Im kleinen Ort Nimmersatt endete die Reichsstrasse 132. Jenseits des Zollhauses lag das Zarenreich, unweit der Kurort Polangen.
„Nymmersatt“ wird schon um 1430 erwähnt. Der Name leitet sich wohl vom kurischen Namen Nemira und dem Wort seta für Hof, Gehöft ab; eingedeutscht wurde daraus Nimmersatt. Der litauische Name ist Nemirseta. Mit einem nicht zu stillenden Hunger hat der Ortsname also nichts zu tun.
Auf der Höhe der Siedlung führte fast ein halbes Jahrtausend die nördliche Grenze Preußens bzw. Ostpreußens an die Ostsee. 1422 hatten der Deutsche Orden und das Großfürstentum Litauen nach vielen Jahrzehnten des Krieges den gemeinsamen Grenzverlauf im Vertrag von Melnosee (Meldensee) festgeschrieben. Bis 1919 hatte diese Grenze von Schmalleningken/Smalininkai an der Memel im Osten bis Nimmersatt im Nordwesten Bestand. Vom 16. bis zum 18. Jahrhundert trennte die Linie Preußen und Litauen, im 19. Preußen und das Zarenreich. Und rund fünfzig Jahre galt: „Nimmersatt, wo das Reich ein Ende hat“.
Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm der Völkerbund die Aufsicht über das Memelland, französische Soldaten wurden stationiert. 1923 besetzte Litauen jedoch den Gebietsstreifen (im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes fiel Memel/Klaipeda wieder an Deutschland). 1945 wurden das nördliche Ostpreußen und Litauen Teil der Sowjetunion und die uralten Grenzen in der Region Geschichte.
Im Deutschen Reich profitierten viele Küstenorte der Gegend vom aufkommenden Badetourismus. Ende des 19. Jahrhunderts wurde aus dem kleinen Bauerndorf mit 200 Einwohnern ebenfalls ein Kurort, wenn auch ein ganz kleiner. Es gab sogar das Kurhaus Karnowsky, einige Hundert Meter vom Strand entfernt. Natürlich lebte der Ort auch vom Grenzverkehr. In einem „Spiegel Special“-Beitrag zu Ostpreußen:
„In Nimmersatt kostete die Grenzkarte 0,10 Mark für den Übertritt ins nahe Zarenreich, das seine Gäste, nur ein paar Minuten Fahrt mit dem Pferdefuhrwerk entfernt, durch einen Kosakenkordon an der “Tamoschnje”, der Zollstation, in Empfang nahm. Nach der Rückkehr, so warben Fremdenverkehrs-Profis von damals, würde sich der Reisende um 13 Tage jünger fühlen – des in Russland geltenden Julianischen Kalenders wegen.“
1958 wurde Nimmersatt in die Stadt Palanga eingemeindet. Der Ort verlor immer mehr Bewohner. Heute stehen nur noch das frühere Zollhaus und die einstige Gaststätte, die zusehends verfällt. Dennoch erlebt Nemirseta eine Art Renaissance – als eine Art ruhiger touristischer Außenbezirk von Palanga, das im Sommer vor Urlaubern nur so überläuft. Direkt gegenüber des alten Kurhauses befindet sich nun ein schicker Campingplatz; und auf dem früheren Ortsgebiet entsteht ein Feriendomizil nach dem anderen.
All das ist kein Zufall. Die wellige Dünenlandschaft bei Nemirseta ähnelt der auf der Kurischen Nehrung. Nur ein paar Kilometer südlich vom Rummel in Palanga kann man dort die Ruhe und den Strand für sich genießen. Und anders als bei der Nehrung muss man nicht mit der Fähre übersetzen; außerdem spart man die horrende Gebühr von nun schon 20 Euro pro Pkw (in der Hauptsaison) für eine Einfahrt in den Nationalpark Neringa, der den größten Teil der Nehrung einnimmt.
Kommentare zum Artikel
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Ich war Mitte Juni am ehemaligen Kurhaus. Es ist jetzt total verfallen. Die noch vorhandenen Mauern sind durch eine Plastik-plane abgedeckt. Im inneren des restlichen Gebäudes ist alles verfallen. Ich habe Fotos davon. Frage: wo kann ich diese hinschicken damit diese an der richtigen Stelle veröffentlicht werden &
LEBE OSTPREUSSEN
Puisse la Prusse renaître de ses cendres.
Schoen, dass mal einer daran erinnert. Das naechste Dorf for Nimmersatt hiess "Immersatt". Der Vater eines NVA-Kameraden kam daher und ist an Heimweh nach dort gestorben. Weiter landeinwaerts liegt Heidekrug. Dort wurde die Saengerin Alexandra (Doris Nefedov) geboren. Leute haben mir erzaehlt, dass wenn man durch die Wiesen geht, man noch ein Einschussloecher in den Wassertoren / Wehren der Entwaesserungsgraeben sieht. Die Bilder von vor 45 sind nicht mit dem heutigen Aussehen vergleichbar, heute ist alles zugewuchert, da die sowjetische Landwirtschaft die Felder nicht drainiert hat.