Werke der Barmherzigkeit: Die Fremden aufnehmen

Bis jetzt war es noch leicht, aber „die Fremden aufnehmen“ ist eine besondere Herausforderung. Wie kann man der entsprechen?

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„Ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich aufgenommen“ – so heißt es in Jesu Rede zum Weltgericht zu den Gerechten, und wenig später zu den anderen „ich war fremd und obdachlos und ihr habt mich nicht aufgenommen“. Die ersteren dürfen das Reich in Besitz nehmen, das seit der Erschaffung der Welt für sie bestimmt ist, die zweiten werden in das ewige Feuer geschickt, das für den Teufel und seine Engel bestimmt ist! (vgl. Matthäus 25,31-46) Ich habe das schon mehrfach geschrieben, trotzdem erscheint mir die Klarstellung wichtig, dass man diese Erzählung vom Weltgericht nicht wie eine Einkaufsliste lesen kann, mit deren Hilfe man sich das Himmelreich erarbeiten kann, und umgekehrt bei nur einem Verstoß in die Hölle kommt. Nur weil ich einen Fremden mal nicht aufgenommen habe, gehöre ich nicht zu denen, die Jesus zu seiner Linken versammeln wird, und nur weil ich viele Fremde aufgenommen habe, gehöre ich nicht zu denen zu seiner Rechten.

Und dennoch sollten wir diese Worte Jesu natürlich ernst nehmen: Was erwartet Gott von mir, wie sieht ein gottgemäßes Leben aus? Wie zeige ich Jesus meine Liebe – und wie kommt es, dass ich seine Liebe mir gegenüber ablehne? Insofern ist es gut, dass viele der von Jesus angeführten Beispiele Eingang in die leiblichen Werke der Barmherzigkeit gefunden haben. Und zu denen gehört eben auch, die Fremden aufzunehmen. Und ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber auch ohne Flüchtlingskrise ist das schon herausfordernd: Fremde aufzunehmen – interpretieren wir uns das mal nicht zu beqem! – kann bedeuten, unsere Wohnungs- und Haustüren für sie zu öffnen. Es kann auch bedeuten, denen ohne Wohnung zu einem Dach über dem Kopf zu verhelfen. Es kann im Mindesten bedeuten, dafür zu sorgen, dass sich die Fremden nicht mehr fremd fühlen, keine Fremden mehr sind.

Nun kann sich jeder selbst fragen: Werde ich dem gerecht? Und – nicht zu vergessen – schaffe ich es, nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen? Denn gerade bei dieser christlichen Forderung, und gerade im Hinblick auf die Flüchtlingssituation in Europa, geht es auch darum, sich vor Augen zu halten, dass das „Weltgericht“ ganz sicher keine Massenurteile beinhaltet. Ob man am Ende zur Linken oder zur Rechten Gottes zu stehen kommt, ist eine persönliche Angelegenheit zwischen Christus und mir. Und genau das macht es so schwierig: Kann man als Einzelner einen Fremden, einen Flüchtling aufnehmen? Möglicherweise. Kann man als Einzelner eine Menge von Flüchtlingen aufnehmen oder ihnen zumindest Schutz gewähren? Schon schwieriger. Kann man als Einzelner die Flüchtlinge an den Grenzen Europas aufnehmen oder ihre Integration sicherstellen? Sicher nicht!

Interessanterweise hat sich bei solchen nationalen oder globalen Krisensituationen eingebürgert, nach dem Staat zu rufen: Der soll es richten, die Politiker sollen eine gute Lösung finden und umsetzen. Und sie machen es am Ende doch nie richtig, jedenfalls nie so, wie man sich das selbst vorgestellt hat. Der „Staat“ nimmt zu viele auf, zu wenige oder die Falschen, wahlweise fühlt man sich überrannt oder die Notlage der Flüchtlinge nicht ausreichend gewürdigt. Diejenigen, die die Grenzen schließen wollen werden wahlweise als Unmenschen oder als Retter des Abendlandes verstanden (mit ein paar, aber sehr wenigen Grautönen).

Nein, dies wird – meinem Fastenvorsatz entsprechend – kein politischer Blogbeitrag. Er soll nur eines deutlich machen: Der Ruf nach dem Staat zur Rettung anderer Menschen macht noch keine gute Tat, noch kein Werk der Barmherzigkeit aus! Vor allem dann nicht, wenn mit dem Ruf nach dem Staat einhergeht, andere dazu zu zwingen, Menschen aufzunehmen. Es soll hier also nicht darum gehen, welche Flüchtlingspolitik die Richtige ist (eher schon darum, dass eine nationale Flüchtlingspolitik immer mit Zwangsmaßnahmen einhergeht) sondern um unsere Einstellung gegenüber Flüchtlingen generell – und persönlich! Es ist also nicht in erster Linie die Frage, ob man Grenzen öffen (lassen) oder schließen will – für beides gibt es Argumente, die nicht zuletzt auch mit der Kultur eines Landes zu tun haben, mit dem Umgang mit den Sorgen der Menschen im Land. Die Frage ist, wie ich mich selbst gegenüber der Situation verhalten will, und da reicht es eben nicht, Papa Staat mal machen zu lassen und nach Steuergeldern für Integrationsmaßnahmen zu rufen.

Aber gibt es denn Alternativen zum Staat? Gerade was die Unterstützung der Menschen angeht, gibt es die natürlich. In den meisten Krisenregionen dieser Welt sind Hilfsorganisationen unterwegs, die dazu beitragen, Menschen zu versorgen und ihnen ein Bleiben in der Heimat ermöglichen. Und Hilfen für Flüchtlinge, die bereits in Europa angekommen sind, lassen sich auch privat unterstützen oder selbst organisieren – ohne diejenigen zur Hilfe zu zwingen, die eher die Risiken der großen Zahl an Flüchtlingen sehen als die Notwendigkeit der humanitären Hilfe – und ich lege Wert darauf, diese Sorge nicht einfach abzutun und pauschal in die „rechtsextreme Ecke“ zu stellen!

Barmherzigkeit und Klugheit scheinen gerade bei der Aufnahme von Fremden im Widerspruch zu stehen. Es ist eben nicht klug, jeden aufzunehmen, genau so wenig wie es barmherzig ist, jeden abzuweisen und seinem Schicksal zu überlassen für dessen Situation ich nicht unmittelbar verantwortlich bin. Und doch scheint mir, dass es dazwischen, zwischen dem undifferenzierten „Refugees Welcome“ und einer undifferenzierten Obergrenze, einen klugen und gleichzeitig barmherzigen Weg gibt, der in der Hilfe von Menschen für Menschen bestehen muss und nicht in regierungsseitig verordneter Willkommenskultur und staatlich erzwungener Aufnahme von Flüchtlingen bestehen kann. Hier ist unsere Aufgebe als Christen, hier liegt auch eine Aufgabe für die Kirche als Ganzer – und um es auch selbstkritisch zu sagen: Da machen wir derzeit keine gute Figur!

Beitrag zuerst erschienen auf papsttreuerblog.de

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Kommentare zum Artikel

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Gravatar: Thomas Rießler

Bei so viel Barmherzigkeit könnte man glatt den Eindruck gewinnen, dass Sie heute schon den Koran geküsst haben. Ob diese Bibelstelle aus dem Matthäusevangelium auf Katholiken anwendbar ist? Meine These: Für die meisten Katholiken sind nicht die „Flüchtlinge“ fremd, sondern die Christen im eigenen Land.

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