Wieder fünf Millionen Arbeitslose?

Die Regierung Schröder stand  wie schon die Regierung Kohl im Schatten der Arbeitslosigkeit. Mitte der 90er Jahre wurde die Arbeitslosigkeit zum Dauerbrenner und die Politik stand ziemlich hilflos da. Schließlich kletterte die Zahl auf über fünf Millionen und Krisenstimmung machte sich breit. Das war die Zeit als die Agenda 2010 verabschiedet wurde. Doch dann setzte der Aufschwung ein, Angela Merkel und die Große Koalition konnten sich über steigende Steuereinnahmen freuen und das Land beschloss, die Erfahrungen der letzten zehn Jahre zu ignorieren.

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Das Land diskutierte als würde der Aufschwung ewig dauern und als gäbe es etwas zu verteilen. Die zum Teil wieder gefundene Wettbewerbsfähigkeit wurde durch Reallohnerhöhungen, die Einführung von Mindestlöhnen in bestimmten Branchen, die Rücknahme von Agenda-Reformen und zusätzliche Staatsausgaben konterkarriert. Im Aufschwung hatte das keine bösen Folgen. Jetzt im Abschwung zeigt sich, dass das Land in der Kanzlerschaft von Frau Merkel deutlich über seine Verhältnisse gelebt hat. Nach Prognosen der EU-Kommission werden 2009, also mitten im Abschwung, die Lohnstückkosten um fünf Prozent steigen, stärker als bei den anderen EU-Staaten.

Die Zahl der Kurzarbeiter stieg von 51000  im Mai 2008 auf jetzt über 1,3 Millionen. Kurzarbeit ist eine Übergangslösung. Die Kosten für die Kurzarbeit sind auf fünf Milliarden Euro gestiegen. Ein großer Teil der Arbeitnehmer, die auf Kurzarbeit gesetzt wurden, werden im Jahr 2010 ihre Stelle verlieren, wenn der Export nicht wieder in vollem Umfang anspringt und dafür spricht derzeit wenig. Hinzu kommt der Umstand, dass der Arbeitsmarkt erst in einer späten Phase von einem Aufschwung profitiert. Der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz erklärte in der Wirtschaftswoche, er hoffe, die Arbeitslosigkeit werde nicht über fünf Millionen steigen. Er selbst rechne mit einem Durchschnitt von 4,6 Millionen Arbeitslosen.

Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Ausgangsposition gegenüber 2005 sich nicht verbessert hat, sondern durch die Tariflohnerhöhung und die Maßnahmen der Bundesregierung wieder verschlechtert, sind fünf Millionen Arbeitslose kein unrealistisches Szenario. Wie schlimm es wird, wird davon abhängen, wie flexibel der Arbeitsmarkt auf die Herausforderung reagieren kann. Starre Tarifregelungen und Arbeitszeiten wirken in Krisenzeiten wie Rasiermesser, die die Beschäftigungsverhältnisse, die zu den festgelegten Bedingungen nicht mehr kostendeckend sind, aus dem Arbeitsmarkt herausschneiden. Ohne diese Reduktion von Arbeitsplätzen geht dann im schlechtesten Fall das ganze Unternehmen pleite.

Die Reformen, die im Aufschwung der letzten Legislaturperiode zu den Akten gelegt wurden, müssen jetzt wieder angepackt werden. Denn eines ist klar: Der Arbeitsmarkt wird nach dieser Krise nicht mehr sein, was er vor der Krise war. Es wird weniger Industriearbeitsplätze geben und mehr Menschen werden ihr Glück in der Dienstleistungsbranche suchen müssen. Es wird weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und mehr flexible Arbeitsverhältnisse geben. Damit wird ein Jahrzehnte dauernder Prozess einen neuen Höhepunkt erreichen. Die neue Arbeitswelt passt nicht mehr zu den alten Sozial- und Tarifsystemen des 19. und 20. Jahrhunderts.

Um die Krise zu überwinden, werden sich die Deutschen auf den Rückgang der Reallöhne und die Kürzung der Sozialleistungen einstellen müssen. Denn das heutige Niveau ist nicht länger finanzierbar. Das Handelsblatt berichtete, dass allein für die Arbeitslosigkeit jährlich 30 Milliarden Euro höhere Ausgaben veranschlagt werden müssen. Wer sich die Lage des Haushalts ansieht, der weiß, dass wird nicht ohne Einschnitte ins soziale Netz abgehen – egal ob das Regierungsoberhaupt Merkel oder Steinmeier heißt. Die nächste Regierung wird aller Wahrscheinlichkeit nach wieder im Schatten der Arbeitslosigkeit agieren.

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