Wortschönheiten

Der Deutsch-Schweizer Johann Jacob Spreng versucht vor 250 Jahren erfolglos, ein deutsches Wörterbuch zu verfassen, was erst 100 Jahre später den Brüdern Grimm gelingen soll. Wie sähe unsere deutsche Sprache heute aus, wenn Spreng der Durchbruch gelungen wäre?

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Die bisher unveröffentlichte Sammlung Sprengs beschränkt sich auf eine wunderbare Auswahl. Doch auch hier sind Grenzen gefordert. Der Rezensent hat bisher nur die ersten sieben Buchstaben geschafft! Deshalb beschließe ich, jeden Tag – genauer: jede Nacht – höchstens eine Seite zu genießen, um die spannende Freude zu wahren. Es folgt nun eine nicht nur zufällige Auswahl.

UNERHÖRTE AUSWAHL VERGESSENER WORTSCHÖNHEITEN …
von Johann Jacob Spreng und Nicolas Fink
Verlag Das Kulturelle Gedächtnis Februar 2021
ISBN-13 : 978-3946990475
368 Seiten 25 €

Bereits im Vorwort erfahren wir, was uns bisher vorgehalten worden ist. Statt die „Akademie“ würden wir heute eine „Erzschule“ besuchen. „Mathematiker“ heißen „Wisskünstler“. „Professoren“ werden zu „Hochlehrer“ und statt Studenten – mir graut es vor „Studierenden“ – spricht man von „Zuchtsöhnen“ oder bei Bedarf von „Zuchttöchtern“. Aus „Schüler*innen“ werden „Zuchtkinder“! Wäre das nicht wunderschön?

„Apfel“ klingt gut, „Aballo“ klingt besser! Hört sich „Antorf“ nicht wunderbarer an als „Antwerpen“? Selbst die Politik würde gewinnen, wenn es statt „mit Mehrheit abschaffen“ „abmehren“ hieße! „Angstmann“ klingt schauriger als „Scharfrichter“! Wer zöge „anstraussen“ nicht „überfallen“ vor? Selbst „Augenspiegel“ und „Barille“ klinken tausendmal angenehmer als „Brille“.

„Beinkrümme“ statt „Rachitis“, „belieben“ statt „sich paaren“: Welch ein wunderbarer Segen! Ein „Bierbrunn“ ist eine „Brunnenquelle“, die nach Bier schmeckt. Herrlich. Soll es damals in Island gegeben haben. Selbst „Bindeisen“ hat mehr Reize als „Verlobungsring“. „Blauen“ bedarf keiner Übersetzung. „Blutzapf“ klingt besser als „Tyrann“. Ein „Bobo“ ist ein nutzloser Mann.

Wäre „Cocodrill“ nicht schöner als „Krokodil“?

Es liegt auf der Hand, dass der Biss einer „Durstschlange“ Durst verursacht. Zugegeben, „Ekelname“ klingt schlimmer als „Schimpf-“ oder gar „Spitzname“, dafür ehrlich. Aber „eigenköpfig“ klingt sicherlich viel besser als „eigensinnig“! Einbringen = Mitgift, logisch.

Als Letztes: „Gegenfüßer“? Richtig: Antipod!

Wäre es nicht herrlich gewesen, wenn es Johann Jacob Spreng gelungen wäre, sein gesammeltes Wissen zu verbreiten. Der Leser des Wörterbuches wird mit Wehmut erfahren, was den meisten Deutsch Sprechenden entgeht. Das Buch spricht alle an, die an der heutigen deutschen Sprache verzweifeln.

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