Wirtschaftswoche: DFR eine der spektakulärsten Neuentwicklungen

Als Blogger träumt man natürlich davon, mal einen Artikel mit den Worten beginnen zu können: “Aus informierten Kreisen wurden mir vertrauliche Materialien zugespielt…”.Als Blogger träumt man natürlich davon, mal einen Artikel mit den Worten beginnen zu können: “Aus informierten Kreisen wurden mir vertrauliche Materialien zugespielt…”.

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Leider ist es auch dieses Mal etwas weniger aufregend, denn die am Montag (26.08.2013) erscheinende gedruckte Ausgabe der Wirtschaftswoche kann man schon als digitale Ausgabe online erwerben. Daher liegt mir der angekündigte Artikel zur Kernenergie bereits heute vor.

Auf immerhin sechs Seiten wagen in diesem die Autoren einen Blick auf aktuelle technische Entwicklungen, ergänzt durch bunte Grafiken und Tabellen. Rein optisch ist das Ding gelungen.

Inhaltlich startet man mit dem Verweis auf den Film “Pandoras Promise“. Zwiespältig, denn ich halte einen Wettkampf der Ängste (“Klimakatastrophe” gegen “Strahlentod”) für kontraproduktiv. Obwohl es sicher eine gute Idee ist, die inneren Widersprüche des Ökologismus zu thematisieren. Aus dieser Einführung leitet man über zu modernen Konzepten für neue Reaktoren, die inhärente Sicherheit versprechen, also die Unmöglichkeit einer Kernschmelze (“Super-GAU”) aus physikalischen Gründen.

Angesprochen werden:

     

  • der Flüssigsalzreaktor durch seinen prominenten Vertreter “Dual Fluid Reaktor” DFR
  • kleine, kompakte Reaktoren am Beispiel des mPower-Systems von Babcock & Wilcox (man beachte auch Günter Keils Übersicht hier bei uns)
  • mit Teilchenbeschleunigern betriebene Transmutationsanlagen (“Rubbiatron”) am Beispiel der geplanten Anlage im belgischen Myrrha
  •  

Zum DFR schreibt man folgendes:

Eine der spektakulärsten Neuentwicklungen kommt ausgerechnet aus Deutschland: der Dual Fluid Reaktor (DFR). Ihm haben sich Physiker des privaten Instituts für Festkörper-Kernphysik (IFK) in Berlin verschrieben. Die Idee solcher Flüssigsalzreaktoren wurde in den Fünfzigerjahren geboren – und teilweise getestet.

Das besondere an diesem Reaktortyp: Er wird nicht mit festen Brennstäben bestückt. Der Brennstoff, aufbereitete Uransalze, fließt stattdessen in einer Schmelze durch den Reaktorraum. Sie transportiert die Hitze von einigen Hundert Grad Celsius, die durch die Kernspaltung entsteht, zu einem Wärmetauscher, der heißen Dampf für die Stromproduktion erzeugt.

Im weiteren wird auf die besonderen Vorteile der Flüssigsalztechnologie im allgemeinen und des DFR im besonderen eingegangen:

     

  • die Möglichkeit, Spaltprodukte während des Betriebs aus dem Flüssigsalz zu entfernen
  • die Möglichkeit zur Transmutation langlebiger Brut- und Spaltprodukte
  • die hohe Effizienz des DFR durch den zusätzlichen wärmeübertragenden Bleikreislauf
  • die inhärente Betriebssicherheit, da eine Änderung der Geometrie des Reaktorkerns durch passive Systeme bei einem Störfall zu einem unterkritischen Zustand führt
  • die Möglichkeit, die produzierte Wärme nicht nur zur Strom-, sondern auch zur Kraftstoffproduktion zu nutzen
  •  

Der Artikel zeigt, daß die (private) Blogosphäre tatsächlich Einfluß auf die Berichterstattung in den großen Mainstream-Medien nehmen kann. Denn er ist natürlich eine Reaktion auf den Proteststurm, der sich anläßlich des Ausschlusses des DFR von den Greentec-Awards nach gewonnener Online-Abstimmung erhob. Über ihre Tochtermarke “Wiwo Green” ist die Wirtschaftswoche ja Medienpartner dieser Veranstaltung. Die teils heftige Kritik, der man sich auch als Jurymitglied ausgesetzt sah, bewog die verantwortlichen Redakteure zunächst zu einer entsprechenden Stellungnahme im Diskussionsforum von Wiwo-Green und nun auch zu diesem Text im Printmagazin.

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Dabei widerlegt man die inhaltlichen Vorbehalte der Greentec-Macher gegenüber dem DFR in vollem Umfang. Was zu der Frage führt, warum dies nicht zu einem Umdenken der Veranstalter führt und ob die anderen Jurymitglieder (bspw. Pro 7, vertreten durch das Team von Galileo) lernfähig sind.

