Wir brauchen den Staat gegen Zombies! Wirklich?

Dass der Staat eine Institution ist, die nicht mal gegen Zombies notwendig ist, beschreibt Henning Lindhoff an gut zwei Dutzend Beispielen.

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Ist es nicht gut, einen starken Staat zu haben, der sich um die Schwachen? Sind Drogen nicht eine Geißel der Menschheit, die verboten gehört? Brauchen wir zur Herstellung von Gerechtigkeit in einer auf Wettbewerb zielenden Gesellschaft nicht die starke Hand einer Regierung? Stellen Hacker nicht eine Gefahr für unser Gemeinwohl dar und gehören deshalb strafrechtlich aufs Schärfste verfolgt? Ist nicht der marktwirtschaftliche Wettbewerb ursächlich für lokale und globale Ungerechtigkeiten und am Ende verantwortlich für die Kriege, die die Welt heimsuchen? Und ist nicht zur Abwehr einer bevorstehenden Zombie-Invasion ein staatlich gelenktes Vorgehen notwendig?

So vielschichtig – und teilweise abstrus – wie die Fragen, die in Henning Lindhoffs Buch “Zombies, Hacker und legale Drogen” als Thesen formuliert sind, erscheinen, so einheitlich lautet die Antwort: Nein! Nun ist der Autor stellvertretender Chefredakteur des libertären Magazins “eigentümlich frei” und Herausgeber der jährlich erscheinenden libertären Buchreihe “Freiheitskeime” – da kann man viel Verständnis für staatliche Ordnungspolitik nicht erwarten.

Interessant am Ansatz von Lindhoffs “zwei Dutzend Denkanstößen zum Diskutieren, Weiterdenken und Weitersagen” (so der Untertitel des Buchs) ist aber die methodische Aufbereitung. Er hangelt sich thematisch durch alle Lebensbereiche, in die sich der Staat – mehr oder weniger unbemerkt – ausgebreitet hat, und macht deutlich, wie eine natürliche Ordnung darin aussehen würde und wieso eine staatliche Regulierung maximal die zweitbeste Lösung darstellt, in den meisten Fällen nicht mal das. So geht es um das “Leben” insgesamt, das Riskieren, Planen, Schwitzen, Handeln, Finanzieren, Investieren und Zurückblicken. Im letzteren wird auch historisch, zum Beispiel anhand des gar nicht so wilden Westens dargelegt, wie auch ohne staatliche Intervention eine sinnvolle und auch ethisch zu rechtfertigende Ordnung zustande kommt.

Über die einzelnen Themen möchte ich gar nicht intensiv schreiben, ein kleiner Einblick findet sich auch in meiner Rezension zum Vorläuferbuch unter gleichem Titel, ursprünglich mal als Fortsetzungsreihe unter dem Titel “Einsprüche für die Freiheit” geplant, als dessen Erweiterung die Neuausgabe verstanden werden kann. Was aber als Fazit des Buches im Raum steht, ist die Frage, ob es überhaupt gute Gründe für eine staatliche Ordnung gibt, die nicht auch privatrechtlich geregelt werden könnten. Im Sinne der Aufforderung im Buchuntertitel zum “Weiterdenken” kann man nach der Lektüre des Buches wohl feststellen: Wenn überhaupt, dann nur sehr wenige!

Es liegt den Menschen offenbar im Blut, im Austausch miteinander zu stehen, und die Grundlage dieses Austausches ist der freie Wille und das Eigentum. Darauf basierend erfahren selbst irreguläre Handlungsweisen eine Sanktionierung, für die keine staatliche Gewalt notwendig ist. Einige staatsähnliche – aber auch nur ähnliche – Ansätze gibt es natürlich im Rahmen der Subsidiarität, in der auf freier Vereinbarung basierende Regelungen auf lokaler Ebene – inklusive Sanktionsmechanismen – greifen können. Wer sich einem solchen Regelwerk nicht unterwerfen will, steht dann eben “draußen”, bis er jemanden findet, der noch mit ihm Umgang haben und Geschäfte machen will.

Der Trick staatlicher Gewalt und der Annahme ihrer Notwendigkeit besteht im Wesentlichen darin, dass sich heute niemand mehr vorstellen kann, dass es auch ohne ginge. Wer soll sich denn um die Einhaltung von Gesetzen, den Schutz der Rechte von Minderheiten oder sozial Schwachen, die Gesundheitsvorsorge und die Müllentsorgung kümmern … wenn nicht der Staat! Lindhoff argumentiert in seinen Beiträgen des Buches gerade anders herum: Wie würden sich solche Themen regulieren, wenn es keinen Staat gäbe? Darauf finden sich erstaunlich einfache Antworten, und am Ende bleibt die Frage im Kopf hängen, wie es soweit kommen konnte, dass sich der Staat in alle Lebensbelange einmischen kann, wie er es heute tut?

So bleibt für mich als Fazit, dass sich staatliche Ordnung heute nur noch so rechtfertigt, dass bei ihrem Wegfall vorübergehend ein Vakuum entstünde, man könnte es ein Regulierungsdefizit nennen. Davor und den Konsequenzen besteht weitreichende Furcht in den Köpfen, wohl auch nicht ganz zu Unrecht. Als Begründung für die Notwendigkeit eines Staates ist das aber nur ein schwaches Argument. Die Abschaffung des Staates, die nicht ins Chaos sondern in eine privatrechtliche Ordnung führen soll, wäre notgedrungen ein zu organisierender Prozess. Unmöglich ist er aber nicht … und zum Weiterdenken: Wie kommen wir da hin?

Bevor wir aber den dritten Schritt vor dem ersten machen, empfehle ich erst mal die Lektüre von Henning Lindhoffs Buch. Doch vorsicht: Es kann sein, dass sie am Ende ein ganz anderes Weltbild haben, das mit ihren bisherigen Vorstellungen nicht mehr kompatibel ist!

Henning Lindhoffs “Zombies, Hacker und legale Drogen – Zwei Dutzend Denkanstöße zum Diskutieren, Weiterdenken und Weitersagen” ist im Mai 2015 im FinanzBuch Verlag erschienen und auch als eBook erhältlich:

Beitrag erschien auch auf: papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Ernst Ludewig

Der grundlegende Denkfehler der Libertären besteht darin, dass sie die allgemeingültige Tendenz von Macht ignorieren, sich zusammenzuballen. Das Machtzentrum, dass dann am Ende übrig bleibt ist... der Staat. Sollte es anders sein, müssten die Menschen erstmal gut zueinander werden, und das werden sie nicht. Die Natur des Menschen ingnorierend, ist die libertäre Utopie also tatsächlich nicht mehr als das.

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