Wir waren schon immer so...

Ja, ich gebe es zu. Ich habe in meiner Jugend bzw. jungem Erwachsenendasein nicht alle Klassiker gelesen, die sich zu lesen lohnt. Aber beim einen oder anderen habe ich das in meinen späten Jahren nachgeholt.

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So las, bzw. lese ich in diesem Jahr den wundervollen Roman, ich sollte besser das wundervolle Epos sagen, „Krieg und Frieden“ von Leo Tolstoi in der Ausgabe Anaconda aus dem Russischen von Hermann Röhl. Und ich bin auch noch nicht ganz durch, was bei 1531 Seiten in 10 Punkt Schrift auch nicht so verwunderlich ist.

Das Buch erschien 1869 nachdem Tolstoi 6 Jahre daran geschrieben und umgeschrieben hatte und gehört seitdem zur Weltliteratur. Und das ist auch berechtigt! Immer noch! Denn es ist mehr als ein Roman, es ist ein historischer Roman, ein detailliertes Psychogramm der handelnden Personen (WIKIPEDIA zählt davon 58 namentlich auf, nennt aber nicht alle), ein Sittengemälde der Zeit, eine kluge Analyse militärischer Aktionen und ihrer nur gelegentlichen Vorhersehbarkeit, ein unendlich scheinendes Geflecht der Beziehungen, Vor- und Abneigungen der Personen, eine sehr nachvollbeziehbare Beschreibung der russischen Feudalgesellschaft zum Anfang des 19. Jahrhunderts und eine erstaunlich scharfsichtige Betrachtung der Nationalcharaktere der beteiligten Personen aus ihren jeweiligen Nationen und noch viel viel mehr.

Nachdem ich mich mit den vielen Personen angefreundet hatte, ja sogar begann sie nach längeren Lesepausen wieder zu erkennen, machte mir das Lesen eine Riesenfreude. Nicht nur wegen der gepflegten deutschen Sprache, in die der Übersetzer Hermann Röhl das damals zeitgenössische Russisch übertragen hatte, sondern auch wegen der vielen präzisen Beobachtungen über Charaktere, Landschaften, Beziehungen zwischen den Menschen etc. die Tolstoi dort erzählt, immer glaubhaft erzählt, und die beim Leser fast immer Zustimmung, sei es aus eigner, sei es aus fremder Erfahrung erlangen. Es ist für mich unglaublich, wie ein einzelner Kopf diese vielen Zusammenhänge, Personen, Situationen und, und und defacto im Kopf haben und trotzdem stringent in sich stimmig erzählen konnte. Aber das ist ein anderes Thema.

Mein Thema ist jetzt und hier der von Tolstoi, aus meiner Sicht, so treffend beschriebene Nationalcharakter, niedergeschrieben am Beispiel von einigen der handelnden Personen. In diesem Falle und insbesondere des deutschen Majors Ernst on Pfuel, der im Generalstab des russischen Zaren zeitweise eine bedeutende Rolle[1] spielte.

Und er beschreibt ihn so (S. 835 ff, Hervorhebungen von mir) :

