Werke der Barmherzigkeit: Die Toten begraben und die Trauernden trösten

Die Toten begraben erscheint den meisten noch einsichtig. Viel schwerer ist aber ein anderes Werk der Barmherzigkeit: Die Trauernden trösten.

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Wenn man es mal – dem Thema eigentlich unangemessen – flapsig formuliert, dann gibt es wohl kaum eine bessere Möglichkeit, zwei Werke der Barmherzigkeit gleichzeitig zu vollbringen, als auf einer Beerdigung. Da ist zunächst mal der Aspekt der Ehrung des und – vor allem – des Gebets für den Verstorbenen. Ganz nüchtern betrachtet, gibt es aber eigentlich keinen Grund für eine feierliche Bestattungsfeier (geschweige denn eines „Leichenschmaus“). Ob viele oder wenige Blumen auf dem Grab liegen, ob eine feierliche Ansprache gehalten wird oder nicht, ist für das Seelenheil des Verstorbenen nicht wirklich entscheidend. Das Gebet ist es schon, wenn wir daran glauben, für „die armen Seelen“ beten zu können, um ihnen die Zeit im Fegefeuer zu erleichtern. Gerade der Aspekt wird aber bei vielen Trauerfeiern eher außen vor gehalten: Es geht eher um die Lebensbeschreibung des Verstorbenen, wobei in der Regel die guten Seiten in den Vordergrund gerückt wird. Glaubte man allen Grabreden, so habe ich es mal irgendwo gehört, dann wären unsere Friedhöfe voll mit Heiligen!

Dieser Mangel an Erkenntnis über den Tod ist womöglich auch der Grund, warum, betrachtet man im Vergleich das Trösten der Trauerenden, tatsächlich das Begraben der Toten für die meisten das einfachere Werk der Barmherzigkeit ist. Still Abschied zu nehmen, an gemeinsame Erlebnisse denken, auch selbst zu trauern, das haben wir durchaus drauf. Das macht ein Begräbnis noch immer nicht zu einem leichten Gang, gerade dann nicht, wenn es sich um einen guten Freund oder ein enges Familienmitglied handelt, aber gerade für einen eher entfernt bekannten ist dieser Teil der Barmherzigkeit wohl eher leicht zu bieten. Der Trost für die Trauerenden ist dagegen schon deutlich schwieriger.

Der gängige Satz auf Beerdigungen lautet dann oft „Mein herzliches Beileid“ – zumindest in meiner westfälischen Heimat auch oft ein kurz zugerufenes „Beileid!“ Zum Ausdruck gebracht wird damit, dass man mit dem Trauerenden mitleidet, seinem Leid sein eigenes zur Seite stellt. Und ja, das kann Trost spenden. Wer wüsste nicht gerne die Freunde und Verwandten an seiner Seite, wenn er aufgrund des Verlustes eines geliebten Menschen trauert. Mitleid macht niemanden wieder lebendig, aber es macht deutlich, dass man mit der Trauer nicht alleine dasteht. Das setzt allerdings auch voraus, dass man auch glauben kann, dass der andere seine Beileidsbekundung auch ernst meint. Je nach konkreter Situation kann man da schon mal Zweifel haben, und – ganz ehrlich: auch ich habe ein „Mein Beileid“ schon als Floskel dahergesagt ohne mir ein tatsächliches Mitleid zu vergegenwärtigen. Gerade dann, aber auch in anderen schweren Situationen, ist man nicht selten froh, anschließend schnell weg zu sein, sich mit der Trauer – der man keine wirkliche Abhilfe schaffen kann angesichts des Todes eines Menschen – nicht mehr konfrontieren zu müssen.

Das wiederum ist aber gerade das Gegenteil von Trost: Man geht nur zu gerne der Trauer des anderen aus dem Weg! Es ist vielleicht vergleichbar mit dem ungeliebten Krankenbesuch, den man lieber nicht macht und bei dem man sich herausredet, dass man ja „so eng“ gar nicht sei und andere viel eher aufgefordert wären, tätig zu werden. Gleiches gilt offenbar für den Trost, und sagen das alle bleibt am Ende der Trauernde allein. Will ich mich dann am Ende meines Lebens vor unserem Herrn wirklich damit herausreden, dass ich nicht an der Reihe gewesen bin? Natürlich: Ich kann nicht jeden Menschen trösten, der meines Trostes vielleicht bedarf, aber in den meisten Fällen schlägt unser schlechtes Gewissen doch zu Recht an, wenn wir uns davonstehlen, ohne zumindest versucht zu haben, zu trösten.

Für mangelnden Willen – auch das sage ich selbstkritisch – wird dann häufig der angeblich nicht gangbare Weg verantwortlich gemacht: „Wie soll ich denn trösten, was soll ich denn sagen? Ich kann so etwas nicht, im Zweifel mache ich die Trauer nur schlimmer!“ Und wissen Sie was: Ich weiß das im Normalfall auch nicht! Im Moment tiefster Trauer ist es eben nicht immer so einfach, von der christlichen Hoffung zu sprechen. Wenn ein kleines Kind gestorben ist oder ein Familienvater – wie kann ich dann behaupten, dass Gottes Wille geschehen solle, sein Plan besser wäre, als was wir uns vorstellen? Gerade habe ich einen (zugegeben recht evangelikalen) Film gesehen, in dem ein Pastor den trauernden Vater eines bei einem Unfall ums Leben gekommene Kind vor die Entscheidung stellt: „Willst Du wütend sein über die Jahre, die ihr nicht gehabt habt, oder dankbar für die Zeit, die ihr hattet?“ Sicher, nicht jeder wird dann wie dieser Mann sagen können „Ich will nicht wütend sein!“, nicht jeder steht so tief im Glauben, bei derartigen Schicksalsschlägen nicht das Vertrauen in Gott zu verlieren. Und trotzdem habe ich mir vorgenommen, mir diese Formulierung zu merken – sie ist großartig, tröstend, und doch geht sie nicht einfach über die Trauer hinweg.

Am letzten Sonntag war ich bei einer Beerdigung: Eine gute Freundin meiner Eltern ist gestorben, mit 85 Jahren und nach längerer Krankheit. Ich habe für sie gebetet, und ich bete noch für sie. Aber jetzt, im Nachgang, fällt mir auf, dass ich die schöne Grabrede, in der viel von ihrem Leben und die sie getroffenen Schicksallschläge die Rede war, mich selbst getröstet hat und so wird es auch vielen anderen gegangen sein: Wollen wir wütend sein, dass Gott sie zu sich gerufen hat oder dankbar dafür, dass wir sie kennen durften? Und noch ein Frage taucht nun auf: Wer im Umfeld ihrer Freunde und Familie braucht nun wohl meinen Trost? Vielleicht keine „katholische Ansprache“, aber doch ein gutes Wort, einen Anruf, vielleicht die dadurch nur zum Ausdruck gebrachte Anerkennung, dass Trost notwendig ist und man sich zu trösten bemüht? Das wird auch wieder nicht leicht werden, allzu schnell wird die Versuchung da sein, darüber hinwegzugehen, es jetzt aber auch „gut sein zu lassen“. Aber ohne den Vorsatz, Werke der Barmherzigkeit wie das Trösten der Trauernden zu leisten, wird es mit Sicherheit nichts werden.

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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