Wie die FDP zur außerparlamentarischen Opposition wird...

FDP Mitglied sein, ist in den letzten Monaten eine ganz neue und vor allem andere Erfahrung geworden. Mit der Regierungsübernahme in Berlin, erlebe ich in meiner Zeit als politisch Aktiver erstmals an eigener Haut

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 was Realpolitik für eine Partei bedeutet. Und für mich als Freigeist leider bisher eine ziemlich bittere Realität.

Mit Sicherheit war das Ergebnis der Landtagswahl in NRW zu großen Teilen dem aktuellen Bundestrend geschuldet. Unsere Wähler wurden in den letzten Monaten deutlich verärgert und bisher ist kaum Besserung in Sicht. So hat es aus meiner Perspektive die Parteispitze der FDP geschafft, vier wichtige Wählergruppen, welche das Bundestagswahlergebnis 2009 erst ermöglicht haben, zu verschrecken.

1. Die Reformwähler: Viel wurde vor der Bundestagswahl gegen die schwarz-rote Bundesregierung mobil gemacht. Zu Recht. Aber wenn ich vor dem Wahlsieg eine andere Politik verspreche und danach nicht deutlich erkennbare Unterschiede liefere, enttäusche ich den Glauben der Reformwähler schnell. Bisher hätten große Teile der getroffenen Gesetzesbeschlüsse auch von einer CDU-SPD Koalition beschlossen werde können. In den acht Monaten in denen man, dank solider Mehrheit im Bundesrat, hätte durch regieren können, wurde stattdessen rumgeschludert. Schlimmer noch, es wurden nicht nur die zentralen Probleme weitestgehend ignoriert, BM Rösler sei hier als positive Ausnahme erwähnt, sondern versucht mit Kosmetik eine gestaltende Politik vorzutäuschen. Kaum einer dürfte die FDP für eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf Hotelübernachtungen, das Anheben des Kindergeldes oder der Erhöhung der Zuverdienst-Grenzen für Kinder in Hartz IV Familien gewählt haben Auf Basis der eingetretenen Ernüchterung suchten am vergangenen Sonntag eben diese Reformwähler ihr Heil in der Wahl von anderen Parteien  – oder sie blieben schlicht zu Hause.

2. Die Leihstimmen der strategischen Wähler: Zugegebenermaßen ist es wenig überraschend, dass die Leihstimmen der CDU schwer zu halten waren. Das die CDU allerdings seit der Bundestagswahl konstant in den Umfragen über dem im September erreichten Ergebnis liegt, sollte uns zu denken geben. Besonders pikant, betrachtet man nur die Zweitstimmen hat die CDU trotz der krachenden Wahlniederlage im Vergleich zur Bundestagswahl in NRW um gut 1,5 % zugelegt – die FDP hat im selben Zeitraum 8,2 % verloren.


3. Die Sozialliberalen: Mit der sprachlich deutlich zu aggressiv, ja populistisch, geführten Sozialstaatsdebatte, hat sich die FDP im öffentlichen Bild um gefühlte 12 Jahre zurück entwickelt. Vieles was gesagt wurde ist inhaltlich richtig. Und das unter anderem von Johannes Vogel vorgelegte Thesenpapier ist in weiten Teilen ein sinnvoller Ansatz in der Sozialpolitik. Allerdings wird die FDP nach nur acht Monaten in der Regierungsverantwortung gefühlt wieder als soziale Kahlschlagspartei wahrgenommen. Rund eine Million Wähler der FDP der Bundestagswahl dürften darüber zumindest mal erbost sein. Unser breites Parteiprogramm wurde so auf einen Bruchteil seiner selbst reduziert, doch solange wir konsequent, insbesondere der Bundesvorsitzende, fast nur über Steuern reden, wird sich die Außenwahrnehmung der Partei schwer ändern lassen.