….Offenbar war Pfuel, der auch sonst stets zu gereizten, ironischen Äußerungen neigte, an diesem Tag besonders erregt, weil man gewagt hatte ohne ihn hinzuzuziehen, sein Lager zu besichtigen und zu kritisieren. Fürst Andrei konnte sich, dank seinen Austerlitzer Erinnerungen, schon aufgrund dieser einen kurzen Begegnung mit Pfuel ein klares Bild von dem Charakter dieses Mannes machen. Pfuel war von einem unerschütterlichen, unheilbaren, geradezu fanatischen Selbstbewußtsein, wie es eben nur bei den Deutschen vorkommt, und zwar besonders, weil nur die Deutschen aufgrund einer abstrakten Idee selbstbe­wußt sind, aufgrund der Wissenschaft, d. h. einer vermeintlichen Kennt­nis der vollkommenen Wahrheit. Der Franzose ist selbstbewußt, weil er meint, daß seine Persönlichkeit sowohl durch geistige als durch körper­liche Vorzüge auf Männer und Frauen unwiderstehlich bezaubernd wirkt. Der Engländer ist selbstbewußt aufgrund der Tatsache, daß er ein Bürger des besteingerichteten Staates der Welt ist, und weil er als Englän­der, immer weiß, was er zu tun hat, und weiß, daß alles, was er als Eng­länder tut, zweifellos das Richtige ist. Der Italiener ist selbstbewußt, weil er ein aufgeregter Mensch ist und leicht sich und andere vergißt. Der Russe. ist besonders deswegen selbstbewußt, weil er nichts weiß und auch nichts wissen will, da er nicht an die Möglichkeit glaubt, daß man etwas wisssen könne. Aber bei dem Deutschen ist das Selbstbewußtsein schlimmer, hartnäckiger und widerwärtiger als bei allen andern, weil er sich einbildet, die Wahrheit zu kennen, nämlich die Wissenschaft, die er sich selbst ausgedacht hat, die aber für ihn die absolute Wahrheit ist.“

Peng, das hat gesessen. So jedenfalls mein Eindruck. Schon damals. Besonders aber, wenn man diese Beschreibung des deutschen Nationalcharakters auf die heutigen Bewohner dieses Landes überträgt. Man findet auch heute noch all das wieder, was das Verhalten der Mehrheit der veröffentlichten Meinung, der Politik und der sie tragenden Parteien und Gremien und NGO´s, kurz der Elite diese Landes ausmacht. Und das nicht nur bei der Anbetung des Klimagötzens, da aber besonders ausgeprägt, besonders heftig, besonders selbstgefällig, und .. besonders zerstörerisch.

Wer sich nun also fragt, wie es dazu kommen konnte, dem kann man nur antworten

…wir waren schon immer so!

  1. Siehe Ernst von Pfuel bei WIKIPEDIA hier de.wikipedia.org/wiki/Ernst_von_Pfuel

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Axel Gojowy

Sehr geehrter Herr Dr. Limburg, empfehlenswert die Novellwn von Theodorm Storm "Die Regentrude" und "Der Schimmelreiter", es gab Dürre und Sturmflluten lange vor dem sogenannt menschengemachten Klimawandel

Gravatar: Hajo

Wissenschaft, die Wissen schafft und es dann zum Dogma erhebt um dem Rest der Welt zu erklären daß sie unfehlbar ist, bis einer kommt und es widerlegt, was dann verschwiegen, ignoriert oder sogar massiv bekämpft wird.

Das ist das typische vemeintliche Überlegenheitsmerkmal als Zeichen des neuen Standes seit der Aufklärung, die vorher der Kirche und den Herrschern vorbehalten war, bis diese mehr und mehr an Macht verloren haben und es sogar soweit geht, daß Gott selbst angezweifelt wird, als letztes Zeichen der Dummheit und Niedertracht, wenn man selbst eigentlich erkennen müßte, das von nichts nichts kommt und unser natürliches Ende den letzten Beweis bezeugt, nur Teil einer höheren Macht zu sein, der wir uns alle am Ende beugen müssen.

Auch der Wissensdurst ist grundsätzlich im Menschen angelegt, beim einen mehr beim anderen weniger und sich Wissen anzueignen bis ins hohe Alter ist einfach eine Frage des persönlichen Anspruchs, denn in den jungen Jahren verfügt man allenfalls über ein schulisches Grundgerüst, was im Laufe der Jahrzehnte ständig ausgeweitet wird und bei jenen zur Vollendung kommt, die sich auf vielen Feldern informieren, wobei der menschliche Geist in Bezug auf das Angebot schnell überfordert werden kann und somit nur an der Rinde kratzt nicht aber die tiefe des Wissensstandes und der Erkenntnis erreicht, unabhängig von der Speicherung, die bezogen auf die Zeit und das Leistungsvermögen irgendwo ihre Grenzen hat, wie bei allem was man sieht oder denkt und nur einen Bruchteil zur Kenntnis nehmen kann.

