Wie Steuern die Musse verhindern

Veröffentlicht:
von

Die Frage, die man stellen muss, bevor man sich dem Müssiggang hingibt, ist, wie man überhaupt dazu gebracht wurde, diesen als ernsthafte Option für seinen Lebensentwurf ausser Betracht zu lassen.

 

20131028-105910.jpg

 

Ganze Arbeit haben hier die Protestanten geleistet, egal welcher Strömung und Splittergruppe. Die Ökonomisierung des Glaubens und damit einhergehend die Vertreibung der Musse ist den evangelikalen Glaubensgemeinschaften besonders in den USA hervorragend gelungen. Sechs Tage arbeiten und den siebten der Lebenssinnjustiering durch den Prediger zu widmen – das ist fortan die Norm.

Wer also ohne Musse schuftet, führt ein gottgefälliges Leben. Und kommt, wenn er denn erst mal gestorben ist, in den Himmel.

Vor Jahren war ich mal auf einer Pressereise in Simbabwe und habe mich dort mit lokaler Literatur von schwarzafrikanischen Erzählern und Historikern eingedeckt. Darunter die Erzählung eines Simbabwers, der teils biografisch teils aus Erzählungen anderer, die ersten Jahre seit der Ankunft der weissen Siedler beschreibt.

Den Namen dieses Schriftstellers habe ich vergessen, auch den Titel des Buches. Doch der Inhalt ist mir geblieben. Es schildert, wie sie die Neuankömmlinge bei ihrem Tun beobachteten (die Fahne einholen abends), wie sie sich über die Gesichtsbehaarung der Männer staunten und sich über die seltsam bekleideten Frauen lustig machten. Und überhaupt der Überzeugung waren, dass diese Fremden schon bald wieder weiterzögen.

Doch die blieben und hatten schon bald ein Problem: die Afrikaner sahen keine Notwendigkeit, sich als Selbstversorger der Geld- und Warenwirtschaft der Weissen zu unterwerfen. Womit sie auch keine Notwendigkeit darin sahen, sich von den Weissen als Hilfskräfte anheuern zu lassen.

Wie bringt man also jemanden dazu, für Geld zu arbeiten, der dafür keine Verwendung hat?

Man erreichte das in Südrhodesien mit zwei Massnahmen. Zum einen wurde eine Hundesteuer eingeführt.

In seinem Buch beschreibt der Autor sehr anschaulich, wie der weisse Steuereintreiber mit seinen schwarzen Gehilfen ins Dorf kommt.

Wie die Dorfbewohner weit am Horizont zunächst nur eine Staubwolke erblicken, doch Ungutes erahnen und kurze Zeit später dann die Umrisse der Reiter erkennen.

Wie die Leute nun wissen, dass schon in kurzer Zeit der Steuereintreiber hier sein wird und sie aufgeregt und in aller Eile sämtliche Hunde des Dorfes einfangen und in eine Hütte sperren.

Er beschreibt die Szene, wo die Dorfältesten dem schwitzenden Weissen erklären, in ihrem Dorf habe es keine Hunde und wie just in diesem Moment die eingesperrte Meute kläffend aus der Hütte stürzt.

Zum anderen: Die weissen Siedler eröffneten an wichtigen Verkehrswegen Handelsstationen für Waren des Alltags. Und gewährten den Einheimischen grosszügig Kredit.

Nun ist es so, dass die Weissen, was die Steuern anbelangt, nach in Europa bewährter Manier verfuhren.

Wie Alexis de Tocqueville in “Der alte Staat und die Revolution” sehr anschaulich und gut (ohne Google!) recherchiert darlegt, war das Erheben von Steuern ein bewährtes Mittel, um auch Katholiken zur Arbeit anzuhalten.

Oder wie de Tocqueville schreibt, hatte Karl VII sich mit der Einführung der Kopfsteuer “das Recht eingeräumt, ohne Einwilligung und Beschluss der drei Stände mit dem Gute des Volkes zu bereichern” . Der Adel war von der “Taille” genannten Steuer selbstverständlich ausgenommen. Zahlen mussten die Bauern.

PS:Der Traum eines jeden vietnamesischen Fischers ist ein Motorrad zu besitzen. Die Mehrwertsteuer für Fisch beträgt 5%.

20131028-105941.jpg

 

Beitrag erschien zuerst auf: arlesheimreloaded.ch

 

Für die Inhalte der Blogs und Kolumnen sind die jeweiligen Blogger verantwortlich. Die Beiträge der Blogger und Gastautoren geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder.

Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte
unterstützen Sie mit einer Spende unsere
unabhängige Berichterstattung.

Abonnieren Sie jetzt hier unseren Newsletter: Newsletter

Kommentare zum Artikel

Bitte beachten Sie beim Verfassen eines Kommentars die Regeln höflicher Kommunikation.

Keine Kommentare

Schreiben Sie einen Kommentar


(erforderlich)

Zum Anfang