4. Die Marktliberalen und Libertären: Wurden diese bisher quasi verschont und nur mit einer weiteren Verkomplizierung des Umsatzsteuerrechtes irritiert, so ist diese Gruppe in den letzten zwei Wochen bitter enttäuscht, ja eventuell heimatlos, geworden. Besonders bitter ist für mich, da ich mich am ehesten zu dieser Gruppe zähle, dass ausgerechnet die Liberalen das Fundament des Euros (mit-)zerstören. Nur ein MdB der FDP (sic!) hat sich bisher öffentlich gegen die Staatshilfen für Griechenland ausgesprochen. Sollte nicht noch ein Wunder geschehen, werden es nicht bedeutend mehr liberale Abgeordnete sein, die gegen das Kastrieren der EZB und den Einstieg in die europäische Haftungs- und Schuldengemeinschaft stimmen. Im Rahmen des Bundestagswahlkampfs haben wir uns oft, zu Recht, als Partei der Rechtsstaatlichkeit dargestellt. Aber warum haben wir dann in nicht solch entscheidenden Fragen unserer Währungsgemeinschaft auf die Einhaltung von bestehenden Verträgen bestanden? Hier verprellt die FDP eine Wählergruppe, die in keiner anderen großen Partei eine Alternative findet und somit vermehrt zu Hause bleiben wird.

Wer bleibt da noch übrig? Wer hat der FDP bei der Landtagswahl in NRW seine Stimme gegeben?

Da sind letztlich nur noch die Stammwähler und die Parteibasis. Und selbst die scheinen sind unmotiviert und enttäuscht von der Berliner Koalition. So schockierend es sein mag, aber als die FDP 1998 am Abgrund stand, wählten zur Bundestagswahl noch 7,2 % der Wähler in NRW liberal. In absoluten Zahlen waren das, auch aufgrund der mehr als 20 % höher liegenden Wahlbeteiligung, 270.000 Wähler mehr als am 9.5.2010. Die aktuelle Situation ist eine Schicksalsstunde des deutschen parteilich organisierten Liberalismus.

Wer an der Basis aktiv ist merkte schon im Wahlkampf dass die Mobilisierung und Kampfbereitschaft der Mitglieder in den letzten Monaten sehr stark gelitten hat. Viel Unverständnis vermischt mit teils grauenhafter Kommunikation der Parteispitze und obendrein einer abgebrühten CDU als vermeintlichem Freund haben ihre Spuren hinterlassen. So war das Ergebnis letztlich auch nicht wirklich überraschend.

Zentral wird es für die FDP nun sein nicht in der aktuellen Schockstarre zu verharren und womöglich auch noch den verbliebenen Rest des Gestaltens auf Bundesebene einzustellen. Wir müssen endlich beweisen dass unsere Partei programmatisch breit aufgestellt ist und liberales Denken und Handeln alle Lebensbereiche betrifft. Liberale Sozialpolitik, liberale Gesundheitspolitik und insbesondere liberale Bürgerrechtspolitik müssen dringend zum Kern der Marke FDP werden.

Gelingt dies nicht, lassen wir uns weiter von der CDU wie blutige Amateure vorführen, verengen wir uns weiter auf Steuerpolitik, verletzt die Parteispitze weiter die Grundsätze liberaler Wirtschaftspolitik und macht Herr Westerwelle in Zukunft als Parteivorsitzender nicht an entscheidenden Stellen seinen Mund auf (z.B. wenn es mal wieder um SWIFT geht) und redet stattdessen lieber  unnötig populistisch daher, wird die FDP in den nächsten Jahren in vielen Bundesländern zur außerparlamentarischen Opposition.

P.S.: Ein gelungener und zutreffender Kommentar dazu in der Welt von Ulf Poschardt

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 13.05.2010 auf "winterswelt.de".

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Prophet

Die FDP ist eine Extremistische Partei (soll sich eigentlich als Extremist-Kapitalistische Partei umbenennen) darf also nicht über die Linken als Extremisten beschimpfen.

