Wulff: Von Schröder lernen...

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Christian Wulff gibt vor, kein Alphatier zu sein. Am Zaun des Kanzleramtes würde er nie rütteln. Wulff: „Ich erkundige mich nach den Öffnungszeiten….“. Da war Vor-Vor-Vorgänger Schröder bekanntlich anders gestrickt. Mit eigener und fremder Initiative durchbrach er den Kanzler-Zaun:  
28. Februar 1998 - ein Tag vor der Landtagswahl in Niedersachsen. Ein Raunen ging durch die Republik. Auf einer zweiseitigen Anzeige im Posterformat erfuhr der staunende Leser in der über-regionalen Presse in Riesenlettern: „Der nächste Kanzler muss ein Niedersachse sein.“ Darüber die Porträts der bisherigen Kanzler. Dazu ihre Amtszeit und der Vermerk: „Kein Niedersachse“. „Was uns Niedersachsen wirklich weiterbringt“, so der Text, “ist ein Kanzler aus unserem Bundesland. Deshalb: Machen auch Sie mit. Hängen Sie dies Poster gut sichtbar auf, damit morgen möglichst viele zur Wahl gehen. Sie haben es in der Hand.“ Eine Aktion der Werbeprofis Jung/v.Matt. Ein genialer Coup, denn die Niedersachsen wählten zugleich den SPD-Kanzler-Kan-didaten: Lafontaine oder Schröder. Letzterer brauchte 44,5 Prozent plus. Dass diese Werbe-Aktion teuer war, lag auf der Hand. Dass sie aus Niedersachsen kam, ebenfalls. Bezahlt wurde sie aber nicht von der SPD. Das Geld kam aus der Wirtschaft. Im Verdacht standen sofort die Preussag Stahl AG und ich. Am Tag nach Schröders Wahlsieg klingelte daher das Telefon in meinem Büro ohne Unterlass. In den Redaktionen ging das Gerücht um, ich hätte die Werbeaktion ausgelöst und finanziert. Ich war zwar damals bekennender Schröder-Fan, aber in diesem Fall unschuldig wie ein Lamm. Beauftragt und bezahlt hatte die Werbeprofis AWD-Chef Carsten Maschmeyer.

Ich war in Verdacht geraten, weil ich mit Schröder im Januar 98 einen beispiellosen Polit-Wirt-schafts-Coup gelandet hatte. Am 7. Januar hatte ich als Preussag-Vorstand eine Sonderprüfung der Bilanz gefordert. Schriftlich. Die Preussag hatte Staats-Immobilien verkauft, um einen Gewinn vorzutäuschen. Am 8. Januar wurde die Stahltochter Preussag Stahl AG an die Voest Alpine nach Österreich verkauft. Mit dem Verkauf der Stahlwerke ins Ausland wollten die Intimfreunde Rau und WestLB-Chef Neuber Parteifreund Schröder die Landtagswahl vermasseln. Doch keine 24 Stunden später schlug Schröder zurück. Er kaufte die Stahlwerke mit der NordLB. Mein Schreiben brach jeden Widerstand. Die Preussag-Bilanzlöcher betrugen 2,5 Mrd. DM. Um einer Prüfung der gefälschten Zahlen zu entgehen, stimmte Neuber dem Brutal-Deal zu. Schröder hielt so mit 1,06 Mrd. DM nicht nur die Zentrale des hochprofitablen Unternehmens in Niedersachsen. Er tat sich auch selbst einen großen Gefallen. Siehe: „Wildwest auf der Chefetage“ ISBN 3-86520-140-7.

Da kann Wulff einiges lernen. Nachdem Schröder im Herbst 98 tatsächlich Kanzler wurde, waren für den gelernten Juristen die kriminellen Preussag-Bilanzen alsbald Historie. „Parteifreund“ Rau wurde gar Bundespräsident... Nach Schröders Weggang war die NordLB an explizit kriminellen Betrugsvorgängen am Neuen Markt beteiligt. Der Börsengang der Metabox war Organisierte Kri-minalität pur. Die Göttinger-Gruppe verzockte eine Milliarde Anlegergelder. Auch hier schauen die Staatsanwälte bis dato nur zu. Unter Wulff droht Niedersachsen nun sogar, die Zentralen sei-ner drei Dax-Konzerne zu verlieren. Bei VW, TUI und Conti sind Privatmilliarden im Spiel. Die Umstände allerdings nicht nur bei Continental mehr als fragwürdig. Im Fall VW kennt die Polizei kriminelle Rotlicht-Aktivitäten von VW-Aufsehern seit dem Jahr 2000. Die Polizei informierte VW bereits 2001. Das Landesunternehmen zahlte die Bordellrechnungen indes weiter. Die Revision wurde nicht aktiviert! Wulff sitzt dort im Aufsichtsrat. Der gelernte Jurist bezeichnete die VW-Chefetage öffentlich als „Misthaufen“. Warum greift die detailliert informierte Justiz nicht ein? Da drängt sich die Frage auf, wie Schröder gehandelt hätte? Hätte er Staatsanwälte und LKA für niedersächsische Interessen und die Einhaltung der Gesetze aktiviert? Die von Schröder geretteten Stahlwerke finanzieren als Landesunternehmen derweil das Parteiblatt der niedersäch-sischen Regierungspartei CDU. Per Anzeige unter dem Motto: „Was auch immer Sie vorhaben.“

Beim 20. AWD-Firmenjubiläum feierten kürzlich sowohl Wulff als auch Schröder kräftig mit. Beide lobten Schröders ehemaligen Wahlhelfer Maschmeyer in den höchsten Tönen. Bei seiner anstehenden China-Reise will Wulff seinen Vorgänger nun sogar mitnehmen. Was Industriepolitik am Standort Niedersachsen angeht, kann Wulff von Schröder tatsächlich noch einiges lernen... 

Peine, den 04. August 2008                                                gez.: Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Selenz

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