Wort des Jahres: Warum „Flüchtlinge“ eine gute Wahl ist

Es fehlt heute in weiten Teilen an Klarheit darüber, wie hoch der Anteil an sogenannten Flüchtlingen tatsächlich im rechtlichen Sinne Flüchtlinge sind. Das öffnet Tür und Tor für Agitatoren von beiden Seiten: Die Wahrheit bleibt dabei auf der Strecke - und auch die Interessen derjenigen, die tatsächlich Flüchtlinge sind.

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Wir werden uns ändern – das ist schon seit einigen Monaten meine Überzeugung wenn es um die Flüchtlingsproblematik geht. Die Frage ist nämlich nicht, ob wir – also die deutschen Staatsbürger – uns ändern müssen oder wollen oder wollen sollen. Die Flüchtlingsthematik ändert die Rahmenbedingungen des Zusammenlebens – regional wie europäisch und weltweit – so tiefgreifend, dass man sich einer Änderung gar nicht entziehen kann. Ein Einsiedler mag von den Veränderungen nichts mitbekommen, aber derlei Ausnahmen lassen wir mal außen vor.

Und ein Zeichen der Änderung ist das sogenannte „Wort des Jahres“, dass alljährlich von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) gekürt wird: In diesem Jahr ist es in der Tat das Wort, das wohl die meisten Menschen beschäftigt hat: „Flüchtlinge“. Nach Presseberichten wird die Entscheidung damit begründet, der Begriff sei stark im deutschen Wortschatz verankert und bringe die zentrale gesellschaftliche Diskussion auf den Punkt. Weiter heißt es zum Beispiel bei Focus-Online:

Das Wort „Flüchtlinge“ sei auch sprachwissenschaftlich interessant, sagte der GfdS-Vorsitzende Prof. Peter Schlobinski. „Das „ling“ hat ja einerseits eine passive Komponente, wie in dem Wort Findling, und auf der anderen Seite eine leicht negative wie bei Emporkömmling.“ In Kreisen, die besonders auf politische Korrektheit achteten, werde daher oft der Begriff „Geflüchtete“ bevorzugt. „Ich glaube, dass Flüchtling letztlich bleibt, dass Geflüchtete keine Chance hat“, sagte Schlobinski.

Die Jury hatte aus rund 2500 Vorschlägen einen Begriff gewählt, der das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich besonders bestimmt hat. „Und wir wollten natürlich gesellschaftspolitisch ein Zeichen setzen“, erklärte Schlobinski.

Nun ist es in der Tat nicht verwunderlich, dass ein solches Wort ausgewäht wird, es ist auch nicht so, als ob sich an dem Begriff nicht auch eine gesellschaftliche Diskussion entzündet hätte – nur der Hintergrund dieser Diskussion scheint mir doch ein anderer. Vielleicht bin ich da nicht im Bilde, aber bislang hatte ich den Begriff des Flüchtlings noch nicht als diskriminierend weil passiv oder negativ konnotiert gesehen. Ich bin auch nicht sicher, ob es eine relevante Anzahl an Flüchtlingen gibt, die sich über diese Bezeichnung beschwert hätten.

Die viel wesentlichere Frage ist aber doch, was eigentlich genau ein Flüchtling sein soll? Wie wir letztlich erst einer Talkshow entnehmen konnten, haben sogar führende Empörungspolitiker nur eine diffuse Vorstellung davon, wer in Deutschland als Flüchtling anerkannt wird – zum Beispiel niemand aus einem sicheren Drittland. So kann man den Begriff natürlich im Prinzip „neutralisieren“, in dem man einfach jeden als Flüchtling bezeichnet, der vor irgendwas auf der Flucht ist: Vor politischer Verfolgung, vor religiösen Fundamentalisten, vor Naturkatastrophen, vor Armut, … vor Unannehmlichkeiten welcher Art auch immer?

Insofern ist eine Komponente des Unmuts in der Bevölkerung über die Flüchtlingsdebatte auch darin zu suchen, dass einfach jeder, der nach Deutschland „flieht“ als Flüchtling bezeichnet wird, auch wenn der den rechtlichen Status nie wird erreichen können. Das mag dem einen oder anderen unfair vorkommen, aber Flucht vor wirtschaftlicher Not ist in Deutschland kein Grund zur Anerkennung als Flüchtling. Und wenn jemand aus einem sogenannten sicheren Drittland einreist, dann ist er auch kein Flüchtling – eine Verfassungsregelung über die sich die Bundesregierung hinweggesetzt hat; möglicherweise aus guten Gründen aber so einfach sollte es eine Regierung doch auch nicht haben.

Es fehlt heute in weiten Teilen an Klarheit darüber, wie hoch der Anteil an sogenannten Flüchtlingen tatsächlich im rechtlichen Sinne Flüchtlinge sind. Das öffnet Tür und Tor für Agitatoren von beiden Seiten, die Wahrheit bleibt dabei auf der Strecke und – ganz wichtig – auch die Interessen derjenigen, die tatsächlich Flüchtlinge sind.

Die Bestrebungen für Flüchtlinge einen anderen Begriff zu suchen, sind dabei durchschaubar der Versuch, diese Situation zu verunklaren. „Geflüchtete“ ist zwar durchaus legitim, sollte sich tatsächlich an dem anderen Begriff jemand stören, hilft aber bei der Klärung, wer in Deutschland einen Flüchtlingsstatus erhalten kann und wer nicht, keinen Millimeter weiter. Im Gegenteil wird suggeriert, dass ein Geflüchteter – als neutraler Begriff – wohl auch ein Flüchtling im rechtlichen Sinne sein muss. Dass das nicht der Fall ist, sollte auch denen klar sein, die diese Menschen trotzdem aufnehmen wollen.

Den Begriff „Flüchtlinge“ zum Wort des Jahres zu wählen ist also aufgrund der Brisanz der Thematik durchaus nachvollziehbar. Die Diskussion über den Begriff, seine Bedeutung und was das Thema generell noch bedeuten wird, hat aber gerade erst begonnen. Ablenkungsmanöver wie Begriffsklaubereien helfen dabei überhaupt nicht.

Zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Wiener Schnitzel

Ja, das Wort ist ein Lügenwort.
Die meisten sind schon nicht wegen Verfolgung oder Krieg losgezogen und selbst die, welche doch, wären unterwegs schon lange in Sicherheit gewesen.

Es gibt keinen einzigen Flüchtling in Deutschland.
Es gibt nur Millionen, unter Bruch des Grundgesetzes von Politikern eingeladene, illegal Eingereiste.

Lüge, Lüge, Lüge.
Null Zusammenarbeit mit diesen Lügnern und Volksbekämpfern, ab nach Chile mit ihnen!

Gravatar: Jürg Rückert

Da die Allerwenigsten wirkliche Flüchtlinge sind ist das Wort eine Lüge.
Sucht man einen generellen Nenner, so sollte man von "Nutzsuchenden" reden.

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