Natürlich gebietet die Reporterehre, sich nicht mit einem Anliegen gemein zu machen, sondern neutral und kritisch das Für und Wider darzustellen. Im Vergleich zur üblichen Umweltberichterstattung, in der Meinungsmache die Aufklärung deutlich überwiegt, stellt der Artikel auch in dieser Hinsicht eine wohltuende Ausnahme dar.

Es werden aber – neben dem allgemeinen Verweis auf hohe Entwicklungsaufwände und -risiken – drei konkrete Aspekte herausgegriffen, die man bei genauerem Hinsehen als nicht entscheidend oder gar unbegründet zurückweisen muß:

Die Materialfrage beim DFR bzw. bei Flüssigsalzreaktoren allgemein: Das Team vom IFK ist in zahlreichen Texten ausführlich auf dieses Thema eingegangen (u.a. auch hier bei uns). Aus meiner Sicht zeigen schon die Entwicklungen am ORNL aus den 1960er Jahren ausreichend Lösungsmöglichkeiten auf.

Die Kosten: Am Beispiel des neuen französischen Kernreaktors in Flamanville wird behauptet, Strom aus Windenergieanlagen könne preiswerter hergestellt werden, als solcher aus Kernkraftwerken. Dabei bleibt unberücksichtigt, daß die genannten 8 Cent pro Kilowattstunde nur für Onshore-, nicht aber für die von der Bundesregierung und den norddeutschen Küstenländern propagierte Offshore-Energie gelten. Letztere ist weit teurer. Dann hat man mit Flamanville (geschätzt 10 Cent pro Kilowattstunde) ein im internationalen Vergleich sicher extremes Beispiel herausgesucht. Schließlich ist bei der Berechnung von Investitions- und Betriebskosten über die geplante Laufzeit immer zu beachten, daß Kernkraftwerke letztere meist deutlich übertreffen, während Windmühlen diese fast nie erreichen (was im Moment in Deutschland durch das Repowering überdeckt wird). Und man sollte immer Gleiches mit Gleichem vergleichen. Ein Windkraftwerk kann ohne Stromspeicher keine verläßliche Versorgung garantieren. Die Speicherkosten aber sind in den 8 Cent nicht enthalten.

Die Reichweite von Uran: Gerade Flüssigsalzreaktoren können mit dem überreichlich vorhandenen Thorium betrieben werden (der eigentliche Brennstoff, Uran 233, wird dann erst im Reaktorkern erzeugt). Wie sagt Kirk Sorensen so schön: “We will never run out. It is simply too common.

In dem Artikel fehlt nicht nur der Verweis auf Thorium, auch die anderen Entwicklungslinien der vierten Generation neben dem Flüssigsalzreaktor werden nicht angesprochen. Aber dem Leser wird deutlich, daß Fukushima keinesfalls das Ende der friedlichen Nutzung der Kernenergie darstellen muß, sondern vielmehr Auftakt für ihre Renaissance auch in Deutschland sein kann. Vielleicht widmet sich die Wirtschaftswoche dem Thema auch weiterhin. Sie wird es ganz sicher, wenn jetzt viele Menschen das Heft kaufen und über die üblichen Kanäle On- wie Offline konstruktive Rückmeldungen geben. Dazu sei hiermit aufgerufen. Als erster Autor zeichnet Dieter Dürand (dieter.duerand@wiwo.de).

P.S.: Gegen die erstinstanzliche Entscheidung im Hauptsacheverfahren, der Ausschluß vom Wettbewerb sei rechtens (wodurch die erwirkte einstweilige Verfügung zunächst unwirksam wird), hat das IFK umgehend Einspruch am Berliner Kammergericht eingelegt. Es geht also weiter.

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Michael Ziefle

Lieber Freigeist,
der Abbau von Thorium gestaltet sich gegenüber dem Uran geradezu als unproblematisch. Es gibt überall Thorium, wo auch seltene Erden zu finden sind. Vorkommen gibt es in vielen Ländern. Angefangen von Australien, bis Norwegen und der Türkei. Davon gibt es etwa drei bis X Mal soviel Vorkommen wie vom Uran.
Wussten Sie schon, dass die neue Rektorgeneration IV nur noch ein Bruchteil von Uran oder Thorium benötigt. Mit 20 kg Uran kommt man bis zu 20 Jahren aus. Also so einen wilden Bergbau muss man dann gar nicht mehr betreiben. Kein Vergleich mehr mit Steinkohlebergbau.
Ein gutes Nachschlagemedium im Internet ist die "Nuklearia", eine nicht gern gesehene Gruppe von Piraten, die sich dieses Themas angenommen hat. Da steht alles drin über die Forschungsaktivitäten in der Welt, der Kernkraft. Es handelt sich dabei um Fachleute!!!es sind keine Soziologen.

