Vor kurzem hängten die Besitzer eines Cafés im Frankfurter Nordend einen Zettel an die Eingangstüre: "NICHT ALLES IST FÜR JEDEN WAS. Unser Café ist für Erwachsene, die sich aus der Hektik des Alltags zurückziehen wollen. Es ist auch ein Ort für kleine Gäste, die ihre Eltern in dieser Pause begleiten. Leider wird unser Café allzu oft mit einem Kinderhort oder dem heimischen Wohnzimmer gleichgesetzt oder verwechselt. Wir können nicht zulassen, dass sich diese Unterscheidung verliert. Aufgrund wiederholter, unangenehmer Vorfälle sehen wir uns zu diesem Hinweis genötigt. Bitte respektieren Sie die Privatsphäre Anderer. Vielen Dank!"
Was war passiert? Es geht, wie aus dem Text des Aushangs schon hervorgeht, nicht um die Kinder. In der FR von heute sagt der Inhaber: ">Uns geht es um das Verhalten der Eltern.< Eltern, die tatenlos zusähen, wenn ihr Nachwuchs die Möbel verdrecke oder aus dem Café eine Spielfläche mache. >Und wenn man dann mal sagt, dass die Mousse doch bitte nicht an die Scheibe geschmiert werden soll, dann erntet man nur Empörung und wird beschimpft.<"
Eine Unmenge an Kommentaren ging sowohl bei der FR als auch bei den Café-Inhabern ein: Es handelte sich in aller Regel um Zustimmung zum Inhalt des Aushangs. Das Phänomen ist also bekannt. Es kommt in zwei Milieus vor. Da sind einmal die wohlhabenden, orientierungslosen und parasozialen Yuppie-Mütter, die ihren Kindern keine Grenzen setzen können, aber auch nicht wollen, weil sie die heroische Tat der Fortpflanzung vollbracht haben, die ihnen im kinderarmen Deutschland einen Freibrief verschafft (meinen sie). Dann die Mütter aus dem ebenso wohlhabenden links-alternativen Milieu, die sich von ersteren nur dadurch unterscheiden, dass sie Kinderwagen haben, mit denen man nicht joggen kann. Außerdem glauben sie tatsächlich von sich, sie seien sozial eingestellt. Beide pflegen einen „lifestyle of health and sustainability“, was bei den Links-Alternativen (schon etwas veraltet!) immer noch ökologisch heißt.
Zitate aus den Kommentaren: "Wenn ich Kaffee trinke, möchte ich keiner Mutter beim Brüsteauspacken und Stillen zuschauen müssen, ich möchte auch bei meiner Mittagspause nicht auf eine ausgepackte frischgefüllte Windel schauen", schreibt Bianca, oder: "Jeder halbwegs feinfühlige Mensch flieht die nachmittägliche Mütter-Armada, die macchiatoselig über ihre Blagen schnattert, die angeblich entweder unter ADHS oder Hochbegabung, meistens aber unter beidem leiden. Währenddessen marodiert die verzogene Brut wie die Schweden in ihren schlimmsten Tagen durch das Café, [...] und erstickt jedes geistreiche Gespräch im Keim - ohne dass die Eltern auch nur ansatzweise auf die Idee kämen, dem Chaos Einhalt zu gebieten", so Stefan Behr, der besonders auf die eigentliche Funktion eines Cafés hinweist, nämlich ein Ort der Kultur zu sein.
Denjenigen, die meinen, die Forderungen nach einer guten Erziehung, nach gegenseitigem Respekt, nach Regeln des sozialen Miteinanders seien kinderfeindlich, fällt eigentlich nur üble Nachrede ein: Die sich gestört Fühlenden wollten nicht vom aktuellen Stand der Börsenkurse abgelenkt werden. Solche gibt es zwar auch, aber das Argument ist doch ziemlich billig. Übrigens wäre das Phänomen vollkommen uninteressant, wenn die Vertreter der beiden angesprochenen Milieus nicht zu den führenden der Republik gehören würden. Es scheint ein deutsches Phänomen zu sein. Martin Hauschildt schreibt z. B., er sei "in Spanien immer überrascht, wenn ich dort in ein Kaffee gehe oder ein anderes Geschäft besuche. Die Kinder, selbst die kleinsten sind gut erzogen." Mir selbst fiel auf, dass in Frankreich im Großen und Ganzen ein gesünderes Eltern-Kind-Verhältnis herrscht.
Gottseidank geht es in Deutschland auch anders. Man muss nur aufs Land fahren, wo noch (oder wieder?) eine Wertevorstellung herrscht, die verantwortungsbewusst genannt werden kann, oder in Gartenlokale, die die Wohlstandsverwahrlosten aus dem Yuppie- und dem links-alternativen Milieu als unter ihrem Niveau liegend meiden, dafür aber viele brave Leute mit vielen Kindern besuchen, die wohlerzogen sind.
Kommentare zum Artikel
Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.
Es freut mich außerordentlich, so etwas zu lesen. Der Ärger richtet sich ja nicht gegen die Kinder, sondern gegen die Quelle von Lärm und Unruhe. Störungen könnten auch von anderen Objekten ausgehen – etwa von Erwachsenen, Tieren oder Maschinen. Die Ablehnung wäre dieselbe. Lärm und Unruhe sind eben nicht an jedem Ort erwünscht, und eine kultivierte Gesellschaft hält sich daran. Das einzusehen braucht es eigentlich nicht viel Hirn. Aber manche Eltern entbehren, so scheint es, selbst das.
Ich habe häufig erlebt, daß bei Veranstaltungen, die bis tief in die Nacht hinein dauern, Kleinkinder anwesend sind, nur weil die Eltern nicht aufs Ausgehen verzichten mögen. Erst toben die Kleinen herum, dann schreien sie vor Überforderung und zuletzt schlafen sie vor Erschöpfung irgendwo zwischen den feiernden Erwachsenen ein. Ein Martyrium für diese Kinder! Es ist empörend, wie wenig manche junge Eltern bereit sind, wenigstens die ersten paar Jahre auf das Ausgehen zu verzichten, wie es noch eine Generation zuvor durchaus üblich war.
Auch auf Fernflügen muß das Kindergeschrei unerträglich sein. Ich habe das Bahnfahren auch aus diesem Grunde vor einiger Zeit aufgegeben und fahre wieder mit meinem PKW. Die Rücksichtslosigkeit einiger Weniger kennt keine Grenzen mehr. Es reicht, wenn einer von Hundert lärmt. Die restlichen stillen 99 fallen ja nicht auf. Lange wird es nicht mehr dauern, bis wir als Reaktion „kinderfreie“ Hotels, Flüge, Restaurants und Cafes bekommen. Natürlich wird es dann anklagend heißen, daß unsere Gesellschaft „kinderfeindlich“ ist. Man kann der Dummheit nicht entkommen, das ist daran das Bedrückendste.