Wohin treibt die Türkei?

Kein Regierungschef belügt die EU so unverschämt wie Erdogan. In keinem anderen Land wird die eigene Geschichte derart überhöht und der Mord an den Armeniern so verharmlost. In keinem Land wird Hitlers „Mein Kampf“ so begeistert und unbehelligt verbreitet wie in der Türkei.

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Als vor gut dreihundertdreißig Jahren die Türken endgültig die zweite Belagerung Wiens aufgeben mußten, schickte der Sultan seinem kriegführenden Wesir Kara Mustafa in einem Schmuckkästchen eine seidene Halsschnur. Es war die Aufforderung zum Selbstmord wegen Versagens. Wenn heute eine Regierung in Europa versagt, zum Beispiel die Griechen, braucht kein Politiker solche Präsente zu fürchten. Im Gegenteil, man schickt ihnen eher besänftigend Geld. In der Türkei aber hat man sich manche Tradition über die demokratische Erneuerung im letzten Jahrhundert bewahrt. Der moderne Sultan Tayib Erdogan duldet kein Versagen, das heißt Schmälerung seiner Macht. Er lässt dann eben die Wahlkabinen nochmal belagern. Und auch wenn das Ergebnis der zweiten Wahl nicht ganz seinen Erwartungen entspricht – die Kurden haben die Zehn-Prozent-Hürde übersprungen und den Einzug ins Parlament geschafft - , so kann er jetzt doch mit absoluter Mehrheit ganz nach seinem Gutdünken regieren.

Dieses Gutdünken werden die Türken und die Europäer zu spüren bekommen. In der Türkei wird man mit einem noch härteren Kurs gegen alle Bestrebungen rechnen müssen, die irgendwie nach Autonomie klingen. Das wird die Kurden treffen, auch die Peschmerga, die gegen den Terrorstaat der Islamisten kämpfen. Denn wenn die Peschmerga zu erfolgreich sind, könnte daraus ein eigener Staat entstehen. Um die Europäer aber zu besänftigen, wird er gelegentlich auch einige Stellungen der Islamisten bombardieren lassen, allerdings nicht so stark, daß der IS tatsächlich geschwächt wird. Schließlich handelt es sich ja im Gegensatz zu den Kurden um sunnitische Glaubensbrüder, die nach wie vor über die Türkei – also mit Duldung der Regierung Erdogan – mit Waffen und Kriegern versorgt werden.

Man darf, ohne Prophet zu sein, auch vorhersagen, daß nun keine Zeit der Pressefreiheit oder größerer Religionsfreiheit in der Türkei anbricht. Erdogan hat schon einige laizistische Gesetze abgeschafft, und auch mit Gewaltenteilung und Rechtstaatlichkeit nimmt er es nicht so ernst, wie er es gern in den europäischen Raum ruft. Kein Land der Nato hat so viele Journalisten im Gefängnis, kein Aspirant für einen EU-Eintritt tritt Grundrechte wie Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit so mit Füßen wie die Regierung des Tayep Erdogan in Ankara. Kein Verhandlungspartner weigert sich so beharrlich, ein anderes Land, das schon Mitglied der EU ist, Zypern, offiziell anzuerkennen. Kein Regierungschef belügt die EU so unverschämt wie Erdogan, denn er hatte versprochen, die Republik Zypern anzuerkennen, als es darum ging, dass die EU Beitrittsverhandlungen mit Ankara beschließt. In keinem anderen Land wird die eigene Geschichte derart überhöht und der Mord an einem Volk, den Armeniern, so verharmlost. In keinem Land wird Hitlers „Mein Kampf“ so begeistert und unbehelligt verbreitet wie in der Türkei.