So ist das Leben in allen Facetten für den Wißbegierigen ein großes Feld der inneren Befreiung und wird nur gestört, wenn man mit Gegenteiligem verkehren muß, was dann die eigene Freude trübt und ganz hartnäckige, die vom Wissendurst getrieben werden, müssen eben zum beseren Verständnis nur als Beispiel einen Heidegger in Passage zweimal lesen um ihn ansatzweise zu verstehen, während dagegen Sachbücher oder Trivialliteratur auf vielen Ebenen leichter zu verstehen ist wenn man sich dafür überhaupt interessiert.

Wer in der prägenden Phase schon früh angefangen hat sich querbeet zu informieren hat den Vorteil, mehr im Speicher aufnehmen zu können, während es mit zunehmendem Alter weniger leicht im Gedächtnis haften bleibt, aber intensiver wird und der Gedanke, die Welt in aller Oberflächlichkeit zu verlassen wäre für micht einer der schrecklichsten, denn dann hat man ja wirklich was verpaßt.

Wenn man nun unter anderem mit der Feldtheorie des Physikers Burkhard Heim befaßt hat, so kommt da in aller Deutlichkeit auch unter den Gelehrten die Mißgunst hoch und selbst neue theoretische Gedanken wurden seinerzeit selbst von so Koryphäen wie Einstein und Weizsäcker abgelehnt, die nicht einmal seine Niederschriften angenommen haben um sich ansatzweise damit zu befassen.

Auch hier wird es so sein, daß im Falle seiner richtigen Erkenntnis, es mal von irgendjemand aufgenommen wird, was ihm dann später zu Ruhm und Ehren gereichen könnte und immer wieder kommt das alte Dogma durch und wurden früher noch Abweichler verbrannt, dann werden sie heute geächtet und der alte Spruch. und sie dreht sich doch, wird auch wiederkommen, ob man will oder nicht.

Selbsterkenntnis ist der erste Weg zu einem besseren Menschen, man sollte es wenigstens versuchen bevor man abtreten muß und das wird einem Menschen erst so richtig bewußt, wenn 80% der ehemaligen Gefährten schon ins Jenseits entschwunden sind, was man in jüngeren Jahren weniger zur Kenntnis nimmt, weil einen da andere Dinge plagen. was auch verständlich ist.

Gravatar: H.Arno

Mag ja sein, dass Tolstoy die Mehrheit der deutschen Bevölkerung richtig charakteri-
siert hat. Aber das langatmige monströse "Krieg und Frieden" bis zum Ende durch-
zulesen, habe ich mir nicht antun können. Da stimme ich mit Ch. Bukowski überein -
es ist langweilig - und irgendwann schlägt man ermüdet den Wälzer zu.

Gravatar: Werner Hill

Nein! "Wir" waren nicht schon immer so!

Dank raffinierter Medienarbeit scheint sogar das Gegenteil zu stimmen. Die Marionettenmedien der Totengräber Deutschlands verstehen es einfach zu gut, uns zu suggerieren, daß "wir" kein Selbstbewußtsein brauchen und uns am besten einfach regieren lassen. Und allzuviele Unbedarfte glauben dann, daß "wir" so zu sein haben, wie die Medien es darstellen und daß es nicht falsch sein kann, mit der Mehrheit das zu glauben, was die Medien ständig wiederholen und das auszublenden, was sie verschweigen. Liegt da nicht eher ein Mangel an Selbstbewußtsein vor?

Ist Selbstbewußtsein nicht geradezu notwendig, um sich mutig den Lügen des Mainstream entgegenzustellen? Dazu muß man aber auch bereit sein, sich zu scheinbar unpopulären eigenen oder absoluten Wahrheiten zu bekennen.

Die FW und ihre Autoren sind ein Beispiel dafür ...

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