Gravatar: Freigeist

Dem Artikel fehlt nur der Hinweis, wie Thorium zu gewinnen ist. Bei der Berbau-Uran-Gewinnung ist es meist eine gewaltige Umweltzerstörung.

Gravatar: JB

Nichts für ungut, aber ein gewisses Maß an Skepsis bleibt, gerade im Hinblick auf die Versprechen hinsichtlich Thorium und Transmutation.

Zum Thorium: Aus Th-232 soll das spaltbare Uran-Isotop U-233 erbrütet werden, das zu Kettenreaktionen fähig ist. - So weit, so gut. Leider hat dieses Isotop die Eigenschaft, für Nuklearwaffen sehr gut geeignet zu sein, und zwar mit einer kritischen Masse von einem Drittel von U-235. Es wird immer wieder ins Feld geführt, daß U-233 praktisch immer mit U-232 verunreinigt und diese Isotope besonders schwierig zu trennen sei. In der Zerfallsreihe von U-232 taucht ein harter Gammastrahler auf, der die Zündelektronik einer Bombe empfindlich stört. Dies trifft durchaus zu, taugt aber nicht als Argument, warum dadurch das Proliferationsrisiko geringer ist: Erstens kann ein Sprengsatz mit U-233 im recht einfachen Gun-Design ausgeführt werden, das keine komplizierte Zündelektronik erfordert, und zweitens ist trotz der Verunreinigung mit U-232 die Gammastrahlung während des ersten halben Jahres noch überschaubar.; dies ist nichts für eine Nuklearmacht, die zu Abschreckungszwecken eine Uranbombe auf Lager halten möchte, einem Kriegsherrn, der die Bombe in ersten Linie und möglichst bald einsetzen will, sollte es aber nicht stören.

Zur Transmutation: Das Versprechen lautat ja, wenn man den Beiträgen in den diversen Foren lauscht, daß vermeintlich "böse" Isotope, also schwächer aber langlebig strahlende, in vermeintlich weniger böse (mit starker, aber rasch abklingender Strahlung) umgewandelt werden. - Ich habe einige Stunden in den Suchmaschinen verbracht, aber leider keine quantitativen Angaben darüber gefunden, mit welchen Mengenangaben zu rechnen ist und welche Isotope (wie lange und wie stark strahlend) entlang des Weges entstehen und durch den Reaktor wieder entschäft würden. Ich würde gerne selbst nachvollziehen, ob ein Transmutationsreaktor die Versprechen halten kann. Solange ich mir einen Wolf suchen muß, ehe ich belastbare Zahlen finde, habe ich arge Zweifel an der Seriosität dieser Aussage.

Gravatar: Michael Ziefle

Es freut mich ausgesprochen, dass sich die WiWo mit dem Thema auseinandersetzt. Es kann sich hierbei nur um Roland Tichy handeln, der sich des DFR angenommen hat.
Aber fast jeden den man in Deutschland auf Kernkraft anspricht winkt ab. Es kommt sofort das Argument mit dem Endlager. Das hat man dem Michel jahrzehntelang eingetrichtert, Fachwort indoktriniert.
Nur das weitere Forschen und Betreiben der Kernkraft kann doch hier Abhilfe schaffen. Man meint gerade, dass bestimmte Gruppen gar keine Lösung dieses Problems anstreben, sondern sehr dankbar sind die Problematik zu verschleppen. Gegen Kernkraft zu sein ist halt cool, vor allem bei jungen Menschen in Deutschland. Gerade umgekehrt verhält sich die Sachlage in Schweden, hier wurde bei einer Befragung die größte Zustimmung bei Jugendlichen erzielt. So ist es halt wenn Kinder schon im Kindergarten negativ beeinflusst werden. Bei den Schulbüchern setzt sich das dann fort und bringt die Oma, wenn sie es mit dem Enkel durchgeht, auch noch auf falsche (dumme) Gedanken.
Lustigerweise gab es in den 60iger Jahren schon eine Lösungsmöglichkeit mit dem Kugelhaufenreaktor. Der wurde von Politik und "Atomlobby" ins Abseits gestellt. Die Chinesen sind dankbar und bauen zwei Reaktoren mit dieser Technik. So könnte es dem DFR auch gehen. Doch wird weltweit an neuen Reaktorsystemen geforscht, Deutschland ist hier schon in vielen Fällen außen vor. Mein höchster Respekt gilt den Physikern des IFK Berlin. Die trotz des kopflosen Ausstiegs 2011 weiter geforscht haben. Die Deutschen waren in dieser Technik immer führend. Wie heißt es in einer Werbung so schön, „Wir Habens erfunden".

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