Auch die Europäer werden das Machtgebaren des Sultans zu spüren bekommen. Er wird sie mit der „Flüchtlingswaffe“, dem Öffnen der Lager, zu erpressen versuchen. Harmlos wäre, wenn er dabei nur mehr Geld wollte. Das sollten die Europäer auch bereitwillig geben, schließlich haben sie die Mittel für die Lager auch gekürzt. Erdogan dürfte aber auch eine neue Beitrittsperspektive oder wenigstens die Visafreiheit für Türken verlangen. Denn die türkische Wirtschaft läuft keineswegs mehr so rund wie noch vor einem Jahr und der Sultan fühlt sich jetzt als Beschützer der Muslime in der EU.

Wohin treibt die Türkei? Der große Grieche Aristoteles meinte, „unter den nicht guten Verfassungen ist am erträglichsten die Demokratie“. Und die schlechteste sei die „Entartung des Königtums, die Tyrannis“. Erdogan muss erst noch zeigen, ob er es ernst meint mit Freiheit, Recht und Demokratie. Im Moment nähert er sich eher der Tyrannis.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Pimpinelli

Atatürk, hätte dem schon längst den Hals umgedreht!

Gravatar: Sebastian Kraut

Leider wissen viele nicht, dass die ISIS von vielen Ländern unterstützt wird und auf gar keinen Fall etwas mit dem Islam zu tun hat. Es wird lediglich das weitererzählt, was man auch durch die Medien zu hören bekommt. In der Türkei werden die Kurden genauso behandelt wie alle anderen die dort leben. Das viele Menschen dort Hilfe vom Staat bekommt wird leider verheimlicht, denn Erdogan ist ja der Böse Islamist, der jeden "Gottlosen" vernichten will.
Wacht auf liebe Bürger und informiert euch mal richtig.

Gravatar: Verum

Welche Versprechen hat die Eu bisher gegenüber der Türkei eingehalten?
Keinen anderen Kanditat wurde hinterhältig und gemein behandelt ausser die Türkei.

Keinen anderen Kanditat wurde gesagt,wir nehmen euch nicht auf.

Zypern wurde aufgenommen um den Beitritt zu verhindern.

Jedem Kanditat wurde Visafreiheit gewährt.Türkei nicht.

Obwohl per Vertrag geregelt wurde,Eine Verschlechterung der türkische Bürger nicht erlaubt ist)hat der EuGH gegen die Visafreiheit entschieden auf Grund der Deutsche-Intervention.Die Politiker aus Deutschland gingen Tag ein Tag aus zum Gericht.

Jedesmal wenn die Türkei sich mit Deutschland eingelassen hat, wurde katastrophale Wirkung sichtbar.1 .Weltkrieg.2.Weltkrieg,da hätte man sich gleich auf Usa-Englandsseite stellen müssen.Gegenüber der Sieger ist Deutschland sehr freundlich,aber zu seinen Verbündeten eher kühl und abweisend also verräterisch.

Vor Jahren sagte mal ein ehemaliger türkische Soldat,Hitler war bessere Verbündete als diese deutsche Regierungen.

In euren Adern fliesst heute noch der Judenhass? Und heute Türkenhass?.Ohne Feindbild geht es wohl nicht.Übrigens ,was geht euch die Türkei an,kümmert euch lieber um eigenes Land.

Isis(eine Terro-Org) ist ein gemachtes Kind der Usa und Europäer,woher bekommen sie denn Waffen?Aus dem Weltall?

Gravatar: Homo Sapiens

@Timo O.

Ich kann Ihre Sicht nur bestätigen.
Alleine die AKP wird wegen gescheiterter Koalitionsverhandlungen angeprangert.

