Rundfunkrat und der WDR massiver Kritik ausgesetzt sehen, lässt auf die Wehrhaftigkeit der Zivilgesellschaft hoffen. Das bedeutet aber umgekehrt, dass Aufmerksamkeit notwendig ist: Die Einschläge werden häufiger, seit die Befürworter einer Umerziehung der Gesellschaft den Gegenwind spüren, die Vorwürfe, die Gegenwehr stamme aus der politischen „Rechten“ mehr und mehr ins Leere laufen, und Versuche, Diskussionsveranstaltungen wie die am vergangenen Freitag mit Birgit Kelle, zu verhindern oder eben TV-Sendungen aus dem „Gedächtnis zu löschen“ auf Widerstand stoßen.

Die gesellschaftliche Debatte, die von der politischen Linken gefürchtet wird, nicht nur aber auch im Thema Gender Mainstreaming, hat gerade erst begonnen. Der ungehinderte Austausch von Informationen ist dabei ein wesentlicher Teil der politischen Kultur. Darum, nicht weil man die Verbreitung damit wirklich verhindern könnte, ist die politische Beeinflussung der WDR-Mediathek ein Instrument der Zensur. Vielleicht hat das aber auch was Gutes und befeuert die Debatte darum, warum öffentlich-rechtliche Sender, die ihrem Auftrag immer weniger nachkommen, eigentlich noch notwendig und zwangsfinanziert sein sollten.

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de 

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Gernot Radtke

Schönenborn – ein subversives U-Boot im WDR?
.
Vor 2 Tagen lagen die Youtube-Aufrufe des gelöschten Talks bei 89.000, heute bei 135.000. Plasbergs Gendergaga-Talk - ein echter Renner im Internet. Er wird es nach dem Revival 2.0 wohl bleiben; als Vergleichsraster für a) unzensierte Dummheit, b) politisch korrekt choreographierte Dummheit. Die gesamte politisch unkorrekte Genderheit freut sich schon darauf. Vielleicht hat der TV-Direktor Schönenborn genau das gewollt, und wir Kritikaster sollten, statt seinen journalistischen ‚Widerstand‘ zu schmähen, ihn eher ob seiner Schlauheit rühmen, einer von grüner Zensurlust beseelten Totaleinschwärzung eines Talks (mit zwei öden linken Langweilern und Anti-Humoristen) durch Zensur nun zu außerordentlicher Popularität zu verhelfen. Schönenborn weiß, daß man Voltaire nicht verbieten kann; ihn erst richtig promotet, wenn man ihn verbietet. Hat Schönenborn seinen Casus womöglich selber an die Öffentlichkeit durchgestochen? Schönenborn: das letzte U-Boot subversiven Journalismus‘ im WDR?

Gravatar: Ralle

Ergänzend kann man anfügen, dass jedes Portal Forenregeln o. ä. hat, d. h. das niemand ein Anspruch darauf hat, dass sein Kommentar veröffentlicht wird, wenn er schlicht gegen die Hausregeln verstößt. Das ist dann auch keine Zensur und Art. 5 GG greift hier nicht.

Jeder hat das Recht, einen Gast der die eingeräumte Gastfreundschaft missbraucht, des Hauses zu verweisen. Als Hausherr bestimmt jeder was er bereit ist zu dulden.

Interessant wäre es aber einmal zu untersuchen, ob bei den Foren der Qualitätsmedien heute mehr "freie" Meinung durchgeht als noch vor einigen Monaten. Mein subjektiver eindruck ist, dass das sehr wohl der Fall sein kann, weil ich über eine Reihe von Beiträgen gestossen bin, die die heile Welt inzwischen deutlich in Frage stellen ohne gelöscht zu werden.

Bezgl. der zensierten hart aber fair - Sendung geht es aber um die reine Wahrung einer Ideologie, weil dort wissenschaftlich keinerlei verwertbarer Ansatz besteht.

Der Hintergrund ist wahrscheinlich sehr einfach, es geht um Geld. Diesen "Topf voll Gold" will man sich natürlich nicht nehmen lassen. Gleichzeitig sorgt die Indoktrination mit pseudowissenschaftlichen Inhalten dafür, dass einer der vielen Nebenschauplätze bespielt wird die die christlich und humanistisch geprägte bürgerliche Gesellschaft als Ganzes in Frage stellt.
Wenn diesem Irrglauben gefolgt wird, sprudelt das Geld weiter. Wenn nicht, gibt es aus diesem Segment viele neue Arbeitslose.

Gravatar: Andreas Schneider

Ein "Mainstream", der die Wahrheit für sich gepachtet hat, der allenthalben "rechte Gefahren" sieht und "Nazis" an jeder Straßenecke vermutet, greift eben auf solche Mechanismen zurück, die dereinst üble Wegbegleiter der NS-Diktatur waren.

Dass es sich hier um eine "virtuelle Bücherverbrennung" handelt, erschließt sich diesen feinen Herrschaften ganz offenkundig nicht.

Es gibt Tage, an denen ich mich mit einiger Bestürzung frage, auf welcher Seite die "Nazis" unserer Zeit tatsächlich zu verorten sind.

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