Was der Extrem-Kapitalismus uns gebracht hat, erleben wir z.Z. sehr intensiv.

FDP? Nein, Danke!

Gravatar: Friedrich Dominicus

Die FDP hat auch dem FMStg zugestimmt. Damals war sie sogar noch in der Opposition. Und diesen Satz:
"Die aktuelle Situation ist eine Schicksalsstunde des deutschen parteilich organisierten Liberalismus."

Können Sie sich gleich knicken die FDP ist keine liberale Partei mehr. Das F wurde kurz nach der Wahl mit einem S getauscht und jetzt mit der Griechenlandhilfezustimmmung das P durch das E. Somit hat die FDP nun Ihren "korrekten" Namen. Je ehere Sie untergeht desto besser für alle.

Gravatar: anno_domini

Liberal nein danke. Hat Genscher uns denn nicht den Ökologismus beschert? Dieser Mann ist dafür verantwortlich, dass die Ökoszene uns heute ausbeutet. Immer neue Bürgerinitiativen wurden gegründet und flott gemacht um das Regieren in Deutschland zu erschweren.

Gravatar: Klimax

"Besonders bitter ist für mich, da ich mich am ehesten zu dieser Gruppe zähle, dass ausgerechnet die Liberalen das Fundament des Euros (mit-)zerstören. Nur ein MdB der FDP (sic!) hat sich bisher öffentlich gegen die Staatshilfen für Griechenland ausgesprochen. Sollte nicht noch ein Wunder geschehen, werden es nicht bedeutend mehr liberale Abgeordnete sein, die gegen das Kastrieren der EZB und den Einstieg in die europäische Haftungs- und Schuldengemeinschaft stimmen."

DAS ist der springende Punkt! Wozu sollte man eine liberale Partei wählen, die nicht liberal ist?

Der Wahlerfolg der FDP im Bund beruht in nicht unerheblichem Maße auf ihre Opposition gegen Banken-, Opelsubventionierung und Abwrackerei. Und jetzt?

Jetzt wird mit den Stimmen der FDP weiter gemacht mit der Milliardensubventionierung, nur sind es jetzt EU-Staaten. Sie treiben unser Land in Inflation! Sparer werden Sie nicht mehr wählen. Schuldner haben Sie ohnehin nie gewählt.

Wie kann man nur behapten, es hätte keine Alternative zu diesem Wahnsinn gegeben?

Gravatar: Michael Schönherr

@Franz Winter

Auch wenn die FDP in der letzten Zeit massenhaft Stimmen verloren hat,bitte bleibt standhaft.Ich könnte mir nach wie vor keine andere Partei vorstellen,die ich wählen könnte.Allerdings ist es doch Fakt,das sich die FDP in ihrer starren Haltung immer mehr zum kleinen Vasallen der CDU gemacht hat.Voriges Jahr im Bund,jetzt in NRW.Warum öffnet sich die FDP nicht endlich mal wieder anderen Koalitionen??Eine sozialliberale Koalition zum Beispiel.War die Zeit von 1969-1982 so schlecht??Im Gegenteil!!!.Oder eine Ampel??Sicherlich wäre es für die FDP nicht einfach mit den Grünen,aber die FDP könnte doch in einer solchen Koalition gewisse Dummheiten der Grünen verhindern,etwa beim Mindestlohn oder Verbraucherschutz.
Wenn die FDP sich nicht anderen Koalitionen wieder öffnet,wird sie früher oder später ihre Glaubwürdigkeit verlieren.Denn wer wählt dann noch FDP,wenn man genau weiß,das man doch indirekt CDU wählt?!12 Jahre ohne schwarz-gelb haben ihre Spuren hinterlassen und man sieht jetzt deutlich,wie weit sich CDU und FDP in gewissen Fragen weit von einander entfernt haben.

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