Dabei sagen diese Parteien ganz offen, dass sie von ihren Forderungen keine Abstriche machen werden.
Bedeutet nichts weiter als "Mit euch nicht".
Ich bin keineswegs ein Freund der AKP.
Und ich glaube auch, dass die Koalitionsunwilligkeit der anderen der AKP sehr willkommen war.
Begründung.
Nach der Wahl im Juni, präsentiert sich folgendes.
AKP Wähler hatten aus Protest die HDP gewählt, etwa 25% der AKP Anhänger waren erst gar nicht zur Wahl gegangen, wohl auch aus Protest.
Da stellt sich für eine Partei die Frage, wie bekommt man die wieder zurück?
Klarer Fall durch Werbung und Neuwahlen.
Wenn sich also die Situation der Uneinigkeit bietet, dann sind Neuwahlen nicht "Wählen bis das Ergebnis stimmt" sondern das Ausnutzen einer vorhandenen Möglichkeit.
Die Fehler der Kurden sehen die meisten erst gar nicht.
Die gibt es nicht.
Ich hätte da einen.
Die PKK kündigte 3 Wochen vor der Wahl an, mit den Anschlägen auf zu hören um die Wahlen nicht zu belasten.
Die Anschläge belasten also die Wahlen?
Dass es Wahlen geben wird war doch schon seit Juli bekannt und seit Juli läuft auch die Wahlkampagne.
Erdogan hat die PKK für seine Zwecke benutzt, durch Chaos erinnerte sich das Volk an frühere Jahre.
Dauerstreit unter Politikern, pausenloses gegenseitiges Beschuldigen, Anschläge und Tote.
Und wer half dabei der AKP? Wer gab der AKP die Möglichkeit vom Chaos zu profitieren? Die PKK.

Die PKK hätte bis zu den Wahlen die Füsse still halten brauchen, stattdessen leisteten sie die größte Wahlhilfe überhaupt.
Dank der PKK hat die AKP die absolute Mehrheit wieder erlangt.
Da drängt sich einem der Verdacht auf, ob die nicht zusammen arbeiten, weil ich nicht glauben kann dass die PKK in dem Fall, so Kurzsichtig wäre.
Warum wird das alles nicht hinterfragt?
Weil bei einem ausgemachten Feind, hier die AKP, man nur auf diese fixiert ist.

Gravatar: Homo Sapiens

@Stephan Achner

"wo es sogar möglich ist, dass eine völlig überforderte Merkel zum Kniefall nach Ankara fährt."

Sie war in Istanbul und nicht in Ankara.
War es Kniefall?

Warum hat Merkel 2 Wochen vor der Wahl die AKP besucht?
Wegen den Flüchtlingen? Da ist also ein unliebsamer Politiker, dem man die Kalte Schulter zeigte, also einer mit dem man nichts zu tun haben will und hofft, dass seine AKP bei erneuter Wahl verliert.
Weil aber die Flüchtlingskrise zu wichtig ist, musste man hinfahren.
War also dringend und die Wahlhilfe ein unerwünschter Nebeneffekt.
Warum hat sie dann nur die AKP besucht?
Um die Wahlhilfe zu dämpfen hätte sie doch nur die anderen Parteien auch besuchen brauchen.
Aber nur die AKP?
Nicht mal die HDP?
Vielleicht sollen wir glauben, dass die Wahlhilfe nicht gewollt war?
Für mich sieht es sehr nach gewollt aus und damit auch kein Kniefall.
Die Gründe liegen auf der Hand.
Die anderen Parteien haben eine andere Flüchtlingspolitik als die AKP, alle raus, keiner mehr rein.
Wissen Sie was aus Sicht der EU passiert, wenn die AKP nicht regiert?
Diese 2,4 Millionen Flüchtlinge und vielleicht noch weitere zu erwartende aus Syrien, hat dann Europa an der Backe.
Da wäre noch die PKK, alle Parteien haben es der AKP übel genommen, dass diese mit der PKK verhandelt hat. Kommt für die anderen nicht in Frage, die PKK muss bis zur völligen Vernichtung bekämpft werden.
Das bedeutet jahrelanger Kampf im Südosten der Türkei, mit wirtschaftlichen Niedergang und zig Tausenden kurdischen Flüchtlingen.
Deswegen ist sie hin, weil die Prognosen für die AKP schlecht standen, die Wahlhilfe war kein Nebeneffekt, sie war gezielt, weil die EU in der Flüchtlingspolitik der AKP eher vertraut als den anderen. Mit der PKK wird eher die AKP wieder verhandeln als jemals einer der anderen.

