Wut im Mielkehaus

Beliebteste Posse im diesjährigen Berliner Sommertheater ist die Vorstellung, die „Wutrentner“ in Pankow im ehemaligen Wohnhaus von Stasichef Mielke geben.

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Die düstere Villa in der Stillen Straße verströmt mit dem Putz, der vom DDR-Dreck dunkelbraun gefärbt ist und den bei den typischen Nadelbäumen im Vorgarten noch jenen Funktionärs-Mief, den damals alle von der Stasi genutzten Immobilien ausstrahlten. Nach der Auflösung von Mielkes Imperium, stand das Gebäude eine Zeitlang leer und wurde dann von interessierten Rentnern zum Seniorentreff umgewidmet.  Für den harten Kern von 60 Nutzern, die sich im Mielke-Mief wohl fühlen, muss der Bezirk Pankow jährlich 60 000 Euro berappen. Dabei ist das Haus als Seniorentreff denkbar ungeeignet. Es ist nicht behindertengerecht und überdies stark sanierungsbedürftig. Die Sanierung würde etwa 2 Millionen Euro kosten, Geld, das der Bezirk nicht hat.

Pankow ist keineswegs arm an Begegnungsstätten. Nur zehn Rentnergehminuten entfernt befindet sich das frisch restaurierte Stadtteilzentrum, das einigen der Gruppen aus der Stillen Straße Raum bietet. Ein paar sind schon ausgezogen, den noch verbleibenden 18 Gruppen hat man insgesamt 38 Angebote gemacht, die alle ausgeschlagen wurden, oder ausgeschlagen werden mussten. Wie durchsickert, sollen die Wutrentner auf Auszugswillige Druck ausgeübt haben, zu bleiben.

Wofür stehen die Wutrentner wirklich? Für die Maßlosigkeit der Ansprüche, die heute selbst von kleinen Gruppen gestellt werden, ohne Rücksicht auf die Allgemeinheit. Die Hausbesetzung der Alten war ein PR-Coup, den sich kein Medium entgehen ließ. Selbst Abgesandte bürgerlicher Blätter pilgerten nach Pankow, um ihre Leserschaft wissen zu lassen, dass Chefbesetzerin Doris gern reist, vorzugsweise auf andere Kontinente. Von Armut und Obdachlosigkeit ist niemand bedroht. Die vielzitierte soziale Kälte ist nur eine Schimäre.

Gern ist die Linkspartei auf den Rentnerzug aus Pankow aufgesprungen, denn die Umfragewerte sind auch in ihrer Hochburg auf historischem Tiefststand. Deshalb geben sich Linke- Politiker in der Stillen Straße die Klinke in die Hand. Sogar Bundestagsfraktionschef Gysi war schon da, der sich in dieser Umgebung besonders heimisch gefühlt haben müsste. Dennoch konnte er nicht versprechen, dass für die Alten alles beim Alten bleibt. So viel scheint von Gysis missglücktem Zwischenspiel als Wirtschaftssenator hängen geblieben zu sein, dass es finanzielle Grenzen gibt, die ohne größeren Schaden nicht überschritten werden können.
Diese Einsicht ist von den Wutrentnern aber nicht zu erwarten.

Erschien in der Preußischen Allgemeinen Zeitung

 achgut.com

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