Gravatar: Homo Sapiens

"Als vor gut dreihundertdreißig Jahren die Türken endgültig die zweite Belagerung Wiens aufgeben mußten, schickte der Sultan seinem kriegführenden Wesir Kara Mustafa in einem Schmuckkästchen eine seidene Halsschnur. Es war die Aufforderung zum Selbstmord wegen Versagens."

Zur Ergänzung. Der Wesir Kara Mustafa hatte keinen Auftrag vom Sultan Wien zu belagern.
Dies geschah eigenmächtig durch den Wesir.
Es war nicht wegen seines Versagens. Wenn es denn so wäre, dann hätten in der 623 jährigen Geschichte sehr viele nur deshalb den Kopf verloren.

Es war wegen eigenmächtigen Handelns, mit einem enormen Schaden für das Reich.

Eigenmächtiges Handeln im Namen des Sultans mit einer Niederlage war der Grund.

Aber Tod wegen Versagen, passt besser in unser europäisches Bild über die Türken, nur hier wäre er auch kein Tag älter geworden.

Davon abgesehen, kann das kaum eine Aufforderung zum Selbstmord gewesen sein.
Hier wird wohl was mit Japan verwechselt, zeigt die Unkenntnis über die Türken des Kommentators.
Selbstmord ist im Islam definitiv nicht erlaubt.
Man verlangt also von einem, sich wegen Versagens nicht nur zu töten sondern auch gleich freiwillig in die Hölle zu begeben.
Kann Mensch sich mit einer Schnur selbst erwürgen? Mit einem Seil erhängen schon, aber kaum mit einer Schnur erwürgen.

Gravatar: Tino O.

Warm befassen wir uns nicht mit dem eigenen Land ? da gibt es genug zu schreiben!

Fakt ist : Die AKP hätte abgewählt werden können!
CHP/HDP/MHP Koalition und die AKP wäre weg!
also warum dieser Hass?
Analog zu Deutschland Grüne/Die Linke/SPD also was hier gescheitert ist, ist auch in der TR gescheitert! ... warum ist es hier legitim und dort nicht !

Zu dem hätte die HDP mit AKP gehen können ,aber der vom Westen gepimpte Demirtas hat es von Anfang an ausgeschlossen! 85% Wahlbeteiligung und ja da sind auch viele Kurden dabei .. übrigens auch abgeordnete in der AKP ... halten Sie die TR Wähler für blöde?

Sie springen auf dem Bashing Zug auf und kennen nur Ihre Sicht ! bitte besser recherchieren !

Gravatar: Stephan Achner

"Erdogan muss erst noch zeigen, ob er es ernst meint mit Freiheit, Recht und Demokratie." :

Man sollte aufhören, solche Erwartungen (".. muss erst noch zeigen..") überhaupt noch in Erwägung zu ziehen. Erdogan hat doch schon oft genug bewiesen, dass er die säkulare Atatürk-Türkei in einen Religionsstaat sunnitischer Prägung verändern will. Deshalb steht Erdogan diesen menschenverachtenden IS-Terroristen mit ihrem Ziel, das mittelalterliche Kalifat wiederzubeleben, auch sehr nahe und unterstützt diese Terroristen ja offen mit Geld und Waffen. Die Muslime und so auch Erdogan mit seinem Traum von der Wiederbelebung des großtürkischen Reiches wollen zurück ins Mittelalter, das für die Muslime eine "große" Zeit war. Das wird vor allem im Gutmenschen- Deutschland einfach nicht verstanden.

Die Erdogan-Türkei ist eine große Gefahr für Europa. Das wird in den anderen EU-Kernländern wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, Niederlande etc. viel klarer gesehen als im dauer-naiven Deutschland, wo es sogar möglich ist, dass eine völlig überforderte Merkel zum Kniefall nach Ankara fährt. Kein anderer Staatschef in den EU-Ländern würde so etwas machen. Deshalb sehe ich nicht, dass die Türkei jemals EU-Mitglied wird und das ist auch sehr gut so. Die Türkei war niemals ein europäisches Land und die Erdogan-Türkei wird es erst recht nicht sein.

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